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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Vorbildfunktion

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Man geht nicht bei Rot über die Ampel. Das bekommt man schon als Kind gesagt und die Erwachsenen machen es trotzdem. Wir alle haben Vorbildfunktion und schaut man sich im Alltag um, so finden wir dutzende Vorbilder, die allesamt alles sind, nur eben bestimmt kein gutes empfehlenswertes Vorbild.
Unsere Idole geben sich mit Drogen ab, oder werden im Vollrausch beim Autofahren erwischt... andere haben wüste Schlägereien und der nächste gar geht sogar in den Bau, weil er jemand schwere Gewalt angetan hat.
Super möchte man da rufen. Denn wie soll man einem Kind erklären, daß eben das Gangster Image und das tolle böse Jungen/cooles Gangmitglied HipHop HosenTräger Image mit einem Vorstrafenregister länger als der Einkaufszettel bei Aldi alles andere als cool, in, hip oder toll ist?
Wir sind Vorbilder und es ziemt sich, sich oft genug mal an die eigene Nase zu fassen, ob wir - was wir tun - auch wirklich das ist, was unsere Kinder später mal auch tun und durch abschauen lernen sollen. Ist das nicht der Fall, sollten wir unser Tun überdenken und auch ändern.
Diese Welt ist schon voll genug mit Ars.hlöchern, da müssen wir nicht eine ganze Generation durch unser Tun dazu ermutigen, auch zu einem zu werden!

Doch wir haben auch sportliche Vorbilder...
Es ist schon etwas Besonderes. Es war eigentlich ein wunderbarer Spieltag, Sonne, Sommerliche Wärme und ein Kunstrasen, keine drei Wochen alt.
Herz was willst Du mehr?
Komisch war nur das Getuschel der Gegnerischen Spieler, schon im Vorraum zu den Kabinen. Immer wieder deutlich zu hören die Worte "Blaue Mauer"...
Dies gipfelte im Gespräch zwischen dem gegnischen Spieler mit der Rückennummer 8 und seinem Kapitän:
"Hast Du gelesen? Auf dem Trikot steht 'Blaue Mauer'... ob das DIE Blaue Mauer ist?"
"Nee, glaub ich nicht!"
"Und wenn es doch der aus dem Internet ist? Der ist auch blond!"
"Es gibt aber viele Blonde Jungs"
"Warum sollte er dann aber 'Blaue Mauer' heißen?"
"Mir ist das zu doof, weißte was, ich frag den jetzt!"

Und im Vorbeigehen stupste der Kapitän den jungen Torwart an und fragte:
"Hey, bist Du die 'Blaue Mauer'?"
"Joa! Glaub schon!"
"Nee, ich mein, bist Du die 'Blaue Mauer' aus dem Internet?"
"Sag ich doch, ja!"

Verstörte Blicke...

Wir gehen auf den Platz und machen uns warm. Der Gegner wärmt sich zwar auch auf, doch das warm machen, es wird mit Argus-Augen beobachtet. Selbst die Ersatzspieler in "Zivil" stehen nahe unserem Tor, um zu sehen was passiert.
Nach ein wenig warmlaufen und Gymnastik beginnen wir mit dem Aufwärmen mit Ball. Es ist eine Art Ritual, welches sich für mich bewährt hat und alle Bewegungsabläufe des Torwarts abruft. Ich als Trainer passe mich zwar hier völlig den Wünschen des Torwarts an, doch in diesem Falle haben wir das zusammen erarbeitet und halten daran fest.
Wir beginnen mit flachen Bällen vor die Füsse.
Sicher nimmt die Blaue Mauer die Hände hinter den Ball und fällt in den tiefen Umarmungsgriff. Stolze Augen schauen die Bewegungen, er ist nur etwas irritiert von der "Publicity" die Ihn beobachtet.
Ich mahne zur Konzentration, auch ewas strenger, denn er neigt noch dazu, sich ablenken zu lassen. Doch der Focus, er darf auf Ball und Technik bleiben. Er läßt sich auch einfangen und nach ein paar Bällen wechseln wir.
Er trinkt, ich erkläre 5 Bälle flach scharf in die von Ihm aus rechte Torecke, danach linke Torecke.
Lässig wirft er die Flasche ins Tor und erwartet meinen Schuss. Er taucht ab, schräg nach von und hält den Ball. Zwei Mal schießt er in die Ecke im mit den Händen den Ball um den Pfosten zu drehen. Auch beim Seitenwechsel offenbart sich keine Blöse, wir sind beim warmmachen.
Der Gegner ist immer wieder mit den Augen dabei, schaut erstaunt wie das blaue Trikot einem Schatten gleich durch das Tor huscht.
Trinkpause, die gegnerischen Spieler sind verschwunden. Hinter uns Getuschel, der Sturm tagt. Hier wird gerade diskutiert, wie man die 'Blaue Mauer' überwinden kann... ob der Trainer dann auch noch ein Rezept findet?
Ich werfe nun Bälle auf den Körper, Ansaugen nennen wir dies. Danach kommen die Bälle seitlich, er muss einen Beistellschritt machen, und dann im Fallen den Ball sichern. Vorstufe zum Hechten.
Trinkpause, danach 2 Hechter nach rechts und drei nach links, wobei bei rechts der letzte so gut kommt, daß er übergreifen muss und den Ball förmlich aus dem Dreieck angelt... Er liebt diese Bälle - er war schon immer ein Flieger wie Tim Wiese.
Er liebte das 10/20 Training mit Mathias Bolz, denn endlich: Er durfte mal fliegen!!!! Und das mit Mathias, große Ehre!
Nach dem Fliegen kommen die 1 gg 1... Sind nur 3 Stück, doch er muss immer wieder diese Situationen haben, um rechtzeitig zu stehen, oder entschlossen anzugreifen und er löst es gut und sicher.
Nach erneutem Trinken, es sind immerhin 30° C gehen wir zu Flanken. Er ist sicher, kann aber aufgrund der kleinen Hände den Ball noch nicht sicher halten. Mal gelingt es, mal geht es nicht. Wichtig ist: Die Hände sind hinter und vielleicht leicht über dem Ball, damit die Kugel auch nicht durchgeht. Alles andere kommt von allein.
Auch hier 5 von links geworfen, dann von Rechts...
Trinkpause und etwas Eiswasser auf Kopf und unter die Mütze. Blaue Mauer heute in Bestform, gegen einen Gegner der ein Jahr jünger ist. Trotzdem: Für die neu formierte Mannschaft der Blauen Mauer ist dies schon ein ebenbürtiger Gegner, wenn auch vielleicht ein Aufbaugegner.
Kurz Torschuss mit der Mannschaft, dann pfeift der Schiedsrichter bereits zum Beginn.
Als TwT habe ich heute keine Sorge. Die Abwehr steht mit zwei souveränen Verteidigern wie eine Bank, trotzdem ist bereits in der 4. Minute Alarm im Strafraum.
Die rechte Abwehrflanke hat geschlafen, ist überlaufen worden und mutterseelen allein steht etwa 6 Meter vor dem Tor ein Spieler völlig frei, der von einem über links durchgebrochenen Spieler mit einer Traumflanke bedient wird.
Doch die Herren haben die Rechnung ohne das Blaue Uhlsporttrikot gemacht. Dieses weht wie von einem Luftzug getragen über den grünen Kunstrasen, steigt mutig neben und direkt am Gegenspieler hoch und kann so dessen Kopfball vereiteln. Es kann den Ball zwar nicht sichern, weil der erschrockene Gegenspieler mit den Blauen Trikot im Knäul zu Boden geht, doch der verschlafmützte Abwehrspieler kann den Ball aus der Mitte klären und einen die Situation entgütlig entschärfen.
Aussen saugen die Fans der Gastmannschaft hörbar die Luft ein.... und der TwT ist stolz. Nein, in der Alterklasse ist so etwas selten, es kann und darf gemacht werden, trotzdem ist es selten. Der Gegenspieler ist immer noch ganz irritiert, wähnte er sich doch so weit vor dem Tor in Sicherheit... doch im Strafraum ist nichts sicher, dies ist Hochheitsgebiet der Blauen Mauer und das hat er so eben erfahren!
Dennoch, rechts ist der Gegner stark und bricht erneut mit dem großen und starken Mittelfeldspieler mit Nummer 3 durch. Der Verteidiger kann diesen nicht weiter nach aussen abdrängen... alles brüllt von aussen: "Torwart raus!" doch das blaue Trikot - es bewegt sich nicht. Der Torabschluss aus 6 oder 7 Metern ins lange Ecke aus dem Lauf heraus ist vom Gegner klasse ausgeführt. Doch im Moment vor dem Schuss springt das Blaue Trikot nach vorn in die Abwehrstellung, und als der Ball den Fuss verläßt, ist es kurz darauf schon schräg in der Luft, die Arme strecken sich und in einer herrlichen Flugparade lenkt der junge Torwart den Ball um den langen Pfosten - mit den Fingerspitzen.
Erneut geht ein Raunen durch die Zuschauer, auch der TwT ist voll Lobes und reicht die Wasserflasche, während der Gegner den Ball zur Ecke holt.

Nur zwei Aktionen im Spiel. Doch zwei wichtige Aktionen. Die dritte Aktion, eine 1 gg 1 Aktion 5 Meter zentral vor dem Tor zählen wir nicht. Hier kam der Angreifer zum Ball, doch bevor dieser sich drehen konnte, um den Abschluss zu suchen, hatte der Torwart den Ball schon gesichert.
Der Rest im ganzen Spiel waren Rückpässe, die verarbeitet werden mussten, oder eben Torabstöße, weil der Gegner den Abschluss suchte, aber den Ball ins Aus trat.
Alles in allem für den Torhüter eher ein stressfreies Spiel. Dennoch:
Er muss da sein, muss bei den Aktionen anspielbar sein, daß Spiel verlagern oder durch lange Bälle nach einem Konter das gegnerische Mittelfeld anschlagen und dem eigenen Sturm einen schnellen Konter ermöglichen. All dies hat am Wochenende gut geklappt.
Es zeigt aber auch, daß es sich lohnen kann, Kindern, die bereits von früh her ins Tor wollen, diesen Weg zu ebnen und diese auf der Position zu formen - wenn man im Training das normale Fussballspielen nicht vernachlässigt, was bedeutet, daß der Torwart als Feldspieler Erfahrung und Fertigkeiten sammeln muss und kann.
Es beweist die Statistik, die uns erklärt, wie viele Bälle inzwischen der Torwart normal annehmen und verarbeiten muss, anstelle der typischen Torwartaktionen. Von vielleicht 50 Spielszenen musste die Blaue Mauer am Wochendende nur dreimal richtig eingreifen. Über 85% waren also Aktionen, die auch ein Feldspieler hätte tun können.
Natürlich, die ersten beiden Aktionen hätten, wäre der Ball nicht torwarttypisch geklärt worden, dem Gegner Oberwasser beschert und wer weiß, wie dann das Spiel ausgeht, gerät man erst einmal in Rückstand, dennoch muss man hier immer sehen, daß hinter einer Verteidigungskette die Arbeit und das normale Fussballerische Können beim Torwart mehr und mehr gefragt ist.

Am Ende kam der gegnersiche Trainer auf uns zu, gratulierte und uns lobte uns... aber auch die Arbeit für das "virtuelle Torwarttraining" auf youtube. Denn es gäbe kaum Material, Videos seien veraltet und viele Portale würden über kaum sinnvolles Material verfügen, viele sogar Torwartspezifisches Wissen voraussetzen. Unsere Videos aber, hätten Ihm schon viel geholfen und auch, seinen Torwart etwas zu zeigen und diesem die Technik entsprechend beizubringen.
Er war daher überaus glücklich, daß nun auch mal real erlebt und gesehen zu haben.

So bleibt zum Schluss nur noch eine Sache:
Es ist nicht wer die Dinge tut, die Vorbild sind, sondern es sind die Dinge wie diese gemacht und ausgeführt werden, die ein Vorbild entstehen lassen.
Personen sind austauschbar, Namen sind unwichtig, es ist das wie eine Sache gemacht und vorgemacht wird, die entscheidet, was Vorbild ist und was nicht.
Dies muss uns allen im Kopf sein, wollen wir Vorbild sein. Denn dann geht es nicht um uns als Person, sondern schlicht und einfach ausschließlich um die Sachen die wir tun, vorallem aber wie wir diese tun.
Dies macht das Vorbild aus...

Kommentare

  1. Avatar von Doro
    Sehr wichtiger Punkt am Ende. Da denken viel zu wenig Menschen drüber nach.
    Du kannst dich nicht hinstellen und sagen "Ich bin Vorbild". Du wirst durch andere zum Vorbild, indem sie dich dazu ernennen.
    So enstehen sehr leicht schlechte Vorbilder, weil sich ihre Auslöser nicht bewusst sind, dass sie eine Vorbildfunktion einnehmen. Weil das Tun und Handeln nicht reflektiert wird.