Einmal Berliner Hallenmeister bitte und 19 Hot Dogs.
von
am 30.01.2011 um 22:40 (14673 Hits)
Heute um kurz nach 16 Uhr war es dann soweit:
Jubelnd tanzten wir um den Wanderpokal des Berliner Hallenmeisters herum und sangen diese Lieder, die... - nun ja - man in solchen Momenten eben singt.
Aber erzählen wir mal die ganze Geschichte einer Woche, in der aus Kolleginnen ein Team geworden ist, von vorne.
Es begann am Mittwoch mit dem Training in der Halle. Es stand die letzte Woche vor dem "richtigen" Vorbereitungsbeginn an, nachdem jetzt anstrengende 10 Testspiele in 4 Wochen und fast tägliches Training auf uns zukommen. Da es unser wohl letztes "Spaßtraining" als solches war, galt es noch einen Wetteinsatz einzulösen, der nach unserer herben Niederlage auf der Weihnachtsfeier gegen das Trainergespann (noch mit dem damaligen Cheftrainer) noch ausstand. Unser Co-Trainer hatte natürlich kein Blatt vor den Mund genommen und sich sofort eine Trainingseinheit mit dem Thema "Verkehrte Welt" gewünscht. Soll heißen: Was sonst drunter getragen wird, wird drüber getragen. Und umgekehrt.
Mit etwas Überwindung und vielen Lachkrämpfen zogen wir uns also am Mittwoch um und gingen durch den Halleneingang, hinter dem unser Co-Trainer natürlich mit der "schussbereiten" Digicam stand und sich die Finger wund klickte. Er durfte bestimmt unter dem Kleidungssortiment unserer Spielerinnen drei ausgeleierte Männerbadehosen, einen Männerstring (und dabei meine ich wirklich String!), einen mit roten Rüschen besetzten schwarzen Seidenbody, zwei Oma-BHs und ein paar ausgeleierte nicht minder hässliche Strings zählen. Ja, man ist dann doch verblüfft, was manche Spielerinnen so in - nicht unbedingt ihren aber - anderen Schränken gefunden haben.
Nachdem sich die Atmosphäre etwas "abgekühlt" hatte, beendete unser Cheftrainer die Ansprache mit dem Ausblick auf das heutige Hallenmasters mit den Worten: "Und während ich hier jetzt noch die ... ähm... Aussicht genieße, wird euer Co jetzt die Erwärmung einleiten."
Dieses Training war wirklich herrlich. Bei zwei Spielerinnen rutschten die Badehosen so dermaßen, dass sie fast ständig mit zwei Händen am Hosenbund laufen mussten, um nicht blank zu ziehen - obwohl es in dem Fall natürlich nicht so schlimm gewesen wäre bei der Trainingshose.
Ein Beweisfoto haben wir natürlich auch vom Training:
Am Samstag ging es dann zum Bogenschießen als - wie sagt man so schön? - "Maßnahme des Teambuildings". Leider konnte ich dort nicht teilnehmen. Die Arbeit hat gerufen...
(Zum Bericht: http://www.ailienpoese.de/homepage/index.php?option=com_content&view=article&id=877:duelieren-mit-bogen-und-pfeil&catid=61:news-1frauen&Itemid=119]Bogenschießen - Wen es interessiert. Das soll ne tolle Sache gewesen sein, gerade in der Vorbereitung)
Anscheinend war es auch die perfekte Vorbereitung auf das Masters, wie sich im Nachhinein herausstellte.
Heute morgen ging es früh aus dem Bett. 06:50 Uhr ist wirklich viel zu früh für einen Sonntag Morgen, aber was soll man machen, wenn man sich für ein paar Spielerinnen als Taxi zur Verfügung stellt? Um 9 Uhr kamen wir pünktlich im Sportforum Schöneberg an, in dem schon traditionell seit 14 Jahren das Hallenmasters statt findet. Um den inoffiziellen Titel des "Berliner Hallenmeisters" spielten dieses Jahr mehr Teams als sonst und auch der Turniermodus wurde geändert. Die überregionalen Mannschaften waren für das Masters direkt qualifiziert (in Berlin sind es 5 Regionalligisten und zwei Teams aus der 2. Bundesliga), während sich die Mannschaften aus der Berlin-Liga bis Bezirksliga durch Qualifikationsturniere kämpfen mussten. Die Teilnehmer wurden bereits letzte Woche in den Hallenendrunden ausgespielt. Einige Überraschungen erwarteten auch uns, als wir das Programmheft vornahmen. Unsere Gruppe war allerdings die gleiche geblieben. Am Mittwoch hatten wir sie noch stimmungsvoll als "Todesgruppe" betitelt, weil mit einem sehr guten Konkurrenten aus der Regionalliga, gegen den wir eine Niederlage erwarteten, und zwei "Wundertüten-Teams" keine angenehmen Gegner aufgelistet waren.
Zwar begann der Spaß schon um 10 Uhr, allerdings dauerte es knapp 45 Minuten, ehe wir auf der Tribüne - quasi die Mitleidenden Fans, entweder verletzt oder nicht aufgestellt - das erste Spiel unseres Teams sehen konnten. Und gleich im ersten Spiel trafen wir ausgerechnet auf unseren Regionalligakonkurrenten. Das Ganze stand insofern unter schlechten Vorzeichen, als dass wir eine klassische Turniermannschaft sind. Am Anfang pfui und am Ende hui. Da ist es nicht förderlich, wenn man gleich den härtesten Test in den ersten 12 Minuten hat. Doch zu unserem großen Erstaunen auf der Tribüne schafften wir ein umkämpftes Spiel, in dem vor allem der Einsatz stimmte, das aber keine spielerischen Höhepunkte hatte, mit 1:0 für uns zu entscheiden. Und seltsamerweise lief die Vorrunde weiter wie am Schnürchen. Hatten wir auf der Tribüne einen kleinen Einbruch erwartet, so folgte im nächsten Spiel ein schon besser herausgespielter 2:0 Sieg gegen ein Team, das sonst immer das Schreckensgespenst des Masters für die überregionalen Teams spielt und letztes Jahr auch im Finale knapp scheiterte. Erst im letzten Spiel der Vorrunde gaben wir uns ein wenig die Blöße, als wir gegen meine Ex-Mannschaft aus der Bezirksliga nur 1:1 spielten. Aber da die Qualifikation für das Viertelfinale und der 1. Platz schon vorher feststanden, ist das auch zu verschmerzen.
Im Viertelfinale hatten wir mit einer Regionalligamannschaft eigentlich ein vermeintlich leichtes "Los" gezogen, da es sich hierbei um TeBe II handelte. Dieses Team ist zwar letztes Jahr aufgestiegen in die Regio, ist aber jetzt sehr ersatzgeschwächt, da TeBe I nach ihrem Abstieg aus der Bundesliga ein wenig ausverkauft wurde und das halbe Team der Reserve nun hochgezogen wurde. Sprich: Sie kämpfen sich jetzt irgendwie durch die Regionalliga und versuchen in den Spielen nicht ihre Ehre zu verlieren. Eigentlich ein sehr machbares Spiel. Doch wir taten uns schwer, unterschätzten vielleicht den Gegner auch und fingen uns durch einen Torwartfehler in der letzten Minute noch das Gegentor zum 1:1. Also musste im 9-Meter-Schießen das Glück herhalten. Es war uns an diesem Tag treu, so viel sei gesagt. Ich freute mich vor allem, dass meine Kollegin ihren Fehler zum 1:1 in Form von 2 gehaltenen Bällen im Entscheidungsschießen wieder "egalisieren" konnte und wir trotz allem das Halbfinale erreichten.
Scheinbar hat die Glücksfee gestern Abend mit unserem Mannschaftsfoto unter dem Kopfkissen geschlafen, denn auch hier bekamen wir ein "Traumlos". Zwar hatten wir mit dem Adlershofer BC 08 eine gute Truppe vor der Nase auch mit Regionalligaerfahrung, aber eigentlich sprachen die Vorzeichen auch spielerisch klar für uns. Ein guter Sturm ist nicht alles. Hier konnten wir relativ souverän spielen. Es gab natürlich Situationen, in denen mir auf der Bank Angst und Bange wurde und mein Adrenalinspiegel erreichte wieder einmal einen nicht für möglich gehaltenen Spitzenwert, aber letztendlich zogen wir verdient mit 1:0 oder 2:0 (?) ins Finale ein.
Der richtige Brocken wartete jetzt auf uns. Der 1. FC Lübars, Kooperationsverein von Hertha (sie spielen quasi in Hertha-Trikots und werden finanziell unterstützt) und Bundesligist aus der 2. Bundesliga (aktuell 5.), wartete auf uns. Warum diese ganzen Beschreibungen? Weil es genau das war, was mir vor dem Finale durch den Kopf ging. Aber in der Halle ist vieles möglich - auch das durfte wahrscheinlich schon jeder Fußballer erfahren.
Ganz zittrig vor Aufregungen erwarteten wir den Anpfiff. Die 12 Minuten danach waren der pure Horror und ein Gemisch aus Aufspringen, Schreien, Fluchen, Hoffen, Augen zu halten, Händchen halten und Einschlagen. Letzteres geschah in der letzten Sekunde des Spiels. Wir hatten uns mit einer sehr guten und vor allem geschlossenen Defensivleistung und manchen Offensivausflügen ein 0:0 erkämpft/erspielt und durften nun noch einmal auf unser Glück hoffen.
Ihr kennt die Sprüche, die in so einer Situation kommen. "Das ist alles nur Zugabe." "Überhaupt bis hierhin! Das hätte doch keiner gedacht!" "Wir haben nichts zu verlieren..."
Aber im Ernst? Jetzt wollten wir das Ding auch! Und das Entscheidungsschießen hielt wirklich alles bereit, was man an Spannung so aufbieten kann. Die ersten zwei Schützen von beiden Seiten trafen. Doch leider verschossen unsere nächsten beiden Unioner, so dass der 1. FC Lübars die Kiste hätte zumachen können mit dem nächsten Treffer. Und es kam, wie es kommen musste heute: Sie verschoss. Unsere nächste Schützing verwandelte, so dass es jetzt hieß: "Hälst du den, sind wir weiter im Spiel." Und meine Kollegin hat ihn gehalten.
Als nächstes trat unsere jüngste Schützin an und verwandelte eiskalt mit zu Hilfenahme des Innenpfostens. Nun lag es an Lübars gleichzuziehen und eben das gelang nicht. So stand es um kurz nach 16 Uhr fest: Der 1. FC Union I gewinnt den Titel des Berliner Hallenmeisters. Die nächste halbe Stunde verbrachten alle mit tanzen, singen, weinen und natürlich nach der Siegerehrung mit Siegerfotos und der obligatorischen Sektdusche für Trainer und Co-Trainer - die Hallenwärte werden sich nicht gefreut haben über die Sektlachen auf dem Parkett. So viel konnte das Shirt unseres Co-Trainers nun einmal nicht aufsaugen.
So sehen am Ende die frisch gebackenen Sieger aus. Es war ein enorm wichtiger Schritt für das Team und quasi der Schulterstoß zwischen dem neuen Trainer, der Mannschaft und den Spielerinnen untereinander. Im Finale hatte man dieses tolle Gefühl, wenn man nach unten aufs Parkett sah, dass dort ein Team stand, das nur dieses Ziel im Kopf hat. Bezeichnend dafür ist wohl, dass der Trainer in der hektischen Phase des Spiels der Ersatzspielerin für das Turnier (9. Feldspielerin) das Vertrauen schenkte und sie für einen langen Einsatz aufs Feld schickte.
Also es war wichtig, sehr wichtig. Und der Gedanke an diese neugewonnenen Erfahrungen für das Team tröstet auch ein wenig darüber hinweg, dass man in so einem Herzschlag-Turnier dann eben "nur dabei" war und nicht "mittendrin".
Am Ende will ich euch natürlich nicht die beste Aktion des Tages vorenthalten. Sie fand - erstaunlicherweise - nicht auf dem Feld statt, sondern ein paar Autominuten entfernt von der Halle. In einer spontanen Aktion hatten gestern vier verletzte Spielerinnen beschlossen, sich um die Versorgung des "mitgereisten Anhangs" (also uns). So fuhren sie kurz nach 13 Uhr mit einem großen Korb und einer Einkaufsliste zu IKEA.
Vor Ort an der Kasse zückte dann eine Spielerin ihre EC-Karte. Sofort kam natürlich von der Kassiererin," Entschuldigung, aber EC-Zahlungen erst ab 5 €."
"Keine Sorge, das kriegen wir hin! Wir hätten gerne 19 Hotdogs."
Ich kann mir wirklich nur ausmalen, welchen Gesichtsausdruck nun die Kassiererin hatte.
Kurz vor dem Halbfinale kamen also zwei Union-Spielerinnen mit einem Korb voller Hot-Dogs, übereinander gestapelt, in die Halle getippelt und dann wurde ausgeteilt.
Die Zuschauer um uns herum müssen uns wahrscheinlich für verrückt erklärt haben.