Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer
Attacke? Rückzug? Ach, alles Käse...
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am 13.04.2011 um 10:22 (10771 Hits)
"Vertraue nicht dem Schwert, sondern der Hand die es führt!"
Ein Spruch, dem soviel Weisheit entspringt und doch für viele so unverständlich ist. Er kommt aus dem alten Asien, die genauen Ursprünge sind nicht bekannt - bekannt geworden ist er aber als das Geheimnis des Stahls im Film Conan, der Barbar.
Es geht also nicht darum, wer das längere Schwert hat, den besseren Stahl besitzt oder den tolleren Schmiedemeister hat, es geht nicht um die Materie des toten Stahls, sondern um das, was diesen Stahl zum Leben erweckt. Es ist nicht der Glaube an die Macht des Schwerts, die darin entspringt... es ist der Glaube an sich selbst, als die Person, die das Schwert nun in Händen hält. Denn mag das Schwert noch so toll, noch so lang, noch so scharf und von noch so aussergewöhnlicher Qualität sein - wenn derjenige der es in Händen hält, damit nicht umgehen kann, dann ist alles vergebens und diese Person könnte ebenso mit einem simplen Holzstock fechten, es wäre das gleiche Ergebnis.
Ein Meister der Schwertkunst aber, könnte mit einem Essstäbchen gegen einen anderen mit Schwert antreten und würde diesen bezwingen, es ist also nicht der "Stahl" der entscheidend ist, sondern es ist die "Hand die den Stahl führt".
Somit ist das Vertrauen in sich selbst und in die eigenen Fähigkeiten oft wichtiger, als alles Vertrauen in Material und andere Ausrüstung... dieses Geheimnis des Stahls ist leider noch heute vielen verborgen, doch wer es kennt und versteht, sieht auch den Film "Conan" mit anderen Augen und einem sehr leisen Grinsen.
Gestern Abend... Training auf dem Oberstedtener Kartoffelacker. Mann, Mann, Mann... der Platz, für zig tausend Euro im letzten Sommer erst neu gemacht, ist jetzt vielleicht flächig in der Ebene, doch die Ebene des Platzes spottet jeder Beschreibung. Ein Huckel jagd den anderen, eine Bodenwelle folgt der anderen... letztendlich ist es eine unebene Ebene, die an die "Qualität" des Platzes vor der Investition der Neuanlage nicht nur heranreicht, sondern diesen Übertrifft, in negativer Beziehung...
So hoppeln die Bälle über den spärlichen Rasen und vor dem Tor ist ein Gemenge aus Lehm und Sand, daß man Knöcheltief bald einsinkt...
Nun, auf diesem Platz findet also Training statt.. es ist dabei schon immer halbes Reaktionstraining, wenn man eigentlich flache Bälle machen möchte, die sich dann aber wie Aufsetzer verhalten und just vor den Händen des Torwart plötzlich hochspringen und über den verdutzten Torwart hinweg springen.
Technik kann man so nur schwer perfektionieren, da der Torwart sich hier Dinge angewöhnt, die alles sind, nur nicht wirklich sinnvoll und passend.
Doch gestern sorgte so ein 'Springball' dann für das absolute Highlight einer recht durchwachsenen Rückrunde, mit auch nicht immer absoluten Top-Leistungen meines Torhüters.
Es war Abschlussspiel, eigentlich nichts besonderes, doch mein Torwart war durch die Spielweise der eigenen Mannschaft schon wieder ein wenig angefressen, und das ist dann immer der Punkt, wo die Konzentration nach läßt, weil der Kopf nicht mehr frei ist. Die Lockerheit fehlt...
Es ist so ein Allerweltsball vor die Füsse des Torwarts. Nichts wirklich schlimmes, nichts wirklich bedrohliches... kein Knaller, kein Rückpass... ein gerader Ball, eben kein Roller aber auch kein Schuss... ein Ball mit etwas Zug, aber nichts, was eine Herausforderung darstellt.
Mein Torwart macht den Schritt auf den Ball zu, nimmt den Ball mit beiden Händen vor den Füssen an und bricht zusammen.
Der Ball war just vor seinen Händen durch die Bodenwelle versprungen und hatte seinen Finger verdreht und ausgekugelt...
Also, Trainingsabbruch, rasch duschen.
Ich helfe meinem Torwart beim entkleiden, der vor lauter Schmerzen kaum mehr die Hand benutzen kann. Das nächst gelegene Krankenhaus welches sich gut auskennt ist die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in Frankfurt Seckbach. Also hin... die Aufnahme ist kurz: Da keine Blutung, keine Verfärbung, keine Dringlichkeit - Wartezeit ca. 2 bis 3 Stunden. Na, prima.
Jetzt am nächsten Morgen der Befund.
Herzlichen Glückwunsch.
Eine Torsionssplitterfraktur, Basisgelenk ausgekugelt und Sprengung der Gelenkpfanne mit Kapsel.
Hurra. Alles kaputt, was kaputt gehen kann.
Nein, ich beginne jetzt nicht über Fingerschutzsysteme nachzudenken, denn diese schützen vielleicht vor dem Auskugeln durch geradlinige Bewegungen, nicht aber eben vor Verletzungen die durch Verdrehen passieren. Aber vielleicht wäre es nicht so schlimm gewesen, mutmaßen andere... nein, es wäre nicht so schlimm gewesen, wäre mein torwart locker und im Fokus gewesen, der Kopf frei gewesen und er wäre mit der nötigen Konzentration und nötigen Selbstsicherheit zum Ball gegangen.
So war es eine Fehleinschätzung, mit dem Kopf schon beim Abwurf... doch auf dem Platz muss man doppelte Vorsicht walten lassen. Das Spiel hier mutwillig schnell machen, heißt dann: Verletzungsrisiko maximieren.
Der Platz fordert seinen Tribut, weil man entsprechend vorsichtig agieren muss, muss immer möglichst 100% sicher gehen... doch dies funktioniert bei schnellen Trainingseinheiten auf kurzen Distanzen nicht immer. Muskelfaserrisse oder Zerrungen sind es dann bei den Spielern, die in der Hecktik im Boden hängen bleiben, oder über/unter dem Ball vorbei treten und damit Überlastungseffekte generieren.
Für schnelles Spiel ist der Platz etwas, der Fussballer umbringt, weil er einfach zu viele Ballfehler verursacht, die in der Hektik dann zu Verletzungen führen.
So gestern nun bei meinem Torwart geschehen, der in der Hektik anstelle mit dem tiefen Umarmungsgriff die eher aufrechte Variante wählte und bitter bestraft wurde...
Die Saison ist für Ihn gelaufen. Wenn er einen Termin bekommt, dann wird er noch diese Woche operiert, falls nicht, dann steht sein Termin am Montag.
Es wird wahrscheinlich der kleine Finger mit Drahtstiften fixiert und der Bruch so ruhig gestellt. Auch die Fraktur an der Gelenkpfanne muss sich der Chirurg ansehen, falls diese überhaupt vorhanden ist, bisher eine Mutmaßung.
Trotzdem: 5-6 Wochen ist das mindeste... damit geht eine der Stützen der Mannschaft, ein Ruhepol der Abwehr vorzeitig in die Sommerpause...
Das alles wäre nun vielleicht nicht so tragisch - wenn es einen Ersatztorwart gäbe. Fakt ist, daß die beiden Torleute der Reserve nie im Training sind. Der eine könnte definitv Konkurrenz sein, wenn er trainieren würde, aber er tut es nicht und sein Talent reicht für die B-Klasse so oder so. Der andere, schweigen wir lieber.. da haben viele E-Jugend Torleute allein technische Überlegenheit.
Der einzige der nun in Frage kommt ist der Torwart der A-Jugend... diese ringt um den Klassenerhalt, so daß man sicherlich dort auf diesen wertvollen Rückhalt nicht verzichten möchte.. der Verein ist in der Zwickmühle...
Und ich als TwT habe seit gestern ein paar Sorgenfalten und graue Haare mehr. Denn den jungen Torwart mitten in den Aufstiegskampf mit Aussicht auf die Aufstiegsrelegation schicken ist eben ein Vabanque Spiel - all in wie man beim Poker zu sagen pflegt, alles oder nichts...
Sicher, der Junge ist gut, sicher, er hat Qualität... doch die Jungs der ersten Mannschaft sind ein anderes Kaliber, als er es bisher gewohnt ist. Im Training, daß ist ok... doch die Spielerfahrung, daß Zusammenspiel... es fehlt.
auch die Gegner sind anders. Das sind abgew.chste Hasen dabei, einst Oberliga, heute Bezirksliga - tschuldigung Kreisoberliga - die da auch mal beim Freistoß die alte Klasse blitzen lassen. Das ist einfach anders als Jugend...
Doch was bleibt für eine andere Wahl? Wahrscheinlich keine...
6 Spiele noch.... auch ich muss jetzt an Grenzen gehen. Das Risiko? Ich darf gar nicht daran denken.