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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Blaue Mauer und die Langweile

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Es ist schon Komisch. Da ist ein junger Torwart mit Spaß am Sport unterwegs. Er wird die Blaue Mauer genannt, weil er in vielen Spielen fast unüberwindlich war, trotz seiner Größe.
Er ist jemand, der einen starken Gegner oft durch sein aggressives und offensives Torwartspiel schon fast allein in Schach halten konnte, wie man im Video eine Blaue Mauer zu Pfingsten gut sehen kann, wo er lange, lange die 2:0 Führung halten konnte, letztendlich dann doch 2:3 sich geschlagen geben musste, weil die Abwehr völlig einbrach.
Als dann der neue Trainer kam, der ständig bei Gegentoren nörgelte, der am liebsten einen Torwart auf der Linie sehen will und bei jedem Gegentor der kleine Torwart von Trainer, Betreuer und zudem den Zuschauern angefahren wurde, beschimpft und niergemacht, verlor dieser die Lust am Spiel. Nicht am Sport, sondern an der Mannschaft, ja am Verein.
Er wechselte in einen Verein, wo man deutlich sagen muss, daß hier Anspruch gesucht wird... doch er etablierte sich.
Leider ist in der unteren Jugend, der G bis E2 Jugend recht wenig geklärt und geregelt, der Trainerwechsel jetzt im Sommer läßt zudem oft über 60 Kinder auf dem Platz erscheinen, die dann von nur 3 Trainern betreut werden, so daß hier Dinge gemacht werden, die Blaue Mauer schlicht langweilen oder keine Herausforderung sind...
So kam der letzte Dienstag, und nach einem Blöden Training war Blaue Mauer schlicht etwas demotiviert. Er trollte sich zu mir, der im Schatten - weil er keinen Sport machen durfte, weil Krank geschrieben - an der frischen Luft mit dem Labtop sass.
Bei mir trainierte die D-Jugend, so daß die Frage kam, ob der Kleine Mann nicht ein wenig ins Tor möchte. Er zögerte... doch letztendlich stellte er sich rein. Logisch, die D-Jugend, vor allem die D1 Jugend ist Meister geworden, ist eine bärenstarke Truppe und hat zwei gute Torleute, die zur Zeit verletzt sind und daher nicht trainieren, da darf man schon ein wenig Angst verspüren. Vor allem wenn man bei einigen Spielern nur halb so groß ist und dann in einem Tor steht, wo man selbst mit der Sprungkraft eines Flummi nicht die Latte auch nur annähernd erreicht.
Der erste Schuss, die erste Parade.. nicht schlecht, der D1 Trainer ist beeindruckt. Der zweite Schuss, der kleine Mann steht genau richtig, voll auf den Brustkasten... andere wären umgefallen, Blaue Mauer stehen die Tränen in den Augen. Er streckt sich, schüttelt sich, atmet schwer... es dauert, dann muss doch mal jemand, den kleinen in den Arm nehmen.
Er kommt nicht richtig ins Spiel, die Bälle sind schneller, die Angst ist wieder da... aber er bleibt im Tor, auch wenn Schienbein und Ferse scheinbar zwicken und Ihn behindern...
Doch das Lob des D1 Trainers vertreibt die Schmerzen und im 1 gegen 1 ist der Kleine in seinem Element... dennoch, der Respekt spielt mit...
Am Abend wird dann der blaue Fleck am Schienbein behandelt und im Fussballschuh an der Achilles Sehnen Stulpe ein störender Polsterwulst entfernt... Der kleine Mann hingegen schaut Fussball und meint plötzlich: "Also, wenn ich wieder mal da ins Tor darf, dann gehe ich da wieder rein!" "Ich dachte, es hat keinen Spaß gemacht?" "Doch, schon, aber mein Schienbein...." Ausreden, schon jetzt. Da wächst etwas heran, dagegen war Lehmann ein nur B-Klasse.
Heute dann, das Training nach dem Warm machen läuft an, es ist ein wenig Torschuss, allerdings mit drei Torleuten.
Nach 5 Minuten ist die Blaue Mauer weg, baut sich vor dem D1 Trainer auf, der überlegt kurz und dann steht die Blaue Mauer wieder im D-Jugend Tor.
Keiner der D-Jugend lacht, spottet oder lächelt... vielmehr zeigt sich nun, welche Grundlage das Tw-Training legte... Der kleine Mann sichert Bälle auf den Mann recht sicher und selbst den flachen Schuss des Trainers bei einer Instruktion seiner Mannschaft kann er im tiefen Umarmungsgriff festhalten, auch wenn Ihn danach angeblich Handgelenksprobleme plagen.
Trotzdem: Viele Schüsse in seiner Reichweite sind eine sichere Beute... Er fliegt im Tor umher und so einige Paraden, sie sind schon sehenwert - die Videokamera fehlt. Aber man sieht deutlich, er hat gerade einen Riesenspaß...
Nach einer kurzen Pause geht es weiter, es wird nun mit zwei Spielern gearbeitet, die gegeneinander spielen und zum Torabschluss kommen... Blaue Mauer ist zurück haltend, doch dann schaltet er sich mehr und mehr ein, bewegt sich rasch vorwärts, rückwärts und seitwärts, um optimale Position zu erfahren und dann wird er zum Raubtier, er tauscht ins Gemenge und packt sich seine Beute.
Er erfährt Lob vom Trainer und seine Augen strahlen, er ist in seinem Element, er hat Spaß wie nie... er trainiert härter und wilder als die anderen, stellt sich der Herausforderung der großen. Er lenkt viele Bälle um den Pfosten oder sichert im Nachfassen. Er ist bald in dieser, bald in jener Ecke, oder einfach mitten drinne und die Spieler begreifen: Auch wenn er klein ist, da darf man nicht locker sein oder respektlos, man muss mit Präzision arbeiten, um hier Tore zu machen.
Doch Blaue Mauer läßt nicht locker, wie eine Raubkatze die Witterung aufgenommen hat, er kratzt, beißt und faucht... Pantherartig hechtet er in die Ecke und lenkt erneut einen Ball um den Pfosten, rafft sich auf, steht in der Grundstellung und rast wie ein Gepard hinaus, stellt den Spieler und sichert den Ball im Nachfassen direkt am Fuss. Seine Tigerpranken krallen sich förmlich in den nächsten Schuss, und wie ein Leopard sichert er seine Beute unter sich.
Nach 60 Minuten ist die Blaue Mauer konditionell am Ende, doch wer will es verdenken. Selbst wir Großen sind nach 60 Minuten Dauerfeuer und 1 gegen 1 völlig fertig... Er macht etwas Pause um im Abschlussspiel erneut im Tor zu stehen, leider ist der Innenverteidiger zu schlecht und verschuldet das endscheidende Gegentor... klaglos macht er seine 10 Liegestütze und diese macht er im Gegensatz zu vielen D Jugendlichen perfekt... Der Trainer der D1 ist beeindruckt... spricht deutlich und mit Hochachtung und Respekt von einem Talent...
Er sackt nach einer Pizza am Abend müde ins Bett - wozu WM schauen, wenn man heute selbst Lehmann und Kahn in einer Person war. Man läßt sich das Handgelenk tapen, stolz trägt man die leichte Reizung mit sich herum, spürbarer Beweis, den Schuss des Trainers gehalten zu haben. Es ist wie eine Goldmedaillie und sicherlich nicht die letzte Erfahrung im D-Jugend Tor.

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