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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Torwarttrainer - Gedanken, Philosophie und Eindrücke - Teil Eins

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Es kommt immer wieder zu Diskussionen. Egal ob man beim Hechten sich die Torleute ansieht, oder ob man beim Abwurf die Torleute ansieht. Torwartspiel ist geprägt von Ansichten.
Wie die Physik werden viele Dinge vom Standpunkt aus betrachtet und wirken unterschiedlich. Nehmen wir doch nur mal eine Sache gerade hier als Beispiel: Auf vielen Torwarttrainer Seminaren wird es gepredigt, daß der Torwart beim Abfangen der Flanke das Knie anziehen soll, und sich keinesfalls in Richtung Tor drehen darf. Gebetsmühlenartig wiederholen das nun alle Teilnehmer der Kurse und es entsteht etwas, worüber keiner mehr nachdenkt, aber jeder erzählt.
Dann fährt man auf den Torwart.de Torwarttrainertag und Eberhard Trautner vom VfB Stuttgart erklärt genau das Gegenteil. Knie nicht anziehen und im Falle des Falles sogar komplett zum Tor hindrehen. Er bricht mit einem Dogma, doch wahr nimmt es keiner, ungläubiges Staunen... seine Meinung ist fundiert, begründet und verständlich... doch es ändert nichts daran, daß Gebetsmühlenartig die Dinge wiederholt werden. Eberhard Trautner, der nun mit Jens Lehmann ein Aushängeschild in Sachen Flankenkontrolle und Lauftraumbeherrschung trainiert hat, sagt dies bestimmt nicht, weil er die Leute verkohlen will, aber es glaubt Ihm keiner. DFB und Landesverbände wissen was Sie sagen, lass doch den Depp vom VfB labern.
Gleiches dann mit dem aktiv zum Ball gehen. Alexander Stolz und Timo Hammel sind ja nun keine Kasper, Sie sind in einem der renommiertesten deutschen Vereine als Profi-Torleute angestellt, doch im Training sah man es deutlich: Keiner von Beiden ging bei dem Auftaktschuss aktiv schräg nach vorn in den Ball hinein.
Verwirrung macht sich breit, denn auch hier: Es wird gebetsmühlenartig vom Torwart verlangt und ist in allen Richtlinien des DFB verankert.
Erschreckend nun auch: Andreas Köpke erklärt es in seinen Torwarttraining Videos immer wieder, doch die Torleute im Video tun es auch nicht.
Eberhard Trautner sieht da kein Problem darinnen: Der Fokus des Training lag nicht darauf, sonder auf einer anderen Sache, da ist so etwas egal. Es wird gemacht, dann völlig kontrolliert und bewußt, wie ein Video von Sven Ulreich zeigt. Trotzdem: Es wird gepredigt, bei jeder Übung darauf hingewiesen und dann in der höchsten deutschen Spielklasse ist es nicht verinnerlicht. Aber wie auf vielen solchen Seminaren: Alles nickt, keiner fragt... drei Wochen später wird dann gelästert...
Ich hingegen, ich glaube ich muss einen totalen Knall haben. Ich denke und ticke völlig anders.
Die Übung stellt eine Aufgabe dar, und der Torwart muss diese lösen.
Wenn ich also z.B. Doppelballübungen mache, dann lege ich dabei den Wert auf das schnelle Aufstehen und persönlich ist mir Wurscht, wie es der Torwart tut.
Lange habe ich überlegt, und ein Vergleich liegt nahe. Dazu muss man aber tun, was viele Trainer nicht tun, über en Tellerrand blicken und in ebenso komplexen Systemen nach der korrekten Trainingslehre suchen. Scheinbar ist das auch im DFB bekannt, weshalb man sich mit Vereinheitlichung ein wenig schwer tut, statt dessen bestimmte Grundlagen versucht zu erschaffen, die dann doch auch immer und immer wieder zu Problemen führen.
Schauen wir daher über den Tellerrand und betreten eine Welt, die vielfältiger und komplexer nicht sein kann, die Welt der Kampfsportarten und Kampfkünste.
Der Konflikt existiert wohl schon von Anbeginn der Zeit... die Frage nach der besten Kampfkunst der Erde, und nur ein Narr würde hier erklären, es gäbe diese.
Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Welt der Foren des Zweikampfes, wo die einzelnen Anhänger der Stilrichtungen einander erklären, warum System xy besser und effektiver ist, als System AB. Die Diskussionen sind blödsinnig, wenn teilweise auch kurzweilig und amüsant. Jedoch ein Ende finden diese nicht. Die Ursache erschließt sich dem Laien nicht und auch Fortgeschrittenen bleibt unklar, wo denn die Wahrheit liegt, zumal kaum ein erfahrener Meister diese je aussprechen würde.
Die Biomechanik des Menschen lässt nur verschiedene Möglichkeiten zu, z.B. ein Gelenk zu arretieren und damit eine Beweglichkeit des Gelenkes zu blockieren, ja sogar einen Schmerzreiz auszulösen. Dennoch: Es gibt für diese Sache unzählige Varianten und Ausführungsmöglichkeiten. Nicht nur das, sondern diese Varianten unterscheiden sich dann von System zu System und haben je auch eine eigene Philosophie dahinter, letztendlich bleibt es aber ein der gleiche Schmerz, die gleiche Gelenkblockade die einen bezwingt. Welches der Systeme aber setzt nun diese Sache richtig ein? Welches System ist effektiver?
Wer will diese Fragen beantworten. Nun erhebt sich aber System xy allein vom Zusehen her zu meinen, daß wie es System AB ausführt, es nicht funktionieren kann. Es wird ein Video angefertigt, wo man stümperhaft System AB darstellt und dann die effektivere Version von System xy vorführt. System AB ist erzürnt und tätigt nun ein Gegenvideo. Der Konflikt verhärtet sich, anstelle das Fronten aufweichen. Es wird über etwas geurteilt, was man nicht kennt und nicht einschätzen kann. Schlimmer noch: Ohne fundierte Kenntnisse, ja praktische Erfahrung wird ein anderes System angegriffen, in Frage gestellt und öffentlich bloß gestellt.
Etwas, was man im Torwartspiel auch gerade erkennen kann, wo plötzlich aufgrund bestimmter dauerhafter Aussagen, die wir ruhig mal als Dogma bezeichnen können.
Der Begriff Dogma wird erklärt als fest stehende Definition oder eine grundlegende Lehrmeinung, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich gilt.
Dabei waren das ursprüngliche Dogma von Seneca eigentlich die treibende und unhinterfragbare Diskussions- Handlungs- und Daseinsgrundlage und hatte mit einer Lehrmeinung gar nichts zu tun, vielmehr war es alles Wesen hinter der Diskussion, die Einheit des ganzen, deren unterschiedliche Ansichten letztendlich die unterschiedlichen Philosophien begründeten. Ähnlich einem Bild, auf dessen weißer Leinwand nur ein blauer Farbklecks erscheint, sonst nichts, der aber den Betrachter zu völlig unterschiedlichen Beschreibungen, Erklärungen und auch Ansichten führt. Welcher Betrachter hat Recht und welcher nicht? Das eigentliche Dogma des Seneca war der Farbfleck auf weißer Leinwand, nicht mehr und nicht weniger. Wertfrei...
Doch es hat sich gewandet. Der moderne Mensch findet nun sein Dogma in Auffassungen von Lehrmeinungen. Er nimmt diese an. Im Gegensatz zu vielen Philosophen, die sofort Dinge in Frage stellen, nimmt er die Lehrmeinung an, hinterfragt nicht, sondern erklärt diese zum Fundament. An sich ist dies nicht schlimm. Morihei Ueshiba begründete sein Aikido ja auch aufgrund seiner Ansicht und seines Verständnisses der Kriegs- und Kampfkünste.
Wie kann sich also jemand erheben und meinen: Aikido sei als Selbstverteidigung ineffektiv und man sei damit nicht in der Lage, sich im Falles des Falles effektiv zu wehren?
Im Gegenzug muss sich auch die Frage stellen, wie der Aikidoka erklären kann, daß Aikido sicherlich das beste System von allen ist und dem System xy weitaus überlegen ist?
Es gibt wohl sicherlich Millionen Möglichkeiten einen Fauststoß abzuwehren. Der Boxer kennt seine Methoden, der Mauy Thai Experte kennt andere, der Judoka benutzt wiederum seine Möglichkeit, der Jujutsuka und der Karateka haben auch jeweils andere Formen. Auch im Kung-Fu und seinen Stilrichtungen gibnt es unterschiedliche Formen, solch einen Angriff abzuwehren, ebenso wie der Aikidoka seine kennt und anwenden wird.
Welches davon ist nun die Beste, die effektivste? Ein Streit, der nicht beizulegen ist, hauptsächlich geführt von glühenden Anhängern bestimmter Lehrmeinungen. Musha Shugyo - die Wallfahrt oder auch Irrfahrt des Kriegers.
Heute benutzt man den Begriff meist mit der Irrfahrt, der Irrfahrt des Glaubens, das es eine einzige, unumstößliche und alles gültige Wahrheit geben muss, also das effektivste System. Studieren wir hingegen einen großen Meister des Kung-Fu und einen der prägendsten Kampfsportler und Kampfkünstler der Neuzeit, so finden wir in den publizierten Notizen des Bruce Lee deutliche Hinweise darauf, daß auch dieser sich auf eine solche Wallfahrt auf machte. Lee, der neben dem Taichi das klassische Wing Chun erlernt hatte, erkannte schnell, daß allein dies nicht die Wahrheit sein kann, was er aufgrund seines Studiums der Philosophie auch auf den Kampfsport bezog. So begab er sich auf, studierte das Kenpo Karate, das Jujutsu, das Judo, das Aikido und viele andere Stile der Kampfkunst, wobei er es nicht bloß dabei beließ zuzusehen, sondern er suchte den aktiven Austausch. So brachte er es durchaus in einigen der Systeme zu Meistergraden und stand bis zu seinem Tode mit vielen Leuten der Systeme im regen Kontakt und Austausch. Bruce Lee, dessen Jun Fan Gung Fu als Jet Kune Do in den USA Ruhm erlange, gilt als eines der effektivsten Systeme, und gilt als Urmutter vieler Mixed Martial Arts Systeme. die Philosophie Betrachtungsweise von Bruce Lee ist etwas, was den wahren Krieger auszeichnet, der plötzlich erkennt, daß nicht der Stil entscheidend ist, sondern der Mensch der es ausübt. Bruce förderte seine eignen Schüler individuell und völlig wertneutral, jeder von ihnen entwickelte sich daher in der eigenen Richtung und eigenen Geschwindigkeit, was man z.B. heute noch an Leuten wie Steve Tarani oder Dan Inosanto erkennen kann.
So ist das Musha Shugyo des alten Samurai nicht gedacht, daß dieser seinen Stil anderen gegenüber erprobt, sondern es ist die Wallfahrt, um von anderen Stilen zu lernen und sich selbst zu finden. Dieses sich selbst repräsentiert daher den Ausdruck der Vollkommenheit und der Erkenntnis der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Dies kann man sich im Judo in ungefähr so vorstellen, wie die Spezial- und Lieblingstechniken der verschiedenen Kämpfer, die förmlich aus einer Handvoll Kampftechniken im Wettkampf für sich individuell etwas schaffen, um den Wettkampf nach Punkten für sich zu entscheiden. Dies ist Ursache des Übels, daß Judo heute nicht unbedingt so Zuschauermagnetisch ist, weil man meist immer nur eine Handvoll Techniken findet, selten aber wirklich die Fülle und Eleganz des Systems.
Letztendlich zeigt aber das berühmte Musha Shugyo von Miyamoto Mushashi die wichtigkeit des eigenen Erkennen. Musashi vertrat nicht eine Schule oder einen Stil, sondern widmete sich der Vervollkommnung der Schwertkunst und begründete die Niten Ichiryu... auch dieser Stil entstand durch die Erfahrung eines einzelnen aus Verknüpfung verschiedener Methoden und Stile der anderen Stile.
Um nun als Kampfsportler oder Kampfkunst-Ausübender Meisterschaft zu erlangen, so muss es gelten, nicht einfach abzunicken, was Lehrer und Meisterschüler des eigenen Stils erklären und dies als unumstößliche Lehrmeinung hinzu nehmen, sondern im Sinne von Musashi und Bruce Lee dies im philosophischen Sinne auch zu hinterfragen, ja sich selbst zum Musha Shugyo aufzumachen. Dies zieht bewußt den Zweifel an der erlernten Kunst nach sich, hinterfragt die eigene Technik, aber auch die vielen Dogmen der mitgenommenen Lehrmeinung des eigenen Stils. So lernt der Wallfahrende Schüler von anderen Meistern und anderen Stilen, er hinterfragt seine Technik und versucht auch, deren Sinnhaftigkeit zu begreifen und zu verstehen.
Letztendlich resultiert dies meist in der Erkenntnis, ja Erleuchtung, daß es nicht einen überlegenen Stil gibt, sondern nur anderen überlegene Kämpfer und Krieger, die aufgrund Ihres Wissens und Ihrer Erfahrung nicht mehr nur am Erlernten festhalten, sondern andere Dinge einfließen lassen und für sich entdecken und anwenden. Dieses Wissen und diese Erkenntnis ist nicht austauschbar, sondern die persönliche Entwicklung des Kriegers an sich, der Techniken und Stile zu einem persönlichen und völlig einzigartigen Prinzip, welches nur seiner eigenen Person passend ist, zusammen fügt.
Dies erkannte auch Bruce Lee, weshalb es so schwer ist, sein System wirklich zu vermitteln und zu erklären. Dies erklärt aber auch, warum die Niten Ichiryu so erfolgreich ist, weil es ein universelles Prinzip ist, und nicht etwas durch kopieren erlernbares.
Sicher, der Anfänger beginnt durch Kopieren zu lernen und bestimmte Dinge sind ähnlich und gleich - doch nach und nach kristallisiert sich eine Eigenwilligkeit heraus, die ein guter Meister erkennen und fördern muss, aber auch, die den Meister dazu auffordert, seinen Schüler auf den Musha Shugyo zu entsenden. Er möge nun von anderen Meistern lernen und entweder sein Heil in einem anderen Stil finden, oder gefestigt im erlernten Stil mit für sich völlig eigenem Ausdruck dessen zurück kehren - als Meister.
Übertragen wir dies nun auf die Torleute, so ist das, was gemacht wird, nämlich bestimmte Dinge zum Dogma zu erheben, vielleicht gar nicht gut.
Torleute müssen sich wie Kampfsportler einer Situation stellen, und diese lösen. Im Training bekommt der Kampfkünstler die Aufgabe, gegen einen Fauststoß und einen nachfolgenden Fusstritt sich zur Wehr zu setzen, eine wahre Blumenwiese unterschiedlichster Möglichkeiten wird nun zu entdecken sein. Im Zweikampf hingegen, ist die Lösung eine andere. Sie ist nicht fest und blumenreich, es ist eher der Wildwuchs der Dornenhecke. Hier ist nichts vorgegeben, sondern es muss sich entwickeln - rasch und völlig frei aller Dogmen. Der Kampfkünstler soll dem Konflikt entkommen, diesen überleben. Der Torwart dem Konflikt entrinnen, das Tor vermeiden/verhindern.

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