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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Der Trainer - ein Totalversager....

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Ich kann mich erinnern.
Ich hatte meine jugendpädagogische Ausbildung mit 16 Jahren bekommen, als Gruppenleiter für Ministranten und Pfadfinder braucht man dies, wenn man mit Kindern 'arbeitet'...
Die 3 Wochenenden brachten den ersten Blickwechsel auf Gruppenstunde und geistige Welt der Kinder mit sich. Bisher war ich jemand, der in die Gruppenstunden ging und sich auf Freudende und Programm freute, nun war ich es, der Programm machen musste.
Jäh aus meinen Träumen wurde ich dann jedoch gerissen, als ich mit 16 einhalb Jahren dann die Leitung einer Kinder-Judo-Gruppe übernahm. Ausbildung hatte ich und als Braungurt, der sich auf einen schwarzen Gürtel vorbereitet, war ein solches Lehrerlebnis natürlich irgendwo auch Pflicht.
Ich übernahm also eine Kindergruppe, die aus 20 Kindern bestand. Gelinde gesagt, ein Sauhaufen. Wenn ich heute daran zurück denke, so weiß ich, warum Bernd Sommerfeld bei meiner Übungsleiter Ausbildung vor einigen Jahren meinte, kurz bevor wir unser Wissen an Kindern erproben sollten:
Kinder sind böse!
Ich wurde wie die Katze ins Wasser geworfen und nun los. Wie Kind gerechtes Training ging, ich hatte Null Ahnung.... und trotzdem: Mein Ziel stand fest: Im Sommer war ein Prüfungstermin angesetzt und ich wollte jeden eine Graduierung voran bringen.
Doch wo anfangen, wenn selbst die Grundlagen, die schlichte Fallschule nicht passte?
Ich begann also an der Basis.. ruhig und still sitzen und dann die Fallschule....
Der Schrecken jedoch kam Woche für Woche und suchte mich heim... Fortschritte = Null und zudem sank die Anzahl der Kinder immer weiter... Im Herbst stand ich plötzlich nur noch mit 3 Kindern auf der Matte, dem harten Kern.
Am liebsten hätte ich alles hingeschmissen. Ich fühlte mich als Totalversager. Trainer = Niete
Doch sprach man mir Mut zu, von vielen Seiten. Insbesondere mein damaliger ehemaliger Gruppenleiter, bei dem ich also in die Pfadfinder Gruppenstunde gegangen war, stand mir zur Seite. Er mahnte dazu, nicht aufzugeben, an sich zu glauben und vor allem weiter zu machen.
So schwer es mir viel, aber ich machte weiter...
Und bereits im Winter kamen Kinder... der brachte einen Freund mit, die Freundin hier wollte es sich ansehen, der Papa hatte von der Mama gehört, usw... es war gigantisch, zu sehen, wie die Gruppe von 3 Kindern auf eine stattliche Gruppe anwuchs.
Es ist leicht, 3 Kinder zu trainieren, schwer hingegen wenn es 30 sind.
Anfangs schauten die Eltern noch zu, ich merkte jedoch schnell, daß Kinder mehr auf die Eltern achten und hören, als auf den Trainer. Der jahrelange Drill, zu machen was die Eltern sagen, hatte hier negative Auswirkungen. Um die Eltern nicht zu untergraben, bat ich diese, nicht im Übungsraum zu warten, oder zuzusehen, sondern in der Innenstadt Einkäufe zu erledigen, oder irgendwo einen Kaffee trinken zu gehen, denn nur so hatte ich Kinder, die normal reagierten.
Soe wurde die Fallschule auch besser und der ehemalige Störenfried Felix wurde durch meine "harte Hand" zu meinem Assistenztrainer. Nicht weil er so weniger störte, nein, weil sein inneres Talent, seine Auffassungsgabe und vor allem seine ungemein gute Technik Ihn dazu befähigten. Er konnte erklären, mit Worten und Ausdrucksweise der Kinder, von glaich auf gleich... und ich lernte von Felix, wie man Kinder erreichen kann.
Noch heute erinnere ich mich an Sandra... sie kam pünktlich mit Ihrer besten Freundin, erschien jedoch nicht auf der Matte. Nach dem Angrüßen musste Felix das Aufwärmen überwachen und zaghaft klopfte ich an die Damenumkleide. Sandar sass allein darin, und weinte leise... auch mein drängendes Fragen gestand sie:
Mein Papa hat gesagt, daß Mädels immer gegen Jungens verlieren werden und ich daher nie gut sein werde!
Verdammt, was für Eltern waren das? Ein Kind, ob gut oder schlecht, es galt es zu fördern und nicht bloß zu stellen.
Also nahm ich Sandra drängend mit nach draussen. Wir unterbrachen das Training, setzten uns in einen Kreis und ich erzählte so ein wenig aus meiner Jugend, den auch ich war als Kind immer der kleinste und schwächste gewesen... doch Judo, es hatte mich an mich glauben lassen und mich stark gemacht.
Damals sagte das tollste Mädchen der Gruppe zu mir:
Mit Dir kann man wenigstens richtig trainieren, die anderen behandeln einen immer nur als Mädchen, und das will ich nicht!
Seit diesem Tage hatte ich Sie ins Herz geschlossen und mit Ihr am liebsten trainiert, weil wir uns nichts schenken wollten und mussten. Wen einer verloren hatte im Kampf, so war das eine Ehre, keine Schande und beim nächsten mal versuchte man erneut, nicht auf den gleichen Trick herinzufallen und legte eine Schippe mehr drauf.
Das war der Moment wo Felix auf Sandra blickte und meinte:
Sandra, vielleicht hast Du es nicht gemerkt, aber ich trainiere doch nur mit Dir, weil Du so gut bist!
Erneut kullerten Tränen, allerdings von Glück und Freude. Beschlossen wurde, ein Randori zu machen. Also Kampf zu üben. Kumite ist der Kampf an sich, das Randori ist das Training des Kumite, des Wettkampfes...
Jeder gegen jeden.... Gewinner kommt eine Runde weiter... Sandra verlor Ihr Halbfinale nur knapp gegen Felix, es war der atemberaubendste Bodenkampf, den man gesehen hatte. Ihren dritten Platz machte Sandra mit einem sicheren Haltegriff damals fest, Felix gewann sein finales Match gegen den einen kopf größeren Martin durch einen geschickten Hüftwurf....
Den Abend knöpfte ich mir den Vater vor.... nie wieder kam Sandra weinend ins Training, nie wieder zweifelte Sie... 6 Jahre später kämpfte Sie in der Hessenmannschaft des Hessichen Judoverbandes um Ruhm und Ehre... heute gibt Sie Lehrgänge für den HFV... mich hat Sie vergessen....
Heute blicke ich darauf zurück, und weiß: Nein, totalversager war ich nicht, aber es war auch wichtig, daß mich jemand darauf aufmerksam machte. Kinder schießen sich auf einen Trainer und dessen Stil ein. Neuer Trainer kann bedeuten, das die Kinder plötzlich nicht mehr mitmachen wollen oder mitmachen können - die Harmonie und das Vertrauen ist nicht da, die Kinder verlieren die Lust und damit das Interesse.
Als Trainer darf man dann nicht unbedingt an sich zweifeln. Logisch muss man auch an sich und seinem Stil arbeiten, aber es wird immer Verluste geben, weil Kind und Trainer nicht zusammen passen.
Ich brachte letztendlich die Gruppe zur Prüfung.
Sie hatten von mir gelernt, still zu sitzen, wenn das Kommando "Mokuso!" (sprich Mog-sú) ertönte. "Yame!" war dann Signal, die Augen wieder zu öffnen und auf den Gruß, daß Seiza-Rei zu warten.
Bei der Prüfung sassen alle in der Reihe, der Prüfer raschelte mit seinen Bewertungsbögen und meinte, wie könnten ja schon mal anfangen. "Mokuso!" rief ich, die Kinder schlossen die Augen und der Raum wurde still. Da berührte mich die Hand vom Prüferpult.... es gab etwas zu klären.
Über 10 Minuten brauchte ich im Flüsterton, um bestimmte Namen zu sortieren und die entsprechenden Pässe zuzuordnen, aber auch um ggf. fehlende Jahressichtmarken nachzureichen...
Unveränderte Stille im Raum.... keines der Kinder hatte sich bewegt.
Zitat Zitat von Prüfer
Sagen Sie mal, die haben sich ja noch gar nicht bewegt!
Zitat Zitat von ich
Ja, wir haben auch noch nicht angegrüßt...
Zitat Zitat von Prüfer
Alle Achtung, das wäre in anderen Vereinen nicht möglich... bitte, dann lassen Sie uns schnell beginnen
Zitat Zitat von ich
*sichhinkniend* Yame! .... Rei!
Die Kinder bestanden die Prüfung mit einem Schnitt von aussergewöhnlich guten 5,4 Punkten. 6 Punkte sind die maximale Punktzahl, die zu vergeben war.
Die Prüfung wurde hauptsächlich so toll bestanden, weil die Kinder Disziplin hatten, kaum Unruhig waren und zudem Fehler astrein korrigieren konnten, oder auf Nachfragen Fehler eingestanden und auch erklären konnten, wie es besser zu machen sei, zugeben mussten, aber hier noch arbeiten zu müssen.
Ich war stolz, und fühlte mich an diesem Tag alles andere, als Totalversager....

Denoch, der Makel bleibt... und das liegt am System des Judo selbst, so wie es heute gelehrt werden soll, als auch an den Trainern und an dem System selbst...
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Kommentare

  1. Avatar von Believer
    Danke für diesen tollen Bericht. Da fühlt man sich gleich ein bisschen verstanden...
  2. Avatar von South-West Boy
    Toller Blog!
    Mit solchen Erlebnissen wächst man und ich finde es toll, dass du andere daran teilhaben lässt.
    Ich freue mich schon auf weitere Blogs.
    LG South-West Boy