RSS-Feed anzeigen

nik1904

Torwarttraining bei Bayer Leverkusen

Bewertung: 5 Stimmen mit einer durchschnittlichen Bewertung von 4,20.
Trainingsgelände Bayer Leverkusen, 20. Januar, 10:00 Uhr. Fast hätte ich es vergessen, dass die Beobachtung des Torwarttrainings in Leverkusen dem Kibitz gleich auch ein Wadentraining abverlangt. Der Weg am Stadion vorbei zu den Trainingsplätzen lässt noch hoffen, dass die Torhüter heute im vorderen Bereich gequält werden. Schade, es geht an der üblichen Stelle vor sich. Das bedeutet zunächst eine halbe Umrundung des Platzes, was nicht so schlimm ist. Dummerweise ist die Werbebande an dieser Stelle jedoch derart hoch und das Gelände so ungeeignet, dass die gesamte Szenerie nur auf Zehenspitzen zu sehen ist - und auch dann nur, wenn man auf dem schmalen Stückchen Pflastersteine steht, mit der Nase vor dem Gitter. Obwohl der Autor mit 1,90 m nicht klein gewachsen ist. Immerhin bietet der Zaun genug Platz für das Objektiv und die Stäbe dienen den mit der Kälte ringenden Händen als Stativ. Wobei: Viel aufzunehmen gibt es nicht.

Das Training fängt mit lockeren Übungen an, in die Trainer Rüdiger Vollborn sich selbst (für Schüsse) sowie die Torhüter René Adler, Florian Giefer und Tomasz Bobel einbindet. Bälle ganz locker in die Ecke, wobei der Torwart schon etwa einen Meter auf die Seite versetzt steht. Torhüterwechsel, bis alle drei etwa zwei Mal auf jeder Seite dran waren. Dann das Ganze noch mal mit schärferen Schüssen. Es wird intensiver. Gar nicht so sehr, was die Kraftausdauer angeht, sondern vor allem hinsichtlich der Schussgeschwindigkeit. Die nächste Übung besteht darin, dass der Torwart den zentral zehn Meter vor dem Tor stehenden Trainer die Bälle anrollt, drei oder vier schnelle Schritte macht und dann der harte Abschluss auf den Mann oder in die Ecken erfolgt.

Die nüchterne Atmosphäre ist geprägt von konzentrierten, schnellen Abläufen und langen Pausen, in denen eher wenig kommuniziert wird. Wie überall sind die Keeper damit beschäftigt, Bälle einzusammeln, sich kurz zu dehnen und bei Bedarf beim Aufbau der nächsten Übung zu helfen. Ob die Analyse später stattfindet oder heute einfach nicht im Mittelpunkt steht, ist nicht zu erkennen. Außer einer kurzen inhaltlichen Unterbrechung, in der die Torhüter sich im Dreieck Bälle zuwerfen, steht ganz klar schnelles Tauchen und Hechten in Verbindung mit Reaktionsübungen im Vordergrund. Vorweg und ohne den anderen beiden zu nahe zu treten: Hierarchie und auch sportliche Leistungsfähigkeit zeigen sich über das gesamte Training in auffälligem Maße. Das Talent eines Florian Giefers ist zu erkennen, dass er noch lange nicht ausgereift ist, allerdings auch.

Wie gesagt, es geht um Reaktion und die Holzwände werden vor das Tor getragen. Zwei Torhüter stehen hinter der Linie halbllinks und halbrechts im Tor und schießen den Ball erst locker, dann mit richtig Druck gegen die beiden Wände. Der dritte Mann ist ordentlich gefordert, bei dieser extremen Anforderung an Reflexe und Konzentration auch nur einen Bruchteil der Bälle zu halten, geschweige denn zu kontrollieren. Ab und an ist der Amateur glückselig ob der Feststellung: "Die Jungs haben im Training nicht viel weniger Aussetzer als unsereins."

Rene Adler traut seinem Rücken merklich noch nicht alles zu. Als Frage der Hierarchie oder gar Arroganz ist wohl nicht zu verstehen, wenn die Leverkusener Nr. 1 z.B. das nachfolgende Wegtragen der schweren Geräte abbricht und die beiden anderen die Aufgabe erledigen lässt. Ein Mann, der sich der Beobachtung anschließt, äußert sich bei dieser Aktion nicht so positiv über das Wesen von Rene Adler, wie es das publizierte Saubermann-Image vermuten ließe. Was soll`s, jedem seine Meinung und ich frage mich, ob dieser ständige Trainingsbeobachter Adlers Charakter womöglich so wenig beurteilen kann, wie ich selbst. Mir kommt Adler recht kollegial und entspannt vor.

Ein "interessantes" Gespräch war es trotzdem. Erste Frage: "Scout?" Antwort: "Nein, nur Eindrücke sammeln für das eigene Training, vielleicht noch einen Beitrag dazu schreiben. Mal sehen." Nächste Frage: "Wen beobachtest Du denn?" Antwort: "Wie ich sagte, ich bin kein Scout. Ich werde in zwei Jahren das Torwarttraining bei meinem Verein übernehmen und will mich dafür, aber auch für mein eigenes Spiel weiterbilden." Der nunmehr die Geselligkeit zu genießen scheinende Nachbar: "Kommt aber selten vor, dass hier jemand zu den Torhütern gucken geht. Ist doch nix zu sehen." Ich: "Das hängt davon ab, was man sehen will." Ich kann mir ein Schmunzeln kaum verkneifen, als der Klassiker-Spruch kommt: "Wat die für das bisschen Knochenverbiegen abkassieren. Da kannste mal von ausgehen, dass das beim Klopp anders zugeht." Die Konzentration gilt danach wieder dem Training. Ich bin ja nicht hier, um Anekdoten über Trainingskibitze zusammenzutragen. Die Kommentare meines Zaunnachbarn muss ich dafür überhören, um nicht ob der Realsatire mein Ziel aus den Augen zu verlieren.

Wir trennen uns, als die Torhüter zum Mannschaftstraining bzw. Abschlusstraining gerufen werden. Endlich, die Werbebande ist hier nur einen Meter hoch, der Weg schön breit und das Tor steht auch nur zweieinhalb Meter weg. Zwei Übungen werden gemacht, während ein Teil der Spieler (Ballack, Hyppiä und mehrers andere) ein langes Auslaufen beginnen. Bei der anfänglichen Flankenübung fällt nicht nur auf, wie ungeheuer schnell Fanken und Abschlüsse kommen. Die Torhüter bleiben allesamt extrem oft auf der Linie. Ob das gewollt ist, um eine Fortführung der Reaktionsübungen zu haben? Schwer zu sagen, in jedem Fall ist es auffällig, vor allem wenn der Beobachter den Vergleich mit Manuel Neuer bei ähnlichen Übungen als Maßstab nimmt.

Rüdiger Vollborn mag seine Jungs, das merkt man. Er hält sich weiterhin mit Manöverkritik sehr zurück. Höchstens mal ein "Nach vorn abdrücken.", "Hin." oder "Gut." ist zu hören. Dann einigen sich die Keeper auf eine Fünf-€-Wette, wer in der nachfolgenden Schussübung mehr Tore schluckt. Vollborn zählt die Treffer. Ich erinnere mich, dass ich das schon lange nicht mehr im Training so gehandhabt habe und werde das noch am selbigen Abend mit unserem Keeper der "Zweiten" genauso machen. Der Fokus richtet sich auf ein Wettbewerbsziel, was die Konzentration und den Leistungsdruck über ein bloßes Abwehren der Bälle hinaus wachsen lässt. Die Übung selbst bringt natürlich die Unterschiede zu Tage, um wieviel schneller hier alles zugeht. Die Position hinter dem Tor und der Versuch, meine Reaktion auf die Schüsse im Ansatz zu simulieren, scheinen Rüdiger Vollborn kurz zu amüsieren. Es entsteht eine oberflächliche Kommunikation, indem wir Blickkontakt aufnehmen, wenn ein Torwart auf einen Schuss sehr gut oder sehr schlecht reagiert hat. Schöne Sache. Und der Amateur freut sich wieder: Der Umsatz von Toren nimmt zu, alle sind bald nah an den 20 Gegentreffern. Und auffällig: Adler taucht im 1gegen1 weitaus öfter nach rechts unten als nach links. Da geht der Fuß raus.

Zwei Stunden Training sind schnell vergangen. Ich gehe zum Auto zurück. Ich hatte eigentlich geplant, den mühselig freigeräumten folgenden Vormittag beim FC-Training zu verbringen, um Michael Rensing zu beobachten. Doch das ist als "nicht öffentlich" tituliert. So überlege ich, ob ich das Bayer-Training erneut aufsuche, um andere Eindrücke zu sammeln. Der Plan sah vor, sogar noch nach Schalke zu fahren und das mit einem nachmittäglichenberuflichen Termin zu verbinden. Aber der Kunde hat Grippe und 100 km mal eben so, um mir das Neuer-Training zum fünften Mal reinzuziehen, finde ich übertrieben. Also sehe ich wohl nur einen der geplant drei Bundesligatorhüter und der direkte Vergleich muss vertagt werden. Vielleicht mache ich dafür das doppelte "Adler-Watching". Dann hieße es: Trainingsgelände Bayer Leverkusen, 21. Januar, 10:00 Uhr.

Aktualisiert: 21.01.2011 um 13:04 von nik1904

Stichworte: - Stichworte bearbeiten
Kategorien
Kategorielos

Kommentare

  1. Avatar von Paulianer
    Wow, toller Bericht! Mehr davon!
  2. Avatar von Manuel
    Macht spaß zu lesen, ist gut geschrieben.

    Immerhin bietet der Zaun genug Platz für das Objektiv und die Stäbe dienen den mit der Kälte ringenden Händen als Stativ. Wobei: Viel aufzunehmen gibt es nicht.

    Hast du auch Bilder gemacht? Wenn ja, lädst du sie noch irgendwo hoch? Schaue mir immer gerne Bilder vom Training an, auch wenns nichts super interessantes zu sehen gibt.
  3. Avatar von nik1904
    @manuel
    Ja, ich habe Aufnahmen gemacht. Ich stelle sie bei youtube rein und dann die Links im Adler-Thread. Wie gesagt, sie sind nicht so prall. Aber z.B. hinsichtlich Fußarbeit ist schon was zu sehen. Sie vermitteln schon Eindrücke.
  4. Avatar von Believer
    Klasse Bericht, nik. Wirklich schön zu lesen.
    Da ist neben den Infos schon der eine oder andere Schmunzler dabei
  5. Avatar von nombro 1
    Toller Bericht nur eine kleinigkeit ist falsch. Nicht Florian sondern Fabian Giefer.Bilder wäre echt klasse.
  6. Avatar von Luke
    Wow! Richtig toller Bericht
  7. Avatar von keeper111
    Wann denkst du kommen die Bilder bzw. das Video?
  8. Avatar von Stetti
    Toller Bericht! Schön geschrieben und sehr gut zu lesen
  9. Avatar von nik1904
    Fabian heißt er, ist richtig. Egal, Fabian, Florian und wie sie alle heißen...

    Danke für die guten Kommentare. Ich stelle die Bilder rein, aber ich habe es übers Wochenende nicht geschafft.
  10. Avatar von reneadlerfan93
    Sehr Toller Bericht, hat mir sehr gefallen!!