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Believer

Bewerbungsteufel bei den Gesetzeshütern (2)

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No. 4 - "Union mochte ich schon immer!"

Nach dieser Aussage etwas skeptisch, machte ich mich mit einer Bewerberin, die ich während des Tests etwas näher kennen gelernt hatte, per Auto durch die halbe Stadt im Wahnsinnsverkehr auf zum Sporttest, der in der Direktion 2 in Spandau stattfinden sollte. Wir brauchten gut eine Stunde für den Weg und mussten dann noch eine halbe Stunde auf den Rest der Bewerber warten, die noch per Bahn eintrudelten.

Die Sportprüfer bei der Polizei haben scheinbar wirklich einen militärischen Tick. Einen anderen Schluss lässt die Art, in der die Anwesenheit überprüft wurde, nicht zu. Schnell wurde allerdings auch klar, dass dies so eine Masche der Prüfer war, mit der sie sich immer köstlich über die Prüflinge amüsierten.
Beim Umziehen sank meine Laune stark, da ich erfahren hatte, dass beim 2000-m-Lauf kein MP3-Player gestattet war. Ich jogge doch nie ohne Musik. Wie soll ich denn da meine angestrebte Zeit schaffen? Außerdem durften wir keine Uhren mitnehmen.
"Dann heißt es heute wohl einfach: Zähne zusammenbeißen", dachte ich mir grummelig.
Wir gingen über den kalten Hof dieser halben "Polizeistadt" mit Schwimmhalle, Fußballplätzen, Tartanbahn, riesiger Sporthalle und etlichen Gebäudekomplexen hinüber zu einer etwas "antik" aussehenden Sporthalle, in der wir eine hohe Halle fanden, klassisch mit Parkett eingerichtet wie die alten DDR-Hallen, die noch häufig bei uns zu finden sind. Aufgebaut war ein Parcour bestehend aus (in der Reihenfolge) einem Pferd, einem Barren, einem Stufenbarren, zwei Matten, einem Bock und einer Wand. Man sollte den Parcour vor dem Pferd starten, über dieses springen (berühren verboten), über den Barren links und rechts nach oben rüberschwingen (berühren verboten), sich über den unteren Holm des Stufenbarrens schwingen (berühren des unteren Holms verboten), eine Vorwärts- und eine Rückwärtsrolle über die Matten machen, einen Sprung über den Bock hinlegen und zum Schluss die Wand überwinden. Das ist für jeden, der entweder regelmäßig Sport betreibt oder sich gut auf den Parcour vorbereitet, ein Kinderspiel. Selbst die Zeit stoppen sie nicht mehr. Allerdings haben sie gesagt: Wer stolpert, fliegt. Wer stoppt, fliegt.

Danach ging es zum 2000-m-Lauf, den ich persönlich einfach nur in einer möglichst guten Zeit hinter mich bringen wollte. Nachdem aus meinem Bewerbungsdurchgang beim Computertest nur 7 Bewerber gehen mussten, wurde diese Anzahl nach dem Parcour noch einmal um 5 dezimiert. Beim Lauf allein schieden nachher noch mindestens 10 Bewerber aus. Das ist wahrscheinlich aber auch dem Fakt zu verdanken, dass man den Sporttest wiederholen kann und viele sich wahrscheinlich dachten, dass sie die zwei Wochen hinauszögern und noch trainieren könnten. Ob sie es trotz dieser Einstellung noch schafften, weiß ich nicht, denn ich traf keinen von ihnen bis jetzt wieder.
Ich brachte diesen 2000-m-Lauf einfach hinter mich und am Ende stand eine Zeit von 08:42, mit der ich eigentluch ganz zufrieden als 3. ins Ziel lief. Bei den Frauen war die Grenze bei 11:20 min. und bei den Männern bei 09:30 min. angesetzt worden. Die Zeit wurde vom Prüfer nicht angesagt während der Runden. Man erhielt immer nur das Kommando "Grün", "Gelb" oder "Rot". Bei "Grün" war alles im "Grünen Bereich" (Achtung Wortwitz!), bei "Gelb" sollte man einen Zahn zulegen und bei "Rot" war man raus. Bei Runde eins sagte mir der Prüfer: "Fantastische Zeit, Dunkel-dunkel-Grün. Union mochte ich schon immer!" Das Lachen bescherte mir Seitenstechen.

Mit dem Ende des Sporttests hatten wir es für den Tag dann endlich geschafft. Letztendlich waren die Aufgaben an sich nicht so anstrengend, doch die nervliche Anspannung, unter der man permanent stand und die einem auch praktisch körperlich bewusst wurde, trug einen beträchtlichen Teil zur Erschöpfung bei.

Jetzt hieß es wieder warten. Schon wieder.


No. 5 - Ab Woche 4 wird es unerträglich

... und das war wirklich so. Uns wurde nach dem Computertest gesagt, dass wir mit einiger Verzögerung beim Herausschicken der nächsten Einladungen rechnen müssten, da sich viele Prüflinge der 2. Sportprüfung unterziehen müssten. Es wird nach Leistung vorgegangen, daher kriegen die Besten in den Tests die E-Mail zu erst. Allerdings werde dies auch erst in frühestens 3-4 Wochen der Fall sein. Man wisse es noch nicht. Wer allerdings nach 4 Wochen noch keine E-Mail erhalten habe, müsse sich auf eine Absage Ende Dezember einstellen. Hart.

So verging die Zeit. Ab Woche 4 wurde einem mit jedem Tag banger zu Mute. "Nur noch 5 Tage bis zum 14. November..." "Nur noch 4 Tage..."
So begannen die Tage immer mit dem Sprung zum Laptop und dem Öffnen des Mailfachs. Danach folgte das enttäuschte Zurücksinken in den Stuhl und das erneute euphorische Öffnen des Programms nach dem Frühstück. Und so weiter und so fort.
Am 12. November dann die Erlösung: Eine Mail.
Die nächsten 5 Minuten rannte ich laut schreiend durchs Haus und rannte meine Schwester fast über den Haufen, die gerade zur Tür rein wollte, als ich hinaus wollte, um meine Freude jemandem mitzuteilen.
Erst nach ein paar Minuten und dreimaligem Lesen der ersten Zeile "ich lade Sie zur polizeiärztlichen Tauglichkeitsuntersuchung ein" kam ich erst dazu den Rest des Briefs durchzugehen. Darin wurde mir mitgeteilt, dass ich mich am 23.11. um 07 Uhr in der Radelandstr. in Spandau einzufinden habe, wo die Ärztliche Untersuchung stattfindet. Dazu befanden sich im Anhang diverse Dokumente. Mit einem schnellen Blick auf diese wurde mir klar, dass ich die nächsten Tage bis dahin in den Wartezimmern verschiedener Ärzte verbringen würde. Die Polizei fordert nämlich von ihren Bewerbern neben einem detailliert beantworteten Fragebogen zur Krankheitsvorgeschichte der letzten 5 Jahre auch Berichte von allen behandelnden Ärzten, die man in den letzten 5 Jahren hatte. Ich klapperte sie also alle - samt Zahnarzt, der ein zahnärztliches Gutachten ausstellen sollte - ab und schaffte es den letzten Termin gerade noch am Tag vor dem ärztlichen Test unterzubringen. Zwischendurch wurde ich allerdings benachrichtigt, dass sich der Termin noch einmal auf den 02.12. verschieben sollte. Anscheinend waren immer noch viele Verzögerungen im Spiel.
Neben dem Beschaffen der ärztlichen Dokumente bereitete ich mich natürlich auch gewissenhaft auf das anschließende Einstellungsgespräch vor. Dazu gehören einfach Infos über den Beruf das Studium. Ich legte mir außerdem Antworten für die klassischen Fragen zurecht: Warum will ich zur Polizei? Was sind meine Stärken/Schwächen? Was sind meine Ziele? Wie stelle ich mir den Beruf des Polizisten vor?

No. 6 - (Schnee-)Chaos

Endlich kam dann der 02.12. ...
Der Tag fing für mich um 4 Uhr früh an und beim ersten Weckerklingeln stand ich nach 3 Stunden Schlaf quasi senkrecht im Bett. Kein Kaffee nötig. Vorerst.
Beim Blick aus dem Fenster schwante mir schon schlimmes, da Berlin unter einer wahren Schneedecke eingeschlafen war, allerdings beruhigte ich mich mit dem Gedanken, dass ich mir wieder eine 3/4 Stunde Pufferzeit gelassen hatte. So hieß es frühstücken, fertig machen und die eingepackten Dokumente (darunter: Schwimmpass -mindestens Bronze muss vorzeigbar sein -, Reisepass, Abiturzeugnis, Geburtsurkunde und die dutzend ärztliche Dokumente) noch einmal durchgehen. Um 5 Uhr fand ich mich auf dem Bahnhof ein und dort erwartete mich auch schon die erste unschöne Botschaft für den Tag: Mein Zug hatte 16 Minuten Verspätung. Ich sah meine Pufferzeit schnell schmilzen, als ich letztendlich 1 1/2 Stunden später in der 4. Bahn saß (eigentlich hätte ich erstmal durchfahren können), die auch zwei Bahnhöfe vor meiner Station stehen blieb. Grund: Diesmal keine Weichenstörung sondern vereiste Türen. Letztendlich saß ich dann noch eine geschlagene halbe Stunde Olympiastadion fest, bis ich endlich eine Bahn bis Spandau erwischte. Durchgefroren kämpfte ich mich dann noch in den Bus hinein, der zur Radelandstraße fuhr. Neben mir die ganzen halben Portionen, die aufgeregt schnatternd zur Schule fuhren. Irgendwie kam mir die ganze Situation nur noch bizarr vor.
Zwischendurch hatte ich Olympiastadion beim ärztlichen Dienst angerufen und angekündigt, dass ich eine Stunde Verspätung haben würde. Eine ungläubig klingende Ärztin versicherte mir zumindest, dass man warten würde.
Nach 2:55 h (eigentlich 1:21 h) war ich dann endlich am Ziel und raste zum Bewerberzimmer. Doch ich fand nur 3 Bewerber vor. Der Rest trudelte in den folgenden Minuten ein.

Wir Neuankömmlinge wurden sofort für die Urinprobe und die Blutabnahme ins Labor geschickt, danach nahm man unsere Dokumente entgegen und unterzog uns einer Befragung zu unseren Angaben im ärztlichen Test. Was soll denn ein Leistungssportler schreiben, wenn er all seine sportlichen Verletzungen aufzählen soll? Ich muss unter anderem noch einmal zum Sportarzt, da mir dieser nur "Routine" auf den Zettel mit der Krankheitsgeschichte schreiben wollte und das den Polizeiärzten nicht ausreichte. Irgendwie auch verständlich.
Danach ging es zum Hör- und Sehtest. Beide verliefen ohne große Vorkommnisse, bis auf den Fakt, dass die Ärztin, die mir den Sehtest abnahm, dachte, dass ich kein räumliches Sehvermögen habe. Dieser Computer war so dämlich verschwommen, dass ich nicht erkennen konnte "welcher Strich mir entgegen springt". Nun gut. Bei der Schautafel konnte ich alle der 9 Striche richtig ansagen, von denen ich nur 5 hätte wissen müssen. Ein paar Fragen an die anderen Bewerber später wusste ich, dass es jedem so ergangen war.
Im Anschluss wurde noch unser Lungenvolumen (?) gemessen, denke ich. Wir mussten in eine Röhre pusten und das eben so kräftig und lange wie man kann. Man, kam ich mir dabei doof vor.
Nun folgte der BelastungsEKG, der mir im Vorfeld etwas Kopfschmerzen bereitet hatte. Eigentlich zweifle ich ja nicht an meiner Fitness und als Sportlerin müsste ich ihn auch eigentlich hinkriegen, doch man muss einen gewissen Puls erreichen, damit man den Test überhaupt machen darf. Als jemand, der schon aufgeregt wird, wenn er überhaupt weiße Kittel sieht, habe ich da schon Angst um meinen Puls und meinen Blutdruck gehabt. Wie erwartet traten dann auch die Schwierigkeiten auf. Mein Blutdruck war deutlich über den normalen 140 zu 80 (?) und mein Puls ebenso. Allerdings ging es meiner Mitbewerberin, die sich schon neben mir auf der Liege eingefunden hatte, nicht anders. Wir wurden beide, verkabelt wie wir waren, angewiesen uns hinzulegen und für ein paar Minuten ruhig die Augen zuzumachen. Natürlich wird einem gerade dann das Absurde dieser Situation klar: Man liegt verkabelt mit einem komischen Elektroden-Brustgurt, ansonsten in kompletter Sportkleidung auf dieser Liege und denkt die ganze Zeit, dass bloß Puls und Blutdruck runtergehen. Alle paar Minuten kamen die Schwestern, um erneut Blutdruck und Puls zu messen. Sogar meine Körpertemperatur hatte sich meiner Aufregung angepasst - und ich bin jemand, der noch nie in seinem Leben Fieber hatte. Jedenfalls konnte ich 5 Minuten und Atemübungen später den Test mit einem Blutdruck von 130 zu 68 etwa machen. Ich fühlte mich fit und wollte ihn - auch auf die Gefahr hin, dass die erhöhte Temperatur die Werte in die Höhe treibt - unbedingt absolvieren. Der Belastungs-EKG auf dem Fahrrad war ziemlich easy und auch keineswegs anstrengend. Es gab drei Schwierigkeitsgrade. Zum Schluss war als Widerstand das Doppelte des eigenen Körpergewichts eingestellt. Anschließend ging es zurück auf die Liege, wieder 5 Minuten komplette Ruhe. Erneut wurde der Blutdruck und Puls gemessen. Vom Gefühl her würde ich sagen, war ich nach dem Fahrradfahren ruhiger als vorher.

In der E-Mail-Einladung zum ärztlichen Test wurde uns nahegelegt, genug Essen mitzunehmen, da die Prozedur gut 6-7 Stunden in Anspruch nehmen könnte. Die Versorgung war auch nicht das Problem. Nur wann sollte ich denn bitte zum Essen kommen, wenn ich ständig von einem Behandlungszimmer zum nächsten renne? So knurrte mir beim Thorax-Röntgen schon heftig der Magen, ganz zu schweigen von der allgemeinen Untersuchung, die der Polizeiarzt im Anschluss vornahm. Dabei ereignete sich eine weitere Kuriosität. Er war gerade dabei, in mein rechtes Ohr zu sehen, als er mich plötzlich fragte: "Steckst du dir gerne Gegenstände ins Ohr? Oder hast du Kinder, die das als ihr Hobby bezeichnen?" Ich antwortete natürlich verwundert mit einem "Nein" woraufhin er entgegnete: "Na dann hast du eine Zecke im Ohr." Und wieder dieser Satz: Ich hatte noch nie in meinem Leben eine Zecke. Wie kann die denn jetzt in meinem Ohr gelangt sein? Ich wurde also mit einer Überweisung zum Ohren-Arzt einem ansonsten aber voll zufrieden stellendem Befund zum persönlichen Einstellungsgespräch geschickt. Das wurde dann zum Highlight des Tages. Definitiv.

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Kommentare

  1. Avatar von Schnattl
    Zitat: Danach ging es zum Hör- und Sehtest. Beide verliefen ohne große Vorkommnisse, bis auf den Fakt, dass die Ärztin, die mir den Sehtest abnahm, dachte, dass ich kein räumliches Sehvermögen habe. Dieser Computer war so dämlich verschwommen, dass ich nicht erkennen konnte "welcher Strich mir entgegen springt".

    Haha, das kommt mir bekannt vor. Ich hatte in der Firma so einen Sehtest und genau bei der gleichen Aufgabe bin ich auch gescheitert. Bei uns war das ein Punkt.