Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer
Fussballfremd ich weiß - aber Gedanken die mich gerade bewegen
von
am 14.09.2015 um 17:39 (5572 Hits)
Nun, die Fussballwelt ist derzeit nicht erschüttert, aber ich bin es.
Daher muss ich mal etwas bloggen, was mit Fussball eher gar nichts oder sagen wir sehr sehr wenig zu tun hat.
Vielleicht habt Ihr es mitbekommen, aber in Monzingen (Rheinland-Pfalz) kam es am 12.6.2016 um 6:07 Uhr zu einem folgenschweren Unfall.
Fünf junge Männer, die auf einem nahen Sportplatz bis in den Morgen gefeiert hatten, waren auf dem Heimweg. Das Auto fuhr auf den Bahnübergang "Zum Kaisergarten" und wurde vom mit über 130 km/h schnellen Regelzug der Nahelinie VLEXX genau mittig erfasst.
Der blaue Opel Astra wurde durch den Aufprall vollständig zerstört und alle fünf Insassen im Alter zwischen 16 und 23 Jahren starben. Der Lokführer erlitt einen schweren Schock.
Ich will nun gar nicht spekulieren warum das Auto auf die Gleise in Konflikt mit dem Zug geriet, sondern ich will Euch mal informieren, wie die andere Seite, von der meistens gar nichts in der Presse steht, aussieht.
Denn die Eisenbahn, die ist vielen Journalisten ein Rätsel und da auch die breite Öffentlichkeit kaum weiß, wie Eisenbahn geht, will ich das für diesen Fall mal erläutern.
Ich halte das extra sehr simpel und Berufseisenbahner werden mir eine gewisse, fehlende Tiefe vergeben, aber der Laie soll es verstehen und es soll nicht zu detailliert werden.
Zunächst zum Fahrzeug. Das private Eisenbahnverkehrsunternehmen VLEXX betreibt in Rheinland Pfalz viele Eisenbahnstrecken für das Land im öffentlichen Personen Nahverkehr.
Die Strecke und Signale gehören wie Straßen und Verkehrszeichen dem Bund. Der Betreiber VLEXX bekommt vom Land Geld für die Beförderungsleistungen und das Verkehrsunternehmen muss Streckennutzung und Bahnhofsgebühren an den Bund abführen. Dies ist vergleichbar mit der LKW Maut, nur dass eben auch die genutzten Bahnhöfe als Nutzungskosten zu entrichten sind.
Die Preise sind dabei für alle Unternehmen gleich und es gelten für die Züge und Transporte entsprechende Kostentabellen.
Der Zug war ein dieselelektrischer Triebwagen vom Typ ALSTOM LINT81 mit einem Leergewicht von rund 138 Tonnen und einer Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h. Bezeichnend für diese Fahrzeuge ist die massive Scharfenberg-Mittelkupplung, die sämtliche Zug und Stoßkräfte überträgt und entsprechend massiv ausgeführt ist. Zudem ist die vordere Pufferbohle mit zwei Notpuffern ausgerüstet, die aus massivem Stahl bestehen, ebenso der Querträger. Hier wird das Fahrzeug im Werkstattbetrieb oder in Notfällen mit der herkömmlichen Zweipuffertechnik bewegt. Trotzdem kann man sich vorstellen, dass die Mittelkupplung wie ein Rammsporn wirkt und die zusätzliche Verstärkung im Frontbereich unter dem Führerstand dem Fahrzeug eine Stabilität gewähren, dem ein Hindernis in der Regel wenig entgegen zu setzen hat.
Kommen wir nun zur Eisenbahn an sich!
Keine Eisenbahn fährt, ohne dass dies jemand erlaubt. Dieser jemand ist in der Regel die Betriebsleitung, die dem Zug einen Fahrplan zukommen lässt. Das ist nun kein Fahrplan wie ihn der Fahrgast kennt, sondern eine Beschreibung der Strecke, mit Kilometern, Bahnhöfen und Zeiten, wann sich der Zug wo befinden soll.
Zudem kommt hinzu, dass auch die zulässigen Geschwindigkeiten, Steigungen, Tunnel und anderen Besonderheiten aufgeführt sind - dieses muss der Lokführer verpflichtend auf der Lok mitführen und während der Fahrt aufgeschlagen haben... Und prüfen. Er ist verpflichtet, dieses Fahrplan einzuhalten, es trödelt also keiner absichtlich, vor allem die privaten Unternehmen nicht.
Hinzu kommt nun, dass trotz Fahrplan jeder Zug von der Betriebsleitung überwacht wird, elektronisch und über Funksprechverbindung. Dies wird über die Licht- und/oder Formsignale unterstützt und durch Fahrdienstleiter überwacht...
Ein Zug mit einem Fahrplan muss sich daher beim Fahrdienst anmelden und wird dann mittels der Signale durch den Fahrdienst über die Strecke geleitet, dabei können auch zusätzliche, dem Fahrplan abweichende Geschwindigkeiten und Haltepunkte eingepflegt werden - dies bestimmt der Fahrdienst entsprechend.
Durch entsprechende Elektronische Systeme, mit dem alle Fahrzeuge ausgerüstet sein müssen (!!!) wird nun das Fahrzeug zusätzlich überwacht. Sprich kein Fahrzeug kann ein Halt-zeigendes Signal überfahren, ohne zwangsweise sofort notgebremst zu werden. Auch das Fahren gegen ein Halt-zeigendes Signal ist verboten und nur unter bestimmten Voraussetzungen erlebt, dies aber auch nur unter Zustimmung des Fahrdienstleiters. Bei gestörten Signalen wird über den Fahrdienst ein fernmündlicher Befehl übermittelt, dessen Wortlaut genau festgelegt ist und von beiden Seiten ausgefüllt werden muss, diese werden nach der Fahrt abgegeben und abgeglichen.
Auch besondere Umstände, wie das Fahren auf dem falschen Gleis, Halten an aussergewöhnlichen Stellen wird über diese Befehle geregelt, wenn es dafür nicht vor der Fahrt schon entsprechende Regelungen gibt.
Die elektronische Überwachung, meist INDUSI genannt, prüft nun nicht nur das befolgen der Halt-Signale, sondern überwacht auch Geschwindigkeiten. Diese bekommt der Lokführer über Tafel oder Lichtanzeiger oder durch die Hauptsignale selbst angezeigt.
Dabei kommen diese Anzeiger vor der Stelle, ab der die Geschwindigkeit vermindert ist, diese Anzeiger sind meistens mit entsprechenden elektronischen Prüfstellen versehen. Beim Überfahren muss der Lokführer daher dem System bestätigen, daß er das Signal wahr genommen hat. Tut er das nicht, ertönt ein Warnton und innerhalb einer sehr kurzen Zeit wird eine Zwangsbremsung ausgeführt. Diese kann der Lokführer nicht unterbrechen, sondern diese Bremsungen gehen bis Geschwindigkeit NULL - also dem vollständigen Halt des Fahrzeugs und passiert nichts, bleibt die durchgehende Luftbremse auch mit maximaler Kraft angelegt. Dies gewährleistet, daß im Falle des Falles die maximale Bremsleistung erfolgt und auch das stehende Fahrzeug sich bestimmt nicht von allein wieder in Bewegung setzt.
Zusätzlich schaltet die Elektronik auch die Antriebsaggregate aus, bei einer Dieselmaschine würde also der Dieselmotor ausgeschaltet, bei Elektrotriebfahrzeugen wird der Hauptschalter getrennt und damit die elektrische Stromversorgung abgeschaltet. Sprich das Fahrzeug kann sich in diesem Fall auch nicht mit Triebwerksleitung gegen die Bremse stemmen, oder sich gegen die Bremse doch vielleicht noch bewegen.
Bestätigt der Lokführer die Geschwindigkeitsbegrenzung, so hat er nun eine bestimmte Strecke Zeit, dann die Geschwindigkeit zu reduzieren - auf oder unter die angekündigte Geschwindigkeit - die dann ab einem weiteren Signal gilt. Viele Signale prüfen hier nochmals, ob der Zug die Geschwindigkeit auch hat, wenn diese über der Geschwindigkeitsbegrenzung liegt, erfolgt auch hier wieder eine Zwangsbremsung wie oben geschildert.
All dies ist in einem Regelwerk nachzulesen, in etwas wie die Strassenverkehrsordnung. Verstöße werden ebenso geahndet und verfolgt, schlimmer noch - es werden sogar Stichproben gemacht, denn die Elektronik schreibt Geschwindigkeit, Fahrtverlauf und andere Dinge mit. Dies kann dann die Prüfinstanz auslesen und weiß wie bei einem Flugschreiber ganz genau, wann was passiert ist.
Im Falle des Überwegs an der oben geschilderten Stelle herrschten also klare Regeln für unseren Zug und Lokführer. Vor dem Überweg gab es daher ein Signal, dieses kündigte den Überweg an und stellt die Stelle da, wo der Überweg elektronisch gesichert wird. Sprich ein Fahrzeug löst einen Schaltkreis aus, mit dem dann die Lichtzeichenanlage (rotes Blinklicht), Warnton und ggf. die Schrankenanlage gesteuert wird.
Nach einer gewissen Strecke, aber im sicheren Bremsabstand zum Überweg steht nun ein Signal, welches dem Lokführer kund tut, ob die Anlage ausgelöst hat und der Überweg auch durch die elektrische Sicherungsanlage gesperrt wurde, neue Anlagen prüfen sogar, ob der Überweg frei ist, was gerade in Bereichen mit häufigem Rückstau oder bei besonders schnell fahrenden Zügen wichtig ist.
Zeigt nun dieses Signal nicht an, daß der Übergang gesichert ist - dann besagt die Regel, daß der Zug vor dem Überweg zu halten hat. Auch wenn das Andreaskreuz eigentlich dem Schienenfahrzeug VORRANG einräumt, so gilt hier doch die Sicherheitsregel - denn nur ein stehendes Fahrzeug ist ein sicheres Fahrzeug - also gilt, daß die Eisenbahn zu halten hat.
Übrigens heißt Vorrang im Strassenverkehr nicht bloß Vorfahrt, sondern das Fahrzeug bewegt sich ausserhalb der normalen Regeln der Strassenverkehrsordnung und ist daher von allen Verkehrsteilnehmern so zu behandeln und diesem ist uneingeschränkt Vorrang zu gewähren - and Bahnübergängen machen daher sogar Blaulichtfahrzeuge halt oder langsam. An bestimmten Punkten wurden daher Überwege zu Unterführungen oder Brücken umgebaut, oder aber es wurden Langsamfahrstellen und zusätzliche Haltepunkte eingebaut, damit Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr und Rettungsdienste eben Bahnübergänge im Einsatzfall sicher überqueren können - hier steckt die Eisenbahn zurück. Im Einsatzfall wird daher der Fahrdienstleiter informiert, der den Sonderhalt aktiviert und damit den Überweg bis zur Freimeldung durch die Einsatzleitstelle zumindest vom Zugverkehr frei hält. Dieser Fall ist aber selten und selbst dann, befahren die Einsatzfahrzeuge solche Überwege nur mit besonderer Vorsicht - diese Fälle sind aber auch extrem selten.
An einem gewöhnlichen Überweg sind diese Fälle nicht gegeben, hier muss der Autofahrer zurück stecken.
Trotzdem, im Falle das die elektrische Sicherungseinrichtung nicht funktioniert - und das sind nun mal nicht bloß die Schranken, allein das Blinklicht würde reichen - hält der Zug vor dem Überweg an - und bahnt sich dann sein Vorrecht mit deutlichen Signalen langsam seinen Weg über den Überweg.
Wenn also jemand denkt, Schranken nicht unten, er habe dann freie Bahn, befindet er sich im Irrtum, allein das Andreaskreuz reicht aus, den Autofahrer zur Vorsicht zu zwingen im im Falle der Ungewissheit lieber nicht zu fahren, doch trotz Schranken gilt im Falle des Defektes der Schranken auch das rote Blinklicht als unmissverständliches Halbgebot an die Autofahrer und als Sicherung des Überweges. Wer nun denkt, es braucht Schranken, sollte vielleicht auch mal die für Ihn als Strassenverkehrsteilnehmer gültige Regelung durchlesen und sich vergewissern, daß Andreaskreuz allein reicht, aber ein rotes Blinklicht schon völlig ausreichend ist, alle Verkehrsteilnehmer am Bahnübergang schlicht zum Halten zu zwingen.
Der Lokführer ist also auf Strecke, weil er einen Fahrplan hat und der Fahrdienst mit den entsprechenden Signalen der Fahrt zugestimmt hat und auch entsprechend weitere Fahrt signalisiert hat. Der Lokführer wird elektronisch überwacht und die Elektronik verlangt sogar, daß er alle 3ß Sekunden einen Knopf drückt und loslässt, damit die Elektronik weiß, daß er noch wach ist.
Er erreicht daher mit der im Fahrplan zugelassenen Geschwindigkeit den Bahnübergang und weiß auch, ob die elektrische Sicherungseinrichtung eingeschaltet ist oder nicht.
Das System läßt eigentlich kaum oder nur wenige Fehler zu - und nichts ist technisch unfehlbar, aber schlimmer noch ist menschliches Versagen.
Zum einen, weil ein Autofahrer ein Gebot missachtet und dann den Überweg befährt, obwohl ein Zug kommt.
Der LINT Triebzug hat einen Bremsweg von ca. 500 bis 600 Metern bei 130 km/h und durch die Schienen kann er keinem Hindernis ausweichen!
Schlimmer, wenn das Versagen beim Lokführer liegt und er daher einen Unfall verursacht.
In der Regel aber ist es der Strassenverkehr, der ein Haltgebot missachtet, oft leichtsinnig oder auch unter Einfluss von Alkohol oder anderen Drogen.
Warum schreibe ich das hier?
Nun, Ihr könnt nun vielleicht verstehen, daß der Lokführer überwacht wird und auch der Bahnübergang überwacht wird - und Schranken nicht ausschlaggebend sind. Und Ihr könnt Euch vielleicht vorstellen, welche Macht ein Rammbock mit 130 km/h hat, der trotz einer Vollbremsung noch 600 Meter Auslauf hat - und dann ggf. mit weit über 100 km/h einschlägt.
Und genau das ist hier passiert, denn der Zug fuhr nahezu ungebremst in das Fahrzeug, weil der Lokführer nicht ausweichen kann, noch aufgrund der Masse, der Geschwindigkeit und der Reibung Rad/Schiene einfach nicht vor dem Hindernis zum Stehen gekommen ist, trotz einer Vollbremsung.
Oft sind wir selbst unterwegs - ich als Museumsbanner auf einer Dampflok, die mit 120 km/h und einem Gesamtgewicht von jenseits der 400 Tonnen über die Gleise bewegt. Und es ist erschreckend, zu sehen und zu erleben, wie leichtsinnig Menschen mit der Eisenbahn umgehen, aber auch wie wenig die Allgemeinheit über die Eisenbahn wirklich versteht.
Ich möchte das Ihr, die Ihr vielleicht zu Spielen oder von Spielen kommend, die Bahn benutzt oder auch als Verkehrsteilnehmer die Bahnschienen überquert, ein wenig versteht, wie Eisenbahn funktioniert.
Das ihr versteht, daß ein Zug eben nicht innerhalb von 50 Metern zum Stehen kommt, sondern Ihr eine Null dran hängen müsst.
Ich möchte, daß Ihr versteht, wie gefährlich es ist, wenn Ihr einfach mal so von einen Bahnsteig über die Gleise auf den anderen Bahnsteig klettert - stürzt Ihr, verliert ihr, denn der Zug wird es nie rechtzeitig schaffen, selbst wenn der Lokführer Euch sieht.
Überquert Ihr den Bahnübergang, vergewissert Euch das kein Zug kommt und haltet auf jeden Fall an, wenn Lichtzeichen es gebieten oder auch ein Mensch auf dem Überweg Euch zum Halten auffordert. Umfahrt oder Umgeht keine Halbschranken, klettert nicht über Vollschranken, nur um den Überweg doch noch zu überqueren.
Ich habe oben beschrieben, wie ein Zug im Frontbereich aufgebaut ist - bedenkt bitte, Ihr werdet diesen Zusammenstoß in jedem Fall verlieren.
Bleibt Euer Fahrzeug auf dem Überweg aufgrund eines Defektes liegen, verlasst es un begebt Euch hinter die Haltelinie, informiert die Notrufzentrale und erst wenn die Einsatzkräfte vor Ort sind, und Ihr die Erlaubnis habt, betretet den Gleisbereich.
Habt immer im Kopf, es ist es nicht wert. ihr verliert gegen das Schienenfahrzeug in jedem Fall.
Wenn ihr zu Spielen fahrt oder davon kommt, bedenkt es, wenn Ihr die Bahn überquert oder mit der Bahn reist.
Achtet auf die Schienenfahrzeuge und bedenkt, diese haben nicht umsonst Vorrang - und denkt daran, der Lokführer wird immer besser überwacht als jeder Autofahrer, gesundheitlich, vom Regelwerk und der Technik. Er hat die 0,0 Promillegrenze, darf nicht unter Medikamenteneinfluss fahren und muss regelmäßig Fahrtauglichkeit medizinisch beweisen.
Er ist im Falle des Falles der Mann in der allerersten Reihe, sieht alles und kann für sein Leben traumatisierte sein - und in den allermeisten Fällen ist er zudem völlig unschuldig und hat alles Ihm mögliche getan, den Unfall zu verhindern.
Abschließend möchte ich mein Beileid den Angehörigen ausdrücken und der Opfer gedenken.
Ich möchte aber auch dem Lokführer hier beste Genesungswünsche übermitteln und hoffe, daß er keine bleibenden, psychischen Schäden zurück behält, die sein eigenes Leben einschränken.