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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Große Namen => große Furcht

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Kennt ihr das?
Bubi wird böse von bösen Buben verdroschen. Er lernt im Nachbarhaus dann den kauzigen Asiaten kennen, der Ihn dann in einer supergeheimen und superüberlegenen Kampfkunstart unterrichtet.
Böse Buben kommen wieder, es gibt en Kampf und der Bubi steht als Sieger da, doch dann kommt der große Obermuffti und weil Bubi nun unfair die Fresse voll bekommt, springt der Altmeister, der eigentlich geschworen hatte, nie wieder zu kämpfen, in den Ring und verhaut alle.
Kennt Ihr diese Filme? Logisch!
Der gute alte Eastern, und nicht nur die 36 Kammern der Shaolin bauen auf ungefähr diesem Konzept auf, sondern auch andere Filme. Episch hingegen sind die Filme von Aikira Kurosawa, der von Steven Spielberg und George Lucas schwer verehrt wurde, für seine tolle Arbeit. Bekannt sind sichinin no samurai oder Yojimbo. Vorlagen für die Western die glorreichen Sieben oder "Für eine Handvoll Dollar" Doch auch der zusammen mit Steven Spielberg entstandene Film "Kagemusha" ist solch ein toller und wirklich atraktiver Hingugger, der kaum etwas mit dem obigen Klischee kaum etwas gemeinsam hat.
Trotzdem, ich werde am Spielfeldrand immer wieder an solche Dinge erinnert.
Gerade weil ich oft versucht bin, in die Menge zu springen und allen zu zeigen wo der Bartel den Most holt, der Bud den Lukas haut oder der Olli die Glocken hat....
Aber leider geht das nichts, so daß ich andere Nuancen entdecke, die im guten Eastern immer wieder vorkommen, meistens Tugenden wie Geduld und Standhaftigkeit, aber auch eine gewissen Form der Nichtreizbarkeit, also Kaltblütigkeit.

Gestern hingegen war ich überrascht, wie kaltblütig man sein kann und sein muss, möchte man Halt geben und Halt sein.
Man spielte mit der E Jugend, älterer Jahrgang gegen einen der stärksten Gegner, deren 1. Mannschaft in der Bundesliga spielt. Anstelle daß die Jungs cool bleiben und einfach merken, daß die Gegner sich die Hose auf die gleiche Weise anziehen und die Schuhe ebenso binden, wie man selbst, ist es wie als wenn eine Hessenliga Mannschaft gegen den amtierenden Bundesliga Spitzenreiter antritt.. Man hat nicht nur Respekt, sondern eine gewisse Form von Ehrfurcht, die zum Teil einfach bestimmte Aktionen unterbindet. Mit Staunen schaut man zu, wie der Stürmer einen Hacketrick macht oder ist fasziniert vom doppelten Übersteiger.
Kein Wunder also, wenn die Defensive zwar gut ist, aber oft einen Tick zu langsam ist und man daher rasch zwei Gegentore eingeschenkt bekommen hat.
Auffällig war, daß mein Torwart anstelle wie so häufig, daß Tor verlassend die Situation im 1 gg 1 klärt, blieb er diesmal wie mit einem Gummiband auf der Linie fixiert und kam nur zögerlich heraus.
Was für einen Eindruck hätte er erst hinterlassen, wenn er wie die Blaue Mauer so mutig in die 1 gg 1 Situationen gegangen wäre.
So stand eher auf der Gegenseite der junge Mann im gelben Trikot im Blickpunkt, der ja beim "Bundesliga" Verein im Tor steht. Rasch werden aus der eigenen Mannschaft Stimmen laut: "Der spielt dort, der ist voll gut - besser als unserer!" Wie man sich hier nur täuschen kann.
Der Torwart im gelben Trikot wurde nur insgesamt 2 mal geprüft, und dabei nicht wirklich kritisch, weil er beide Male genug Zeit hatte, sich auf Schuss und Ball einzustellen. Wirklich 'geprüft' hingegen wurde mein Torwart, der über 50 Minuten unter den ewiglich gefährlichen Angriffen der Gegner zu leiden hatte. Hätte er nur das Gummiband getrennt, welches Ihn auf der Linie hielt, wie oft hätte er wie sonst auch Stabilität der Truppe geben können und eine Situation im Keim ersticken können... So musste er oft wirklich zeigen, was in Ihm steckt. Flache, scharfe Schüsse in die Ecken um den Pfosten drehen, halbhohe Schüsse zur Seite abwehren oder mit einer Reaktion schnell nach unten greifend die Bälle sichern... er wurde geprüft, immer und immer wieder. Bei all diesem Druck war es dann kein Wunder, daß er insgesamt 5 mal hinter sich greifen musste.
Kein Spieler hat das Spiel mit solch leuchtenden Augen gesehen wie ich. Kein Spieler konnte glaube ich, den Torwart so schätzen wie ich.
Verdammt hat er seine Sache gut gemacht, und für mich war es ein Spiel, wo ich endlich mal erkennen konnte, woran ich noch sehr intensiv zu arbeiten habe, daß eine Jahr, welches wir noch zusammen sind.
Ich konnte gestern wirklich auf diese Leistung stolz sein und wenn ich ehrlich bin: Er stand dem jungen Torwart des "Bundesliga" Vereins nicht wirklich um etwas nach. Denn wenn man so Druck ausüben kann, wie es der Gegner bei uns aufgrund Ehrfurcht und Respekt machen konnte, kann man als Torwart schon den "coolen Keeper" raushängen lassen. Das konnte und durfte mein Torwart nie, immer musste er auf eine Aktion gefasst sein und oft zögerte er und machte sich damit die Situation umso schwerer...
Aber ich war stolz, sehr stolz. Denn letztendlich: Für ein Kind in der E-Jugend, als U11, war die Leistung nicht nur ansprechend, sie war klasse.
Kein Wunder, daß der Trainer des "Bundesliga" Vereins natürlich am Ende wieder seine Offerte, den Torwart verpflichten zu wollen, wiederholte. Stolz, daß ich mit solch einem Torwart arbeiten darf - Danke Patrick.

Schmerzlich muss ich aber hinzufügen, daß er sich gestern verletzt hat. Eine 1 gegen 1 Situation und anstelle mit den Händen den Ball zu erreichen rutscht er keine drei Meter vor dem Tor mit den Füssen in den Gegner, wird am Knöchel schwer getroffen (der Gegner wollte den Ball gerade einschieben) - unglücklich.
Man darf nicht vergessen, ich nenne es immer Schimpansen-Fussball, denn diese können mit den Füssen Bananen schälen, festhalten und essen, wie Menschen eben nur mit den Händen - daß er bei seiner Grätschaktion den Ball leicht anlupft, der Gegenspieler verfehlt und trifft so den entblößten Knöchel, völlig unabsichtlich... Wäre er mit den Händen zum Ball, hätte er diesen sicherlich sofort gesichert, der Gegner wäre über Ihn vielleicht gefallen, und die Verletzung wäre nicht entstanden. Doch das Gummiband von Respekt und Ehrfurcht verhinderte diese Aktion, er konnte gar nicht anders zum Ball gehen.
Schmerzlich, daß durch dieses Unglück dann das 5. Tor gefallen ist, weil er vor Schmerz nicht richtig nachfassen konnte, trotzdem noch einen Abpraller grandios gerettet hat, bevor er endgültig mit dem Schlusspfiff liegen geblieben ist. Ball im Netz, alles weh - 2 bis 3 Wochen laut Arzt Pause.
Ersatztorwart der E-Jugend ist auch verletzt, das kann heiter werden.

Trotzdem: Ich bin stolz und habe daher mit Glück, Freude und vor allem stolzer Brust meinen Torwart, der nicht mehr laufen konnte, in die Umkleide getragen.

Ob andere jetzt ihren Torwart mit anderen Augen sehen? Ich glaube nicht, denn die Ehrfurcht vor diesen "Bundesliga" Vereinen trübt die Sicht auf die eigenen Fähigkeiten, für sich selbst und die Mannschaftskameraden...
Kagemusha.... oft erkennt man zu spät, welche Macht man hatte...
Stichworte: e-jugend, spiel, spielberichte Stichworte bearbeiten
Kategorien
Fussball , Gedanken

Kommentare

  1. Avatar von Paulianer
    Schön geschrieben, Steffen. Ich denke, dass jeder von uns schon einmal solche Erfahrungen gemacht hat. Nur weil der andere Verein größer, bekannter, reicher oder einfach besser in der Tabelle positioniert ist, frisst die Angst manchmal die Seele auf.

    Doch ich habe auch das Gegenteil kennengelernt. Nicht selten habe ich erlebt, dass man gerade in solchen - eigentlich ausweglosen - Spielen konzentrierter spielt und eher einmal über sich hinauswachsen kann. Denn jeder weiß, dass man nur mit einer Ausnahmeleistung gegen solch einen Gegner bestehen kann.
  2. Avatar von Believer
    Kann mich da nur anschließen. Oft hat man in solchen Spielen das Gefühl, dass mit dem Namen ein 12. Mann auf dem Platz steht. Gerade bei jungen Mannschaften, die sich oft durch ihre Frechheit auszeichnen können, führt das dann oft zu verkrampftem Gebolze, wenn man sonst mit dem einen oder anderen Hackentrick und frechen Heber glänzt.
    Das Gegenteil habe ich zwar auch schon erlebt. Auch bei mir selbst. Das schließt dann aber bei mir voraus, dass ich mich gut mental auf das Spiel einstellen und mich an diesen Gedanken gewöhnen kann.

    Ach ja, Gute Besserung an deinen Schützling, Steffen. Wenn schon Pusten oder Zauberwasser nichts mehr bringt.
  3. Avatar von Stetti
    Zitat Zitat von Believer
    führt das dann oft zu verkrampftem Gebolze, wenn man sonst mit dem einen oder anderen Hackentrick und frechen Heber glänzt.
    Das Gegenteil habe ich zwar auch schon erlebt. Auch bei mir selbst.
    Du und Hackentricks...?

    (Wieder einmal) sehr schön geschrieben, Steffen!