
Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer
15 Jahre kein Training - und die Folgen...
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am 17.09.2010 um 08:07 (3363 Hits)
Kennt Ihr das? Sprüche: "Das ist wie Fahrrad fahren - das verlernst du nicht?"
Nun, zu meinen Bestzeiten wog ich 67,5 Kilo, fuhr 20 Kilometer Fahrrad in vierzig Minuten und lief mühelos 10 Kilometer am Stück. Ich habe mich jeden Montag und jedem Mittwoch mit den Herren in weißen Anzügen gekloppt, und Dienstag, Donnerstag und Freitag dann Training, mit bis zu 90 Minuten Torwarttraining.
Jetzt, viele, viele Jahre später sieht man was ein Appetit anrichten kann: Ich verschlang früher zum Frühstück zwei Scheiben Grabrot mit Honig oder Marmelade, trank einen halben Liter Kakao. Dann fuhr in die Firma und stopfte mir zum Frühstück ein halbes Kastenweißbrot mit einem halben Ring Leberwurst rein, dazu einen Liter Milch. Mittags ass ich ein großes Schnitzel mit Pommes und Salat, dazu ein halber Liter Cola und Abends dann ggf. noch was bei Muttern zu Hause.
Rechnet man dies alles zusammen, so kam ich auf über 5000 kcal pro Tag... doch ich nahm weder ab noch zu, mein Körper 'verbrauchte' dies. Dann wechselte ich den Beruf und gab den Fussball auf... eigentlich veränderte ich von einem Tag auf den anderen alles, bis auf meine Essgewohnheiten.
Diese vestärkten sich durch die Schwangerschaften meiner Ehefrau, wo Sie einen Apfel ass, mampfte ich fürstlich eine Dose Würstchen und Brot dazu.
So bin ich heute eine Kugel, zu meinem Leidwesen und was man in über 20 Jahren 'angeschafft' hat, wird man auch in 2 Jahren nicht so rasch wieder los.
Ich muss also meine Ernährung erst einmal umstellen, von viel auf wenig und dann immer weniger - kein leichtes Unterfangen.
Arge Sorge aber macht mir, was sich in den Jahren mit Fussball getan hat. Gestern konnte mal keiner der Torleute zum Training da sein, auch dies kommt ab und an mal vor. Meist ist die Nummer 3 da, und ein A-Jugendtorwart, doch die Nummer 3 hat einen Bänderriss und der A-Jugendtrwart laboriert mit einem Leistenbruch... Naja, also Overall an, Torschuss, man kann ja mal ins Tor gehen. ist wie Fahrrad fahren - das verlernt man nicht.
Ja, Schei..e!
Der Impuls nach links oder rechts runter ist da, aber das Bewegungsprogramm fehlt völlig. Der Impuls nach links oder rechts halbhoch zu fallen ist da, der Körper reagiert nur nicht.
Nach 10 Minuten ist man geistig völlig runter, nicht wegen der Konzentration - nein, es ist pure Verzweiflung. Man möchte am liebsten die Handschuhe ausziehen, ein Loch graben und sich reinlegen.
Klar, man macht weiter und oh Wunder, man kommt mal nach rechts runter, hält jetzt zwei drei Bälle gut.. doch links ist völlig Banane. Hier müßte man sich zwingen. Doch bei den meisten Schüssen: Das Programm der Bewegung muss automatisch ablaufen, nicht weil man daran denkt... Denkt man, ist es zu spät.
In den Gedanken dreht sich alles... Runter, hoch, Runter, Hoch.. das Programm ist an sich da... es ist nur nicht automatisiert.
Ruhender Ball, der Schritt und runter - das linke Knie, es knirscht, blockiert leicht, aber es geht. Drei, vier Wiederholungen... geht doch. Warum klappt es dann im Schusstraining nicht?
Die Automatismen, sie fehlen. 14 Jahre, die mir fehlen. 14 Jahre, wo ich auf meine Technik geachtet habe, aber nie wieder realitätsnahe Training bekommen habe. Ich habe darauf geachtet, es vormachen zu können, habe gefeilt und gearbeitet, aber ich habe mich völlig vergessen. Ich mag heute die Techniken beherrschen, besser vielleicht als Damals.Aber ich könnte diese nicht realitätsnahe einsetzen. Denn diesen Punkt habe ich den 14 Jahren ausgeklammert, denn ich war Trainer, nicht mehr Torwart.
Es ist zum Verzweifeln, die Bälle schlagen vielleicht einen Meter neben mir ein, Geschenke und ich bin nicht in der Lage, noch in der mentalen Verfassung, die Bälle zu halten. Ich könnte mir gerade ins Tor setzen und weinen.
Das schlimmste ist dann aber die Erwartung. Man erwartet von sich selbst, daß es geht - tut es aber nicht. Schlimmer noch, es sind die motivierenden Zurufe der Spieler:
Hey, du darfst auch die Hände benutzenHallo, streng dich mal an, der war direkt auf den MannDas macht alles schlimmer als besser. Die Verzweiflung wächst und letztendlich damit die Unkonzentriertheit, man verkrampft und versteift und wird noch schlechter.Du, da kannst Du auch mal einen rausholen
Gnadenlos wird man 'hingeschlachtet' und weidet sich selbst im eigenen Blut und Eingeweiden. Der Gestank von Selbstmitleid mit dem stechenden Geruch der Verzweiflung hüllt einen ein, dazwischen tobt ein Feuer aus Wut und verletztem Selbstwertgefühl.
Das keiner verstehen kann und verstehen mag, daß es nach all diesen Jahren schwer ist. Ich würde so gern, doch meine eigene, mangelnde Leistungsfähigkeit ist, was mich so leiden läßt. Ich habe keinen Spaß am Sport, weil ich keinen Spaß dabei empfinde - ich bin völlig unzufrieden mit mir selbst, denn ich lege an mich den gleichen Maßstab an, wie an alle anderen Torleute. Unmöglich, diesen im Training als Torwart zu erfüllen
Ich habe Sehnsucht, Sehnsucht nach einem Torwarttrainer. Nach einem Torwarttrainer, der sich die Zeit nimmt, mit mir wieder zu trainieren. Der mich motiviert, mich aufbaut, Geduld hat, alles wieder einschleift. Der die Zeit mitbringt, meine Kondition aufzubauen, meine Techniken wieder zu vervollkommnen und natürlich meine Reaktion und Geschwindigkeit wieder zu optimieren.
Ich sehne mich nach einem Torwarttrainer, wie ich es bin - ich kann mich nur nicht selbst trainieren.