Ich weiß nicht, ob man das so mit dem Scouting über einen Kamm scheren kann? Aber natürlich wird dort, wo schon besonders gute Arbeit geleistet wurde und/oder ein Keeper zum Profi gereift ist, etwas genauer hingeschaut. Weil das Torwarttraining im Nachwuchsbereich sehr häufig vernachlässigt wird, können sich im Ausbildungsbereich andere Verhältnisse wie im Feldspielerbereich ergeben, sofern sich in der Nähe eine gute Torwartschule befindet.

Das das Talent allein nicht reicht, darüber sind wir uns wohl einig. Es gehört auch ein starker Durchsetzungswille hinzu, sich aus Verletzungen oder anfänglichen Nichtberücksichtigungen immer wieder mit hoher Eigenmotivation zurück zu kämpfen, ist nicht immer einfach. Eine Portion Glück zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, das ist ebenfalls eine gute Eintrittskarte. Danach erfolgt ein wiederkehrender Prozess der Selektion. Hier mögen minimale Unterschiede ausschlaggebend sein. Allerdings bezweifele ich, dass jemand allein aus Protektion es bis ganz nach oben schaffen und sich dort halten kann.

Dass nicht immer die besten eines Jahrgangs ganz nach oben kommen mag auch an der Definition liegen, wer denn nun die Besten sind? Denn wie ich bereits sagte, ist eine Aussage schwierig, weil es sich lediglich um einen Ausbildungsstatus handelt, aus der sich jedoch noch keine endgültige Aussage treffen läßt. Was ist mit denen, die man anfangs gar nicht auf dem Zettel hatte und erst dann sehr große Sprünge in ihrer sportlichen Entwickung machen, während andere aufgrund eines früh startenden Leistungsdruck immer weniger Spaß an ihrer eigenen Leistung haben?

Die Hyp man jungen Talenten wird von Jahr zu Jahr größer. Man stellt ihnen Erfolgsprognosen aus, die man in dieser Ausbildungsphase seriös noch gar nicht treffen kann. Weil es ein Abwerben der NLZ von unten nach oben gibt, hat man manchmal das Gefühl, es geht ihnen auch nicht um eine weitere Ausbildung des Talentpotenzials, sondern es stehen finanzielle Interessen, dem Konkurrenten ein Talent vor der Nase wegzuschnappen, mit dem vielleicht viel Geld verdient werden kann.

Ein ganz großes Problem in unserer Talentförderung ist vermutlich der "RAE-Effekt", der besagt, das die früh im Jahr geborenen Kinder einen kleinen Vorteil gegenüber den spät im Jahr geborenen haben. Allerdings wird dieser Faktor mit dem Ende der Pubertät unbedeutend, weil die spät Geborenen über die gleiche Physis verfügen.

Nimmt man als Beispiel die U 15 des HSV, so findet man gar kein Talente aus dem letzten Geburtsquartal und nur wenige aus dem 3. Quartal. Dafür besitzen fast alle U 15 - Spieler einen Migrationshintergrund, dessen nutzbarer Vorteil für den HSV darin besteht, dass diese Talente ein paar Monate früher in die Pubertät kommen, weshalb der physische Vorteil im Muskel- und Längenwachstum bei sonst gleichen Talentmerkmalen anderer Teams letzendlich den Ausschlag für die notwendigen Siege gibt.

Dass es hierbei weniger um eine mittelfristige Talentförderung sondern um Saisonziele geht, erkennt man daran, dass die Geburtenverteilung in der U 19 eine ganz andere ist.

Bei den Torhütern gewinnt man manchmal das Gefühl, dass die in frühen Jahren nach aktueller Körpergröße ausgesucht werden, anstatt sie mit einem fairen und breiten Leistungsspektrum zu selektieren.

Auch ich habe Zweifel am Scouting, aber ich würde sie nicht allein darauf reduzieren wollen, dass man sich nicht genügend Zeit nimmt und ganz einfach weitere Talente aus dem "selben Stall" nimmt.

Es mag vielleicht manchmal eine Eintrittskarte sein, aber dem stetig höheren Leistungsdruck folgen wiederkehrende Selektionen. Da landet man schnell auf der Bank und danach auf die Abschußliste, wenn die Leistung nicht stimmt.

Leider gibt es m.E. auch innerhalb der Talentförderung Anlaß zur Sorge. Denn wenn jedes Talent Angst haben muß, bei der nächsten Sichtung nicht mehr dabei zu sein, dann riskiert man nicht viel, weil Fehler hier unerbittlich bestraft werden. Auch ist eine Talententwicklung nur selten linear, weil es darin soziale Faktoren (Familie, Freude, Schule) gibt, die die Leistungsentfaltung kurzfristig stark beeinträchtigen können. Fallen Selektionen in diesen Zeitraum, dann ist eine Rauswurf sehr wahrscheinlich. Denn auch die NLZ-Trainer-Fluktuation ist sehr hoch, weshalb die frühere Entwicklung u.U. gar keine Berücksichtigung mehr findet.

Das Problem ist, wie man mit der Ungewissheit umgeht, nur wenigen Talenten eine Chance zu geben? Will man es allen Beteiligten Recht machen, bleibt man selbst ganz schnell auf der Strecke. Wenn es also eine Linie braucht, nach der man seine Entscheidungen fällt, dann sollte man sie auch durchziehen. Man bekommt damit vielleicht nicht immer die Besten, aber doch eine gute Quote.