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Believer

Bewerbungsteufel bei den Gesetzeshütern (1)

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Es zieht ja statistisch gesehen viele Sportler zur Polizei. So auch mich. Irgendwie war da einfach nach den typischen Kindesträumen (8 Jahre: Sängerin, 10 Jahre: Schauspielerin - was? Dann muss ich mit meinem Sport aufhören? Niemals!) ab der 6. Klasse immer dieses Bauchgefühl: Polizei, das ist genau das Richtige für dich. Da gehörst du hin.

No. 1 - Die ungeahnt zetige Hürde

Gedacht, gesagt und dann Ende Juni dieses Jahres auch getan: Genau einen Tag nach Bewerbungsfristbeginn habe ich meine Bewerbung abgeschickt. Dabei haben sie dieses Jahr bei der Landespolizei von Berlin das Bewerbungsverfahren von handschriftlicher Zettelwirtschaft auf Computer umgestellt. So durfte ich mich gleich nach dem Abschicken der Bewerbung online auf eine E-Mail freuen, die mich zu einem Online-Auswahltest einlud. Da geht einem natürlich gleich das Muffensausen. Auswahltest? Jetzt? Sofort? Aber ich dachte, dass ich noch etwas Zeit hätte?!
Laut Beschreibung des Online-Bewerbungsverfahrens sollte dieser erste Test jedoch nur über den Zeitpunkt entscheiden, an dem die Bewerber sich dem Computer-Test bei der Polizei stellen werden. Die Besten zu erst - so unter dem Motto.
Also lieber die Arschbacken zusammen kneifen und los.
Der Test bestand aus 26 Fragen, die in ca. 16 Minuten (ich weiß es nicht mehr ganz genau) gelöst werden sollten und aus allen verschiedenen Kategorien der Bewerbungstests zusammengewürfelt waren. Aufgaben zu logischen Schlussfolgerungen (Eva ist besser als Anna, Lina und Marie sind gleichstark, Lina ist nicht besser als Anna - Wer ist die Beste?) wechselten mit absurden Schlussfolgerungen (Waschmaschinen sind Löwen, weil sie brüllen können. Was brüllen kann, kann nicht waschen. Waschmaschinen können nicht waschen.) ab und wurden jeweils von Aufgaben zu Primzahlen oder räumlichen Denken abgelöst. Es ging also kunterbunt durcheinander. Zwar kann man jede von diesen Übungen in den entsprechenden Bewerbungsbüchern finden, doch es erstaunte mich, dass die Intensität um einiges gesteigert war. Schnell wurde klar: Es ist unmöglich, alle Aufgaben in der vorgegebenen Zeit zu lösen: Also ist das ganze zusätzlich ein Stresstest.
Wunderbar.

Ich tat, was ich konnte, ließ erst einmal die Primzahlenaufgaben (bei denen man eine Primzahl aus bestimmt 10-15 Zahlen filtern sollte) links liegen und hoffte nur, dass ich genug Zeit übrig hätte, um mich ihnen doch noch zu widmen. Weit gefehlt. Am Ende beantwortete ich keine der 4 Primzahlaufgaben.
Nach dem Abschicken des Tests erschien eine Mitteilung, dass das Ergebnis des Tests einem innerhalb der nächsten 4 Wochen mitgeteilt werde.
Mein Gefühl war sehr schlecht. Hatte ich es nun wirklich schon in der ersten Runde verbockt? Ohne überhaupt einmal einem Prüfer gegenüber gesessen zu haben? Waren diese Aufgaben in der Zeit wirklich nicht zu schaffen oder war meine Leistung einfach mangelhaft?
Diese Fragen sollten mich nun die nächsten 6 Wochen begleiten, denn es dauerte diese Zeit bis endlich die langersehnte Einladung zum Einstellungstest per E-Mail ins Haus flatterte. Entgegen der ersten Vermutung, waren die 4 Wochen so terminiert, dass dieser Zeitraum erst nach Ende der Bewerbungsfrist beginnen sollte. Somit hätte ich eigentlich 8 Wochen auf mein Ergebnis warten müssen - im Ernstfall.
Doch es schwang natürlich immer dieser Gedanke mit: Aber sie sagten doch, dass sie mit diesem Test nur den Zeitpunkt der Einladung bestimmen wollten.


No. 2 - Warten, warten... und? Warten.

Tja, auch die Polizei drückt sich manchmal gewollt schwammig aus.
Zitat Zitat von Webside der Polizei
Der Vortest [...] dient dazu, denjenigen mit den besten Ergebnissen die Möglichkeit zu geben, den frühestmöglichen Termin für den PC-gestützten Einstellungstest auszuwählen. Das Ergebnis aus dem Vortest fließt nicht in das Gesamtergebnis ein.
Trotz dieser eigentlich harmlosen, aber großzügig formulierten Zeilen bekamen Freunde von mir bereits nach 2 Wochen eine Absage mit dem Hinweis, dass die Leistung wahrscheinlich nicht für eine Einstellung ausreichen würde.
Diese Aussage meiner Freundin machte mir trotzdem ein wenig Mut, da ich bereits am zweiten Tag der Bewerbungsfrist meine E-Mail abgeschickt und den Test gemacht, allerdings nach 4 Wochen immer noch keine Antwort erhalten hatte. Und mein Hoffen und Bangen sollte sich bezahlt machen, denn ein paar Tage nach Ende der Bewerbungsfrist, am 13. September, kam sie endlich: Die E-Mail.

Und mit ihr bekam ich einen weiteren Zugangscode für den Bewerbungsserver der Polizei, auf dem ich mir nun einen Termin für meinen Einstellungstest innerhalb der nächsten 4 Wochen aussuchen durfte. Ich wählte den letztmöglichen Termin am 14. Oktober um 11:30 Uhr. So hatte ich genau 4 Wochen Vorbereitungszeit. "Das passt doch", dachte ich mir.
Jeden Tag sollte zweimal geprüft werden (7:30 bis 14:30 oder 11:30 bis 18:30) und zu jedem Test wurden 48 Bewerber eingeladen. Ergo waren noch gut 3000 Bewerber im Spiel. Diese Zahl macht einem in dieser Situation nicht gerade Mut. Hätte ich doch nicht nachgerechnet.

Die Zeit bis zum Bewerbungstest verging auf eine sehr seltsame Art und Weise. Erst floss sie wie eine zähflüssige Masse dahin und als dann der Test immer näher rückte, raste sie nur so vor meinen Augen vorbei. In den letzten Tagen vor dem großen Tag brach sie in seltsamen Stundenpaketen vom Tag ab und verwirrte jegliches Zeitgefühl. Ich verbrachte diese Stunden mit Bedacht sehr ruhig, machte es mir von Montag bis Mittwoch im Starbucks am Hackeschen Markt bequem, trank Unmengen an Chai Tea Latte und gönnte mir zum Mittagessen in der Lernpause bei Ishin Sushi an der Friedrichsstraße leckeres Sushi. Auch der Frust beim Training am Mittwoch Abend, dem 13. Oktober, lenkte mich gut vom Bevorstehenden ab, auch wenn ich an diesem Abend mehrmals die Entscheidung verfluchte, überhaupt zum Training gegangen zu sein. Natürlich hatte ich vorgehabt, diese 4 Wochen jeden Tag zu lernen und mir in meinem Eifer auch Lernpläne erstellt, diese Maßnahme wurde jedoch erst die letzten 2 oder 2 1/2 Wochen wirksam, als ich mir eine Liste der noch ausstehenden Themengebiete machte. Dennoch reichte diese Zeit vollkommen aus. Im Nachhinein würde trotzdem jedem Bewerber dazu raten, sich genug Zeit für die Vorbereitung zu nehmen. Mehr für die Mentale als die Sachliche. Ich hatte einfach sehr viel Zeit, mich mit diesem Gedanken "des entscheidenden Tages No.1 (hoffentlich)" abzufinden. Letztendlich ging ich mit einem guten Gefühl des Vorbereitet-Seins in den Computertest.


No. 3 - Also eigentlich kann ich jetzt schon aufstehen und gehen...


Am Abend vorher hatte ich meine Sachen akribisch gepackt und trotzdem die Tasche noch 2 Mal ausgeräumt, um zu gucken, ob ich nun wirklich alles hineingetan habe. Der Morgen des Bewerbungstages verlief entspannt. Frühstücken, im Bad fertig machen (denn wer weiß, vielleicht schaut ja auch ein Prüfer zu, da muss man schon gut angezogen sein) und schnell noch die Verkehrsverbindung aufschreiben. Ab in die Bahn und los ging es zum Alexanderplatz. Dort, nahe des Bahnhofs, sollte sich die zentrale Polizeidirektion befinden, bei der der Computertest stattfindet. Natürlich brauchte ich fast die Hälfte meiner Pufferzeit von immerhin 45 Minuten bis Beginn (11:00 Uhr), um überhaupt die richtige Straße und das richtige Gebäude zu finden. Wer schon einmal am Alex war, der wird mich verstehen können - dann müsst ihr euch nur noch vorstellen, dass ihr einen schlechten Orientierungssinn habt... et voilà: My dilemma. Trotzdem fand ich natürlich das richtige Gebäude, da ich ja auch nicht unbedingt zu scheu bin, um jemanden zu fragen. Die restlichen 20 Minuten bis Prüfungsbeginn verbrachte ich wie etliche andere Bewerber und Bewerberinnen sitzend auf meiner Tasche, allerdings mit seltsam wenig Aufregung im Bauch.
Pünktlich wurden wir in die zweite Etage in einen Raum geführt, wo erst einmal die Anwesenheit und die mitgebrachten Formulare kontrolliert wurden. Jeder erhielt ein persönlichen Zugangscode für das Testprogramm. Danach mussten mir allerdings noch ewig warten, da die Bewerbergruppe von 7:30 Uhr vor uns noch beim Test saß und selbst nach dessen Ende noch seperat hinausgeleitet wurde, damit wir ja nicht in Kontakt miteinander kommen. Schade eigentlich, da sich eine Freundin von mir in dieser Gruppe befand.

Jedenfalls konnten wir erst eine halbe Stunde später um 11:30 Uhr mit dem Computertest beginnen. Er war in einzelne Kategorien aufgeteilt (insgesamt 6), die jeweils manuell gestartet werden mussten, aber unterschiedliche Aufgabenfelder enthielten. Nach jeder Kategorie mussten die schnelleren Bewerber auf den Rest warten, damit auf Geheiß des Prüfers die nächste Kategorie gestartet werden konnte. Die erste Kategorie war zugleich nach meinem Empfinden die Schwerste. Sie war zu vergleichen mit dem Online-Test und enthielt zusammengewürfelte Aufgabengruppen aus verschiedenen Themengebieten. Sie alle waren in eine Textaufgabe gepackt. Etwa wie: "Für eine Geschäftsfeier sollst du die Modalitäten klären. Die Platzkarten sollen noch gedruckt werden. Auf ihnen soll jeweils der Name und die Funktion der Mitglieder der Firma stehen."
Nun folgte eine Merkaufgabe, bei der man sich in 1:30 etwa die Namen und Berufsbezeichnungen von 20 Funktionären in der Firma einprägen sollte. Gerade die Merkaufgaben hatten es wirklich in sich und oft musste ich aus Verzweiflung heraus den Rest raten. Allerdings halfen Strategien, die ich während des Übens zu Hause entwickelt hatte, auch weiter. Es folgten Textaufgaben aus Mathematik, Zahlenreichen, die zu knacken waren, aber auch logische Gleichnisse (Quadrat verhält sich zu Rechteck wie Kreis zu Ellipse - das war die einfachste und zu gleich die Beispielaufgabe dieser Kategorie). Nach den 30 Minuten, die dieses Themenfeld "Allgemein" in Anspruch nahm und ich die letzte Aufgabe beendet hatte, wollte ich eigentlich direkt aufstehen und gehen. So sicher war ich mir, dass bereits nach dieser Etappe die Bewerbung gelaufen war. Doch in den Gesichtern meiner Mitbewerber konnte ich die gleichen Zweifel lesen. Das beruhigte wenigstens ein bisschen.
Nun folgten noch 3 Kategorien (Persönlichkeits-Test I und zwei weitere Kategorien, in denen es vor allem um Merkfähigkeit ging) und dann ging es nach gut 1 1/2 Stunden in die Pause, die mit 10 Minuten sehr knapp bemessen war und eigentlich kaum zum Runterkommen Zeit ließ. In den weiteren 1 1/2 Stunden kamen noch drei weitere Kategorien auf uns zu. Die allererste hatte es gleich in sich: Verkehrszeichen.
Bei diesem harmlosen Wort denkt man sich nicht viel. Der Test war auch verhältnismäßig einfach gestrickt. Es wurden 8 unterschiedlich lange und komplizierte Nummernschilder von Autos gezeigt, die man sich in 2 Minuten einprägen sollte. Danach hatte man 45 Aufgaben in 5 Minuten zu lösen. Es erschien ein Nummernschild auf dem Bildschirm, bei dem man dann entweder "Ja" oder "Nein" klicken sollte. Dabei stand "Ja" dafür, dass es eines der vorher aufgeführten Nummernschilder war - klar bis dahin. Das ganze gestaltete sich in der Praxis jedoch weitaus komplizierter. Denn nachdem, die erste Flut von 20 Nummernschildern auf mich eingeströmt war, hatte ich bis auf 3 Nummernschilder alle weiteren gemerkten vergessen. Es fiel nur das Muster auf, dass falsche Kombinationen nur einmal auftauchten und richtige Kombinationen sich immer wiederholten. So vertraute ich dann mal auf diese Beobachtung und klickte neben den gemerkten eben auch diejenigen an, die sich wiederholten. Stresstest kann man so etwas durchaus auch nennen.
Die Wartezeit zwischen den Kategorien war eigentlich sehr gut (durch die Beispielaufgaben, die nicht zeitlich begrenzt waren, musste man mitunter manchmal 4-8 Minuten warten, bis endlich auch die letzten Bewerber fertig waren, um die neue Kategorie zu starten). Ich konnte mich in dieser Wartezeit kurz mal zurücklehnen und tief durchatmen. Man merkte die Daueranspannung förmlich in den Muskeln.
Es folgten die letzten Kategorien: Deutsch, Persönlichkeits-Test II und Englisch.
Deutsch war nicht mehr als Grundlagenwissen. Selbst meinen Kurzauffrischungskurs in Kommazeichen-Setzen hätte ich nicht machen müssen. Es wurde z.B. die richtige Schreibweise von Straßen gesucht (Willy-Brant-Straße, Willy-Brandt Straße, Willy-Brandt-Straße...). Es kamen aber auch Aufgaben zum Anwenden des Genitivs (Keine Macht des Willy-sein-Portmonnaie-Satzes ) und zum Erklären von Synonymen (Was bedeutet bilateral?). Also alles Basics.
Englisch war wirklich leicht. Ein, zwei Vokabeln, die sich speziell um das Thema Polizei drehten, wusste ich auf Anhieb nicht, aber da Antwortmöglichkeiten gegeben waren, wurde dann eben per Ausschlussverfahren "ermittelt". Alles in allem müsste da jeder, der sein Schulenglisch im Vorfeld ein bisschen aufgefrischt hat, durchkommen.
Die Persönlichkeitstests beinhalteten einmal 65 und einmal 85 Fragen, bei denen eine Skala von 1 bis 7 vorgegeben war. Dabei stand 1 für "trifft gar nicht zu" und 7 für "trifft voll zu". Nun sollte man beispielsweise sagen, ob folgende Aussage auf die eigene Person zutrifft: "Wenn ich die Chance hätte, würde ich gerne Bunjee-Jumping machen." oder "Wenn ein Mensch mir etwas gutes tut, dann denke ich, dass er vielleicht Hintergedanken hat."
Die Ironie am Ganzen war dann, dass ich bei Beispiel 1 eine 6 ankreuzte (man will ja auch nicht zu risikofreudig wirken) und einen Tag später vom Park-Inn am Alexander Platz 150 m in die Tiefe sprang. Also war ich doch ehrlich

Nach dem Computer-Test wurden die Bewerber gebeten im Raum zu warten, um ihr Ergebnis zu erfahren. Dieser Prozess sollte, laut Angaben des Prüfers, maximal 15 Minuten dauern. Im Vorfeld stellte ich mir schon diese 15 Minuten wie eine Qual vor. Letztendlich mussten wir 45 Minuten warten, bis sie die ersten Ergebnisse - allerdings nur vom Deutsch-Test hatten, da dieser ein K.o-Kriterium ist. 6 Bewerber mussten daraufhin den Raum verlassen. Den Rest ließen sie noch weitere Minuten schmoren. Irgendwann gaben sie dann auf und gingen den Prozess einzeln an. Zum Schluss verlasen sie eine Liste, die nur einen weiteren Namen plus den im Deutsch-Test ausgeschiedenen Bewerbern erhielt. Der Rest erhielt die Ansage: Ab zum Sporttest!
Ich konnte mein Glück noch kaum fassen - ich war mir sicher gewesen, dass ich rausfliegen würde - und traute deshalb dem Braten noch nicht ganz. Wollten sie uns nicht einfach nur so erstmal weiterschicken, damit nicht so viel Zeit verloren geht?
Diese Vermutung wurde nur noch dadurch erhärtet, dass eine Bewerberin aus dem Raum trat, völlig verwundert vor sich hinmurmelnd: "Aber ich habe doch überhaupt keine der Mathe-Aufgaben gelöst..."
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Kommentare

  1. Avatar von Manuel
    Und was kam beim SPorttest raus? Oder findet der erst zu einem anderen Termin statt?

    Erinnert mich sehr an das dreitägige Eignungsfeststellungsverfahren das ich bei der Bundeswehr in Ulm mitmachen durfte.
  2. Avatar von Believer
    Ich hab noch weitergeschrieben, Manuel. Das war nur Teil 1. Eigentlich dachte ich, dass es alles in einen Blog geht, aber anscheinend hatte ich dann doch viel zu viel zu erzählen
  3. Avatar von Manuel
    Ja hab ich mittlerweile auch gemerkt. DIe anderen Teile waren noch nicht da als ich hier fertig gelesen hatte.

    Viel Glück noch bei deinem Werdegang.
  4. Avatar von Believer
    Dankeschön. Ich hoffe natürlich weiter und sage dann Bescheid, wenn es Ergebnisse gibt.
  5. Avatar von metroplex2005
    Na dann mal viel Erfolg, "Kollegin";-)
  6. Avatar von Believer
    Bist du auch bei der Polizei? Wenn ja, wo?