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Schnapper82

Seelenleben - oder aber der Versuch alles zu perfektionieren

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Samstag Morgen, 5.00 Uhr der Wecker schellt. Mühsam quäle ich mich aus dem Bett, wandle wie in Trance ins Badezimmer und nehme eine Dusche. Herrlich, wie das Wasser am Körper entlang plätschert. 5.18 Uhr - schnell in die Klamotten gehüpft, heute zum Glück Casual und noch schnell einen Kaffee getrunken, Brötchen geschmiert und los geht es gegen 5:29 Richtugn Mönchengladbach. Um 6 Uhr treffen wir uns im Büro und bereiten die Migration vor - besser gesagt einen Dress Rehearsal, also eine Testmigration. Gegen 6:00 komme ich also an und immer noch wie in Trance wird das Notebook hochgefahren und die Emails gecheckt. Der nächste Kaffee steht bereit und die Brötchen werden vernichtet. Im Kopf habe ich schon die Zeit, wo ich Feierabend machen muss, um rechtzeitig bei unserem 7. Saisonspiel sein zu können. Das wird hektisch, denke ich mir, mache mir aber keine weiteren Gedanken.
Während der Vorbereitungen auf die Migration und der Erstellung einer Access Datenbank für die Callcenter Agents zum prüfen der Reports denke ich doch immer wieder an das Spiel. 6 Spiele haben wir bisher gemacht. 0 Punkte haben wir auf dem Konto. Mein Telefon schellt und reisst mich aus den Gedanken. Info aus Spanien, dass die ersten Reports nun verfügbar sind. Also schnell in die erstellte Access Datenbank geladen und auf das Laufwerk gestellt. Die ersten Fragen/Fehler lassen nicht lange auf sich warten. Die Zeit vergeht wie im Flug. Gegen 13 Uhr schmeisse ich mir schnell ein paar Nudeln ein aus der Kantine und mache dann gegen 14 Uhr Feierabend, damit ich rechtzeitig am Treffpunkt sein kann um 14.45 Uhr. Ich schaffe es und bin erstmal froh, dass der Tag bisher gut verlaufen ist. Nun wieder abschalten. Gedanken schiessen mir durch den Kopf: Habe ich alles nötige gemacht auf der Arbeit? Wird der Test gut verlaufen? Hoffentlich muss ich nachher nich noch einmal zur Arbeit.
Umgezogen stehe ich nun auf dem Platz und ziehe mein gewohntes Aufwärm Programm durch. Danach gehts in die Kabine um die Kleidung zu wechseln.
Anstoß! Wir stehen nach 6 sieglosen Spielen enorm unter Druck. Der Druck des Umfeldes nimmt minütlich zu. Wir spielen nicht schlecht, aber kassieren wieder einmal das 0:1 nach einem Schuss, der natürlich wieder in den Winkel geht. Mit 0:1 geht es in die Pause. Deprimierte Gesichter. Wir nehmen uns vor mehr Druck zu machen, was uns auch gelingt und mit dem 1:1 belohnt wird. Chancen nun auf beiden Seiten.
Freistoß aus dem Halbfeld für den Gegner. Der Ball wird zum Tor geschlagen und kommt ca. 6 Meter vor dem Tor herunter. Kein Problem, ich gehe raus, rufe "Torwart" und in dem Moment kracht es. Ein Ellenbogen des Gegenspielers erwischt mich im Gesicht. Ich liege am Boden, der Ball ist im Tor. Ich blute aus einer Platzwunde an der Lippe - bin benommen. Unser Physio ist schon bei mir und versucht die Blutung zu stillen. Ich musste tatsächlich kurz überlegen, wo ich bin. Nach 5 Minuten rappel ich mich auf, stelle fest, dass das Tor für die gegnerische Mannschaft zählt. Alles lamentieren bringt nichts. Es steht 1:2. Mal wieder. Zum Ende des Spiels erzielen wir zwar noch das 2:2, aber es war mehr drin.
Was bleibt nach dem Spiel. Der schwarze Peter war bei mir. Wieso ich den Ball nicht weggefaustet habe, wurde ich gefragt. Wieso ich diesen extrem harmlosen Ball unterlaufen hätte, wurde ich gefragt. Ich sagte dazu nichts, sondern spuckte eine volle Ladung Blut aus und ging. Im Nachhinein frage ich mich, wieso ich überhaupt aufgestanden bin. Wieso mach ich weiter?
Mit einem Brummschädel ging es nach Hause. Gekühlt habe ich den ganzen Abend.
Den Sonntag konnte ich mich erneut nicht aufraffen ins Gym zu gehen. Wieder nicht. Wieso? Ich lag auf der Couch und habe fern gesehen. Entspannt. Habe versucht meine Seele baumeln zu lassen.
Am nächsten Morgen wieder ins Büro. Wieder ein extrem langer Tag. von 7:00 Uhr bis 19:00 Uhr bin ich im Büro. Bin gegen 20 Uhr zu Hause, falle ins Bett. Ich ärgere mich über mich selber, dass ich nicht mehr ins Fitness Gym gefahren bin. Ich hatte die disziplin nicht. Ich habe meinen Schweinehund nicht überwinden können. Mal wieder, denn das passiert des öfteren in der letzten Zeit.
Dienstag Morgen: Der Wecker klingelt, wieder das Gleiche bis zum Büro. Um 7.12 Uhr komme ich im Büro an. Ich weiss, dass heute ein Pokalspiel ansteht. Anstoß 19 Uhr. Ich melde mich gegen 12 schon bei meinem Trainer, da ich absehen kann, dass es nichts wird. Gegen 17 Uhr rief ich an und sagte definitiv ab. Feierabend habe ich gegen 18:50 Uhr gemacht. Danach stand ich zwei Stunden im Stau. Die Laune ist wieder auf dem Nullpunkt. Man merkt, wie der Kamm schwillt im Auto. Extrem schlechte Laune. Jetzt soll niemand auch nur ein Wort sagen, sonst kracht es.

Im Moment stehe ich, wie man sehen kann, in einem Dauerkonflikt mit mir selber. Ich möchte alles, was ich anfasse, perfektionieren. Egal ob auf der Arbeit oder beim Torwartspiel. Selbstverständlich auch im Privatleben. Ich merke zunehmend, dass dieses nicht möglich ist und meine Seele langsam verbrennt unter diesem Dauerstress. Klar, ich bin kein Profi, aber so etwas passiert auch auf der Arbeit in Kombination mit Amateursport. Ich suche quasi zur Zeit mein Gleichgewicht und ich hoffe, dass ich es bald wieder finden werde. Ich bin froh, dass meine Frau und meine Familie mich unterstützt und mir auch nicht so liebe Worte nicht übel nimmt. Ohne diese Bezugspersonen, diese Kraftspender würde es wohl nicht gehen.
Aber ich bin immer noch positiv gestimmt, dass ich bald aus diesem Tal wieder herauskommen werde...

Wie ich ja selber immer so schön sage: "Manchmal muss man verlieren, um zu gewinnen!"
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Kommentare

  1. Avatar von Paulianer
    29 Minuten vom Aufstehen bis zur Abfahrt. Hut ab
  2. Avatar von Schnapper82
    Jo, ich esse immer im Büro.
    Nur duschen, anziehen und los...
  3. Avatar von Paulianer
    Auch das schaffe ich nicht in unter 45 Minuten Essen tue ich auch erst im Auto.
  4. Avatar von Believer
    Nicht den Kopf hängen lassen, Schnapperle.
    Ich kann mir ja nur ansatzweise deinen Stress vorstellen. Ich habe diesen Dienstag auch einen Tag von 06 Uhr bis 22:00 gehabt und lief am Ende echt auf dem Zahnfleisch. Solche Tage mehrmals die Woche? Nein, danke. Lieber noch nicht. Da habe ich wahrscheinlich noch ein paar Monate/Jahre Zeit - hoffentlich.

    Ich kenne aber auch dieses schlechte Gewissen, wenn man das Training zu Hause sein lässt. Man ist einerseits sauer auf sich selbst, weil man sich nicht aufraffen konnte. Auf der anderen Seite kämpft man mit dem Gedanken: "Vielleicht war es besser so? Vielleicht brauche ich eben diese Entspannung heute? Vielleicht brauche ich diese kleine Auszeit?"
    Und dieser Konflikt beginnt jedes Mal aufs Neue.

    Was will ich damit sagen?
    Keine Ahnung. Das übliche wahrscheinlich.
    Lass dich nicht unterkriegen. Kopf hoch. Es geht immer irgendwann bergauf - wie du schon sagst.
    Versuch dir diese Auszeit manchmal zu gönnen und dich deswegen nicht zu kritisieren.
    Leider ist das echt schwer...
  5. Avatar von Dennis1991
    Nicht den Kopf hängen lassen! Einfach Augen zu und durch - wann ist denn (hoffentlich) Schluss mit dem Projekt?

    Wenn ich so auf die Uhr schaue bin ich auch schon seit 50 Minuten auf der Arbeit - komme heute wegen dem Softwareprojekt bei uns nicht zum Training und mein Stammplatz wackelt dadurch mehr und mehr... Gestern um 20:11 zu Hause gewesen, mein "privates" Training konnte ich knicken, weil ich keinen Schlüssel für die Flutlichtanlage unseres Platzes habe.

    Schnapper, Kopf hoch und durch! Denk einfach an das geile Gefühl, wenn das Projekt über die Bühne ist und alles wie erhofft funktioniert! Das lässt den ganzen Stress vergessen.
  6. Avatar von Steffen
    Wann Dennis, ist eigentlich nach dem Projekt?
    Denn nach dem Projekt ist meist vor dem Projekt... und der Stress, den macht man sich meist ganz allein... bis irgendwann...