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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

modernes Torwartspiel?

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Verdammt, möchte man rufen. Das Bessere ist das Feind des Guten... doch was tun, wenn ich nur das Gute habe, aber Besseres nicht zu finden ist?
Wenn ich also mit Graphitfett bisher Schrauben vom Festbrennen geschützt habe, aber keine Kupfer- oder Aluminium Trennmittel habe - dann muss ich nicht zwanghaft das Graphitfett weggeben oder gar nicht mehr verwenden. Aber wenn ich Kupfertrennmittel habe, gebe ich das Graphitfett auf... aber erst dann!

Im Moment führen alle das "moderne Torwartspiel" ins Feld und benennen Manuel Neuer als Markenzeichen. Die Frage, die sich mir immer stellt, ist: Stimmt diese Aussage - ungebremst?
Ich glaube gerade viele junge Tw Trainer treffen die Aussage, ohne wirklich darüber ernsthaft nachgedacht zu haben. Auch bei einigen Verbänden wird diese Aussage rausgehauen - aber die Leute die diese wie einen Slogan in die Runde werfen, haben selten darüber wirklich nachgedacht.
Denn hätten diese, würde der Slogan vielleicht nicht in der Form benutzt.

Da spielte Bayern gegen Dortmund.... Bayern hat Manuel Neuer, den DFB Vorzeigetorhüter, Inbegriff des modernen Torwartspiels!
Dortmund hat Roman Weidenfelder - Abkömmling der verschrieenen Torwartschmiede aus Kaiserslautern, unauffälliger und aufgrund seiner Herkunft sicher auch beim DFB nicht gerade mit Befürwortern versehen.
Trotzdem, Dortmund entscheidet das Spiel für sich, Manuel Neuer konnte im Offensivspiel Akzente setzen, aber zum Tor führte davon nichts.
Roman Weidenfeller hingegen konnte einen 11er entschärfen, sicher ist Glück dabei, aber er hat es getan. Ansonsten recht unauffällig, aber da.
Was also brachte das moderne Torwartspiel?

Wir schauen weiter zurück, denn auch ich bin ein Verfechter des sogenannten modernen Torwartspiels. Schon damals, als es galt Kahn gegen Lehmann. Ich war für Lehmann, denn er war der bessere Fussballer und auch in der Strafraumbeherrschung hatte er mehr Punkte als Oli.
Doch Jens war nicht der Typ, der im 1gg1 glänzte oder der einen Distanzschuss noch um den Pfosten drehte wie Oliver Kahn. Jens neigte eher zum leisen Spiel, zum Spiel den Ball zu entschärfen bevor der Gegner zum Abschluss kommt und eine Parade nötig war. Trotzdem hat er beständig an dieser Fähigkeit gearbeitet. Wie Oliver Kahn war Jens ein Perfektionist.
Doch hinter der Vierkette braucht man keinen Torwart, der ein Spezialist für Distanzschüsse ist, hier braucht man jemand, der Entscheidungen trifft und damit Erfolgreich ist, wenn er den Querpass abläuft oder im Pulk aufsteigt und die Flanke holt, bevor der Kopfball in Richtung Tor geht...
Ein Torwart der anspielbar ist und den Ball wie einst ein Libero auf die andere Seite verlagern kann, oder auch einen Flugball über die Offensive zum eigenen Mittelfeld spielen kann. Das klingt nun alles locker, doch viele, mich eingeschlossen, haben das nie gelernt. Jens Lehmann hingegen hat diesen Stil förmlich erfunden und junge Torleute wie Manuel Neuer inspiriert.
Doch leider geht damit immer wieder vergessen, wozu der Torwart eigentlich da ist.
Er ist nicht der Libero, nicht der Ballverteiler hinter der 4er Kette und bestimmt nicht die Notbremse hinter der Abwehr, er ist in erste Linie die letzte Instanz der Torverhinderung. Nicht die Bremse für das Spiel des Gegners... Somit ist das, was Oliver Kahn konnte, noch heute Kernpunkt des Torwartspiels und eben nicht das Spielen.
Der Vergleich mit Manuel Neuer ist klar. Er setzt nach vorn hervorragende Akzente. Das ist berauschend, wenn er einen Ball perfekt auf die aussen in den Lauf der Offensive spielt. Das ist so schnell und bringt so einen raschen Konter, schneller geht es kaum. Er ist oft so weit draussen, daß die Abwehr weit aufrücken und den Gegner klassisch erdrücken kann. Doch ist es das?
Wenn Manuel Neuer vor dem Strafraum einen Fehler macht, mit seiner Art des Spiels, verhindert er die Chance nicht und kassiert ein Tor. Wie viele Offensive Aktionen müssen nun folgen, damit ein Tor fällt?
Selbst wenn ein Abschlag optimal kommt, Robben die Bude macht... und im Gegenzug ein Schuss aus zweiter Reihe von Ihm nicht entschärft wird... Er kann die Punkte so nicht retten, noch festhalten.
Roman Weidenfelder ist eher klassischer ausgebildet Torhüter. Trotzdem: Er kann hinter der Vierkette spielen, da er Ballsicher ist, denn Ball gut verlagert und seine Abwehr sich sicher und sauber anbietet. Er spielt somit nicht wie ein aktionärer Libero mit offensiven Akzenten, sondern eher wie ein älterer, weniger laufstarker Libero - aber eben mit Ruhe und Erfahrung. Somit setzt Roman vielleicht nicht die offensiven Akzente, wie Manuel Neuer... doch das muss er auch nicht. Er spielt also eher ruhig und abgeklärt, ist da wenn der Rückpass kommt, ist aber auch da, wenn der Schuss aus zweiter Reihe kommt. Er reizt das Risiko nicht zwingend aus, oder spielt auf des Messers Schneide.

Modernes Torwartspiel ist daher also nicht das, was wir mit Manuel Neuer in Verbindung bringen sollten. Sicher, seine offensiven Aktionen sind es, die wir hervorheben, doch dies allein ist es nicht. Das macht nicht den Torwart aus und rettet der Mannschaft auch keine Punkte.
Den Torwart macht also viel mehr das eher klassische Spiel aus. Somit schadet etwas mehr Oliver Kahn oder Gerald Ehrmann vielleicht gar nicht, wie auch Jens Lehmann deutlich zugibt.
Das er heute mehr mit den Füssen machen muss und soll, bedingt das Spiel. Doch er spielt ja heute auch von Anfang an mit. Er wird nicht mehr von der Mannschaft und dem Mitspielen ausgeschlossen - ja er soll wirklich öfters mitspielen.
Das ist in einigen Vereinen nicht wirklich angekommen, doch dies ist das Torwarttraining von heute. Noch heute stellen Vereine den Torwart ins Tor, anstelle diesen immer mal mit der Mannschaft spielen zu lassen. Sei es Gammeleckl oder normale Passübungen. Oder auch anstelle neben dem Tor zu stehen, während der andere Torwart im Tor steht, den Torwart bei den Übungen zum Torabschluss aktiv einzubinden.
Auch müssen Reize gesetzt werden, das Mitspielen zu verlangen und das Mitspielen zu fördern. Früh mit der Toleranz, daß er auch Fehler machen darf. Denn genau dieses Spiel muss man ausbilden und fördern, dazu gehört aber auch, daß der Torwart Fehler machen darf und kann.
Aber man muss auch den Torwart ausbilden, die Technik der Torverhinderung bleibt Grundlage und muss sitzen. Diesen Werkzeugkoffer muss ich füllen, nicht mit ein paar Techniken, sondern mit immer neuen Techniken und Reizen. Ich darf nicht dieses oder jenes verbieten, sondern ich muss Alternativen der Bewegungsmuster zulassen. Ich muss diese diskutieren, besprechen und Vor- und Nachteile verdeutlichen. Doch je intensiver ich dies tue, je extremer das geschied, desto besser wird der Torwart auf Situationen reagieren können. Dann braucht es kein Life Kinect, oder Koordinationszauber. Ich denke da immer an Hans Leitert... Er baute Kampfsport ein, weil er Durchschlagkraft, Widerstandsfähigkeit und Konfliktsituationen trainiert. Dies schult unbewusst das Verhalten im 1gg1 und bei engen Aktionen der Strafraumverteidigung.
Er schult Gleichgewicht und Koppelungsfähigkeiten, macht den Torwart stärker in seiner Struktur und schult ohne besondere Aktionen die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die der Torwart benötigt, um rasch und effizient zu reagieren.
Er schult durch setzen von Strafraumsituationen Reize und fordert Entscheidungen, Entscheidungen, die getroffen werden müssen... Er baut daher auf der Technik auf, arbeitet aber am Fundament.
Das ist modernes Torwarttraining.
Und genau dies fördert ein modernes Torwartspiel. Das erkennen der Situation, das Einschätzen der eigenen Fähigkeiten und Berechnungen der eigenen Reichweite fördern basierend auf der stabilen Technik dann ein entsprechendes Spiel, Fussballerische Grundschule fördert dann das Spiel hinter der Abwehrkette.
Doch letztendlich, wird das Verteidigen des Tores gegen anfliegende Bälle weiter das Kerngeschäft des Torhüters bleiben - warum nur setzt man da eher auf die offensiven Akzente anstelle sich darauf zu konzentrieren, daß er zumindest den einen Punkt festhält...
0 Gegentore und 0 geschossene Tore bedeuten Unentschieden und damit ein Punkt. Macht mein Torwart eine gute Offensiv Aktion, sind das vielleicht drei Punkte, aber nur wenn er danach alle Gegenaktionen vereiteln kann.... kann er das nicht, verliere ich zwei Punkte, habe ich Pech sogar alle drei.
Wenn ich also denke, daß mein Torwart nun neben der Torverhinderung auch noch die Vorlagen geben soll, um die Spiele zu gewinnen, kann ich vielleicht alles verlieren.
Denke ich ein wenig konservativer, verhindert mein Torwart vielleicht 3 Angriffe, die Null steht und die Tore macht klassisch die Offensive - ein erfolgreicher Prinzip - wie der BVB gerade zeigt.
Das entbindet den Torwart nicht davon, Rückpässe zu verarbeiten und auch mal vor dem Strafraum einen Ball abzulaufen und zu klären - aber die Offensiven Aktionen und der Hype darum, sie machen das moderne Torwartspiel nicht aus. Es wäre nun noch schön, wenn dies bei den Trainern und entsprechenden Stellen vielleicht so ankäme...
Ich muss also nicht den Torspieler erfinden, sondern eher wieder mehr Wert ab und an auf den Torhüter legen.

Kommentare

  1. Avatar von TW-Mentalcoach
    Herrvoragender Blog-Eintrag , Gratulation dazu +++
    Aktualisiert: 15.04.2012 um 12:04 von TW-Mentalcoach
  2. Avatar von nordseekeeper
    Gefällt mir auch mal wieder sehr gut!
    Und man kann ein Spiel nur gewinnen, wenn man halt ein Tor weniger bekommt als man selbst erzielt!