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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Und ewig lockt die Finsternis

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Der Abend war kühl, regnerisch und leicht diesig. Die Feuchtigkeit zog durch alle Ritzen der Kleidung, doch Ihn störte das nicht.
Lange schon hatte er sich damit abgefunden. Er lief durch das niedere Gras am Schotter entlang, der Nieselregen störte Ihn nicht. Der Regen wusch seine Tränen hinfort.
Sein Auto parkte vorschriftsmäßig in einem Seitenweg, den Schlüssel hatte er stecken lassen. Ihn fröstelte, doch es war eher innere Kälte die Ihn frösteln lies.
Es kamen ihm immer wieder Bilder in den Kopf und er weinte diesmal ohne Hemmungen. Er hatte alles getan, alles. Er hatte trainiert wie ein Bekloppter, er hatte getan, was Oliver Kahn in seinem Buch nicht geraten hatte - er war über den Schmalen Grat hinaus gegangen. Trotzdem er alles menschenmögliche, ja sogar noch mehr getan hatte, stand er immer und immer wieder in der Kritik. Er hätte dies so machen sollen, das anders machen sollen.. er hätte hier noch mehr geben müssen und sich dort mehr einbringen sollen.
Bei Kritik war er nie ausgenommen, selbst wenn die Presse Ihn in den höchsten Tönen gelobt hatte... es hatte nie gereicht.
So war die Misere gekommen. Zwar hatten auch die Anderen sich nicht genug bemüht, doch der Schluss war Ihm nun klar... Er hatte einfach nicht gereicht, denn er, er war die letzte Instanz gewesen, er hätte vielleicht immer noch etwas machen können. Hatte sein Trainer nicht oft genug betont, daß es nicht gereicht hatte - er nicht gut genug gewesen war. Vorwürfe, immer und immer wieder...
Doch jetzt war es genug. Wenn er wirklich ein Problem war, wenn es wirklich alles nicht reichte und er den Ansprüchen nicht genügte... dann war es besser für die Anderen, wenn er weg war.Da auch seine Familie darunter litt, Ihm Vorwürfe machte... war es wohl auch besser, wenn er auch hier endgültig Schluss machte.
Aus der Ferne hörte er das leise Läuten des Überweges und er schritt nun wacker den Damm hinauf. Er überschritt das stählernere Band und lief auf den Querhölzern weiter. In seinem Kopf machte sich Leere breit, Er sah die Erfolge, wie der den Pokal reckte, oder als kleiner Junge die Unterschrift von Paul Porterie bekommen hatte...
Ein jäher Pfif lies ihn aufschrecken, doch anstelle zu gehen, beschleunigte er seine Schritte in Richtung auf die hellen Signalleuchten zu, die heller und dunkler warnend blinkten... Er breitete im Laufen die Arme aus und wußte, daß er nun die Lösung erfahren würde - das Ende all der Pein und all der eigenen Unzulänglichkeiten.
Das letzte was er hörte war ein lautes, schmetterndes "Wumm" als sich die über 600 Tonnen Stahl und Aluminium durch seinen Körper bahnten...
Fleisch flog in alle Himmelrichtungen, die Pfeife der Lokomotive gelte immer noch, Funken stoben von den Bremsen... doch es gab keine Rettung mehr. Über 800 Meter Bremsweg hatte der Zug, doch nur 300 Meter hatte der Lokführer Zeit gehabt, über 500 Meter zu wenig, als das es gereicht hätte, den Zug vor der Person zum Stehen zu bekommen... Der Lokführer hatte sich in den Fussraum übergeben. als über die große Panoramscheibe Knochensplitter und Fleisch hinaufspritzten....
Ein Mensch nimmt sich auf den Bahngleisen das Leben. Er nimmt sich nicht das Leben, weil er körperlich krank war... Er nahm sich das Leben, weil das Leben Ihn krank gemacht hatte, weil er das Leben nicht mehr schaffte.
Jemand hat Schluss gemacht.

Die meisten von uns kennen das Gespenst "Depression" nicht, oder verstehen den Begriff "BurnOut" nicht.
Manchmal helfen Hemmer des Serotonin Abbaus, um schlicht die negative Grundstimmung zu heben.
Dennoch, die Finsternis lauert und gerade jetzt ist diese umso heftiger. Es fehlt Sonnenlicht und zumeist sind die Aktivitäten im Freundeskreis weniger. Zudem sind depressive Menschen jetzt anfälliger für Frotzeleien oder Häme. Denn dies kann jetzt in dieser Zeit noch weniger gut verarbeitet werden, tut doppelt weh.
Unterdrückte Selbstzweifel brechen hier neu auf, die Menschen sind reizbarer. Aussenstehende verstehen es gar nicht, doch betroffene Menschen sind jetzt angespannter, wesentlich impulsiver und vor allem leicht cholerisch veranlagt. Getrieben von innerer Unruhe und Aufgewühltheit, wissen diese oft nicht wohin mit der Energie. Kleine Störungen bringen das leise Gerüst zum Einsturz und die betroffene Person flippt förmlich aus.
Was nun passiert, ist meist eine recht unkontrollierte und impulsive Handlung, die wenig von Vernunft gesteuert ist - später sogar oft von der Person bereut wird.
Es ist eine tiefe, verborgene Finsternis im Inneren der Personen. Sie wird überdeckt. Oft liegen die Ursachen auch in der Kindheit verborgen, wenn die Kinder zu wenig Unterstützung von den Eltern erfahren, oder in einer aggressiven Konkurrenz zu anderen Kindern, teils Geschwistern stehen. Der beständige Vergleich, oder der Mangel daran, eigene Grenzen zu erfahren oder ausloten zu können führt zu einer gestörten Persönlichkeitsentwicklung, die später dann zu Depressiven Stimmungen führen kann.
Vergleichbar mit einem Tier im Inneren, welches die betroffenen Personen als gefährlich, negativ und böse empfinden, wird diese aggressive und impulsive Persönlichkeit förmlich weggesperrt.
Leider ist dieses Teil genau der Teil, der bei Frotzeleien, Kritik oder Häme angesprochen wird. Leute ohne diese depressive Stimmungslage kommen damit gut zu Recht, verstehen es, Ihren Gefühlen Ausdruck zu geben - doch den betroffenen Personen fehlt diese Ausdrucksform, statt dessen igeln diese sich oft völlig ein. Sie errichten eine Art Mauer um sich, um sich vor diesen Angriffen zu schützen. Sie entwickeln eine scharfe Zunge und ein feines Gespür für die Verletzlichkeit der Anderen und wissen diese zu nutzen, um nicht selbst angegriffen zu werden. Fehler in der Panzerung werden gnadenlos ausgemerzt und Probleme werden zurück gelassen. Freundschaften werden rigoros gekündigt oder Beziehungen ohne Brücken abgebrochen. Oft sind diese Menschen relativ allein.
Irgendwann jedoch brechen diese Menschen in Ihrem Panzer zusammen. Von aussen ist es kaum wahrnehmbar, wie diese Menschen innerlich resignieren, sich mehr und mehr zurück ziehen und dann endgültig zusammen brechen.
Früher haben die Menschen mit Häme zugesehen, wen diese Menschen im Treibsand steckten. Denn die Mühe und die Qual, wie diese sich selbst daraus befreiten, schien den aussenstehenden Lehre genug. Denn immer wieder brockten sich diese Leute eine schwere Suppe ein, die es dann galt auszulöffeln... die aussenstehenden haben dabei zugesehen, wie sich die betroffenen Menschen förmlich selbst oft an den Haaren wieder aus dem Treibsand gezogen hatten - oft mit letzten Kräften. Aufgrund der dabei auf vorhanden Häme, dem Spott und massiven Kritik lehnten die betroffenen sogar oft die Hilfe ab, verweigerten die rettenden Hände...
doch dann ist der Treibsand zu tief und keiner bemerkt, wie diese Leute darin versinken. Sie strampeln, arbeiten und ackern, doch es wird schlimmer als besser.
Das Tier, welches sich die Leute so sehr wünschen weggesperrt zu haben, es holt sich seinen Tribut...
Es wütet, beißt und kaut...
Die Symptome sind ziellose Hyperaktivität, ein Blutdruck im gesteigerten Niveau, eine absolute mangelhafte Belastungsfähigkeit, eine völlige Überreizung und damit vollständige Inlabiele Stimmung, sowie das Gefühl der mangelhaften Wertschätzung.
Es ist ein Zustand, wo man mal heulen, mal nur melancholisch dreinblicken, oder auch wieder lachen kann. Ätzender Spott und plötzliche Ironie, schlagartige Aggressivität und ab und an sogar trockene und klare Selbsteinschätzung wechseln nahezu unkontrolliert...

Es ist schwer, den Menschen zu helfen, ohne diese Sache zu verstehen.
Zunächst einmal müssen die Menschen die betroffen sich, sich selbst eingestehen, daß diese betroffen sind und zudem Hilfe benötigen.
Es ist verdammt schwer, sich dies einzugestehen und dies zu kommunizieren.

Stress, in jeglicher Form, zumeist als Auslöser der Überlastung, müssen zunächst herunter gefahren werden - möglichst auf ein Minimum. Reize sollten abgeschaltet werden.
Nicht betroffene Aussenstehende müssen nun lernen, zu verstehen, versuchen sehr, sehr tolerant zu sein.
Oft jedoch geht es nicht ohne eine begleitende ärztliche Behandlung... untersucht wird die Funktion der Schilddrüse, der Leber und Nierenfunktion sowie dann letztendlich eine medikamentöse Behandlung. Dies ist schwer für betroffene, denn mit Einnahme von Stoffen fühlt man sich erst wirklich und richtig krank. Begleitend hilft oft eine Psychotherapie, um einfach dem Betroffnen durch eine neutrale Position zu helfen und Ihm andere Wege und Lösungen aufzuzeigen, aber auch im die Tages- oder Wochengeschehenisse aufzuarbeiten und zu helfen diese zu verarbeiten.
Meistens dauert solch eine Therapie Wochen, wenn nicht Monate und ist manchmal für die Beteiligten sehr sehr anstrengend...
Denn die oft wiederkehrenden Stimmungsschwankungen der Betroffenen zehren an den Nerven aller... und noch mehr an den Nerven der Betroffnen, die oft über die eigenen Entscheidungen oder das eigene Verhalten bestürzt sind, und daher die Aggression sich nach innen, gegen sich selbst kehrt. Solche Selbstzerstörerischen Stimmungen sind dann hoch gefährlich - in solchen Stimmungslöchern kann es dann passieren, daß eine falsche Reaktion plötzlich dann zum Träger, zum Auslöser wird... was dann passieren kann... das habe ich oben geschildert.

Lass wir es nicht soweit kommen, habt Verständnis für Menschen mit Seelischen Problemen - habt Geduld und Toleranz

Kommentare

  1. Avatar von Believer
    Wahre Worte.
  2. Avatar von Tobias 30
    Steffen, ich danke dir zutiefst für deine Worte. Du hast dafür wie für deine Kommentaren in meinem Blog den höchsten Respekt. Du triffst de Nagel auf dem Kopf und dennoch ist Stimmungslage bei mir mitunter noch schwerer.

    Das Selbstzerstörerische in mir ist allgegenwärtig, zu jeder Zeit, kann der Dämon wieder wüten und man kann nur hoffen, dass er nicht zu wüten beginnt. Das Leben mit der Krankheit ist schwierig und immer wieder werden alltägliche Situationen zu großen Schlachten, da kann der Weg zur Arbeit schon ein großer Kampf werden. Auch für meine Freundin ist es zeitweise sehr schwer mit der Krankheit von mir umzugehen, denn sie bedroht nicht nur mich, sondern mein gesamtes Umfeld und viele geben sich unwissend, denn Depressionen sind für viele Menschen immer noch befremdlich.

    Doch Steffen, anhand deiner Worte erkenne ich, dass Menschen in der Lage sind, sich dieser befremdlichen Situation zu stellen und du schaffst es, Verständnis Menschen wie mir entgegen zu bringen. Ich ziehe meinen Hut vor dir.