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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Erfolgsgedanken und Erwartungshaltungen

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Kennt Ihr das auch? Trailer angeschaut, logo... Plakate mit Wonne betrachtet, klar.. dann kommt der Film in die Kinos. Man gehört zu den ersten, bestückt mit Popcorn und Cola - und los gehts.
Am Ende vom Film ist die Cola zwar leer, der fade Geschmack im Mund und die geistige Leere im Kopf lassen aber den untrüglichen Schluss zu, eine vollständige Mogelpackung bekommen zu haben.
Die Erwartung wurde nicht befriedigt, wir sind sauer.
Sauer auf 2 verschwendete Stunden und sauer wegen des teuren Kino Eintritts - man fragt sich wofür.
Ebenso reagiert man im Stadion, wo man schlichtweg mal richtig Geld verprasst hat, um sich dann förmliche Arbeitsverweigerung einiger hoch bezahlter Athleten anzusehen, die allein dafür, daß Sie auf dem Feld mit einem Werbelogo auf dem Trikot stehen schon mehr Geld verdienen, als 2/3 der Stadionbesucher im Jahr. Erwartungshaltung hoch und dann kommt etwas... Unmut und Zorn läßt die Stimmung kippen.

Leider ist dies nicht nur im Erwerbsgeschäft so, es ist ein Symbol der Gesellschaft geworden. Du musst Leitung bringen. Heute geht es um was, Du musst einfach noch eine Schippe drauf legen. Was Du gemacht hast, es ist nicht gut genug... Es ist schnell, rau und hart geworden - auch im Kinder und Jugendfussball.
Logisch, eine B-Jugend Bundesliga ist etwas anderes als eine C-Jugend Kreisklasse - und selbst dies ist was anderes, als die E-Jugend Kreisklasse
Hier spielen Altersunterschiede und mentale Entwicklung eine große Rolle, gerade im Bereich der E-Jugend. Trotzdem: Viele Eltern und Trainer haben und hegen eine riesengroße Erwartungshaltung. Sprüche wie "Wir haben Dich doch nicht zu uns in die Mannschaft geholt, um Dich mitzuschleppen - Du solltest uns eigentlich unterstützen und aussen tragen!" sind für Kinder völlig unverständlich, aber uns Erwachsenen suggerieren sie deutlich: "Mein Kind hat die Erwartungshaltung nicht erfüllt!"
Ich habe schon nordafrikanische Väter gesehen, die Ihr Kind auf den 400 Metern vom Trainingsfeld bis zur U-Bahn nur beschimpft und nieder gemacht haben.
Der Hammer ist, daß man vielleicht den Eltern, und diesen Schuh ziehe ich auch mir an, den Vorwurf machen kann und machen muss. Schlimmer aber, daß man diesen Vorwurf vielen, vielen Trainern machen muss und machen darf.
Auf dem Platz, es sind Kinder. Es sind keine Maschinen und keine Profis. So sehr der Erfolgsgedanke uns Erwachsene auch treibt, wir dürfen nie vergessen - es sind Kinder.

Kinder treibt soviel umher. Die anstehende Mathearbeit, der Stress mit dem Dicken aus der 4. Klasse, die lange Suche nach dem Fahrschein in der Strassenbahnkontrolle mit der Angst, diesen vergessen zu haben. Kleine Beispiele, die uns aber in Erinnerung rufen sollten, daß auch Kinder nicht den 'einfachen' Tag haben, wie wir Erwachsene uns das denken. Heute lachen wir darüber, denn wir haben es alles gelernt, wir verstehen es leicht, wir haben Jahre Erfahrung. Für Kinder kann es der pure Stress sein.
Und jetzt dann der sportliche Stress - mit dem Du musst und Du sollst...

Und dennoch: Draussen an der Auslinie des Spielfeldrandes tobt der Trainer :"Verdammt, wie oft habe ich das Dir schon gesagt? Da musst Du rauskommen?" "Sagt mal, rede ich hier eigentlich spanisch? Konzentriert Euch endlich und macht Eure Aufgaben!" und so geht es weiter. Dieser immense Druck, diese extreme mentale Belastung.
Hat schon mal jemand überlegt, was wir von unseren Kindern verlangen?

Mir stehen oft Tränen der Freude in den Augen, wenn ich kleine Fortschritte bei meinen Torleuten erkennen konnte. Da tritt man den Ball, die Beine gehen auseinander, der Torwart fällt dem Ball entgegen und geht in einen tiefen, Lehrbuchmäßigen Umarmungsgriff. Dabei sind beide Hände hinter dem Hall, die Ellenbogen hinten eng... und der kleine Torwart ruft dabei eine Leistung ab, daß man nur stolz sein kann, weil man diesen kaum schont, sondern Bälle spielt, die einem Erwachsenen würdig sind.
Doch dann im Spiel, es ist nun mal nicht zwingend sein Tag und auch nicht der der Abwehr. Die Stürmer haben viel zu viel Raum, können frei spielen, trotzdem herrscht die Erwartung, aufgrund der bekannten Unerschrockenheit und Entschlossenheit im Lösen von 1 gg 1 Aktionen, daß der kleine Torhüter auch diesmal die Kartoffeln für alle aus dem Feuer holt.
Trotzdem sind genau diese Erwartungen da, die Floskel: "Aber das macht er doch sonst auch!" oder "Das kann er schließlich!" sind schnell zur Hand, wenn wir gerade nach Missgeschicken in unserer Erwartung nicht befriedigt sind. Wenn wir feststellen, daß wir etwas erwarten, was ein Kind im Stande ist zu tun und zu leisten, diese Leistung, jetzt wo es für unsere Augen galt und wichtig war, nicht gemacht wurde oder nicht geklappt hatte.
Wir erwarten etwas und sind enttäuscht worden, ja wenn wir ehrlich wider besseren Wissens, denn eigentlich wissen wir, daß es möglich gewesen war und oft auch schon funktioniert hatte. Wir hatten uns eigentlich darauf verlassen.
Da ging der kleine Torwart in den letzten drei Spielen 5 mal unerschrocken ins die 1 gg 1 Situationen und bekam in 2 der Spiele auch immer wieder eine Fußspitze in die Rippen oder den SolarPlexus... und wir erwarten nun diese Furchtlosigkeit als Standard, gegen den natürlichen Trieb der Kinder, die instinktiv Körper und Gesundheit eher schützen, als dieses Risiko zu gehen.
Dennoch erwarten wir es, uind forcieren Kinder zur Aufgabe solcher, natur gegebener Schutzmechanismen. Anstelle uns zu freuen, daß der Torwart es kann und auch immer mal wieder unter Beweis stellt, gerade in einem Alter, wo die natürlichen Instinkte und Risikoblockaden noch vorhanden sind - nein, da tun wir das Gegenteil und fordern auch noch, daß es immer so zu sein hat. Wir werfen unser Vertrauen in die Waagschale für kleine Erfolge, die letztendlich vielleicht Gefahr bedeuten. Was für eine Welt, in der Eltern und Trainer die Kinder förmlich ins Feuer schicken... Und wir Erwachsene fordern ein, daß die Kinder freiwillig ins Feuer gehen und sind stolz darauf, daß Kinder sich Verbrennungen holen und verstehen nicht, daß danach die Schmerzen immer ein Vertrauensbruch bedeuten.

Entgegen des Rates spielt der kleine Torhüter bei einem Pokalspiel, prellt sich dort unglücklich die Schulter, bzw. wie sich herausstellt, hat er schon seit Wochen eine Prellung 'überspielt' und nun sorgt eine Entzündung im Gelenk für Bewegungsprobleme und Schmerzen. Er muss ausgewechselt werden. Das er mit Schmerzen gespielt hat, beim Aufwärmen schon damit an seine Leistungsgrenze gezogen ist, wird erst jetzt klar. Trotzdem: Man machte Vorwürfe und forderte eine Leistung ein...
Die Frage, die man sich stellen muss und stellen darf, auch als Trainer ist, ob dies gerechtfertigt ist...
Inzwischen muss ich sagen: "Nein, ist es nicht!"
Nur weil ein Kinder eine außergewöhnliche Begabung und Leistung erbringen kann, obliegt es uns Erwachsenen nicht, diese immer einzufordern und abzuverlangen. Es sind Kinder, die lernen und verstehen müssen.
Sie müssen begreifen, nicht funktionieren.

Schaut man sich genau diese Nachwuchsarbeit an, stellt man fest, wie wenige nur diesem Stress stand halten und sich aus der Jugend großer Vereine in die etablierten Kader entwickeln können.
Es ist daher wichtig, daß Kinder sich entwickeln können und dazu gehört es, daß man auch mal Fehler machen kann und darf.
Allerdings muss auch klar sein, daß dann vielleicht einige Ziele, die vor allem die Eltern gern sehen, nicht erreichbar sind. Dennoch und gerade dadurch werden Kinder wachsen und mehr Leistung bringen.
Auch Eltern müssen endlich einsehen, daß Leistung nicht alles ist, das es nicht von Wert ist, wieviel Tore das Kind schießt und wieviel Minuten das Kind spielt... es hat seinen Anteil und wird sich im Rahmen der Mannschaft, des Trainings nach und nach entwickeln.
Es nutzt daher nichts, den Trainer zu beschimpfen - der dann vielleicht gefrustet den Druck auch noch an die Kinder weitergibt...

An der Stelle müssen wir uns Fragen: Sind wie Heuschrecken der Erfolge unserer Kinder und sonnen uns im Licht der von diesen erbrachten Erfolge? Oder sind wir Supporter, die auch an verhagelten und stürmischen Tagen des Lebens dem Kinde beistehen, es loben, schützen und wieder aufrichten?

In diesem Sinne, denkt ein TwT und Vater, der in diesem Zwiespalt in diese Falle der Erfolge und Erwartungen getappt ist, jetzt gerade über den Einsatz des Sohnes und Torwart nach, ob dieser wirklich spielen sollte...

Aktualisiert: 09.09.2011 um 14:37 von Steffen

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Kommentare

  1. Avatar von Skanatic
    Hallo Steffen,

    toller Beitrag, dessen Thematik brandaktuell ist, da es genauso jedes Wochenende in (fast) jedem Provinzverein vorkommt. Deine Frage hast du dir ja selbst beantwortet.

    Das ungeschickte an dieser überdimensionalen Erwartungshaltung ist, dass so gut wie kein Verein dagegen steuert. Als guter Trainer hat man weitaus weiter reichende Möglichkeiten, um diesem Druck entgegen zu steuern. Mit einer gewissen "Philosophie", den richtigen Instrumenten diese durchzusetzen und natürlich mit viel Geduld, kann man das ganze auch kurzfristig abschalten.

    Zur Besserung gehört aber auch der Wille, die Ursache für das Unterbinden des Drucks den Eltern immer wieder vorzuhalten. Eine vielleicht scheinbar schwierige, aber durchaus machbare Aufgabe.