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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Du bist nicht dort, weil Du da nicht hingehörst, Du bist dort, weil nur du da sein ka

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Plandampf 2010 - Ostern - Bahnbetriebswerk Trier
Die Anreise am Rhein hinauf, bis nach Koblenz war locker. Im Schlepp der großen Schnellzuglok ging das Ratz-Fatz und immer mal mit etwas Schmierdampf war es auch eher Fensterschauen und Ausflug, als wirklich Erbringen einer nötigen Zugkraft.
Doch nun ist das anders. Plandampf - das heißt Museumsdampflokomotiven übernehmen die Zugleistungen von Zügen, die normalerweise mit Elektrolokomotiven, Diesellokomotiven oder Triebzügen erledigt werden. Die Strecke von Trier Hbf nach Gerolstein steigt ab Ehrang kontinuierlich an. Es geht zwar nicht strack bergauf, aber man kann eben nicht kullern lassen - man muss Zugkraft erbringen.
Ich bin nun schon länger dabei, habe ein wenig Erfahrung und trotzdem: Die Lok kam frisch aus der Untersuchung, nicht alles funktionierte so, wie es sein sollte... aber wir waren einsatzfähig. Und trotzdem: Ich zweifelte. Ich war definitiv allein, allein mit der Maschine, den Kohlen und meinem Lokführer. Mein Gegner, die unbarmherzig tickende Uhr, der straffe Fahrplan, die anspruchsvolle Stecke und eben meine Zweifel.. Zweifel daran, daß ich keinen Fehler machen wollte, daß ich Angst davor hatte, einen Fehler zu machen, daß wir mit 120 zahlenden Fahrgästen, die Anschlüsse und Verbindungen bekommen müssen, irgendwo liegen bleiben - Dampf machen müssen, um wieder weiter zu kommen, weil ich es als Heizer nicht gebacken bekommen habe, genug Dampf für die Fahrt dem Kessel zu entlocken.
Schlicht gesagt, ich roch streng und hatte mehr als einen dunklen Streifen in der Hose! Ich hatte Schiss!
So fuhren wir an den Zug, hängten an und kamen, wie der Teufel es so will, mit rund 4 Minuten Verspätung erst weg. Hölle... Vorbei am Bw und ich bagger schon mal was in die Kiste. Ehrang raus und es geht bergauf. Ich füttere den Bock, lieber eine Schippe mehr, als eine zu wenig. Lieber zuviel Dampf, als zu wenig, wenn zuviel, dann wird das in die Heizung gedrückt.
Mann, es geht gut, aber ich bin einfach total übermotiviert, ich hänge an der Nadel des Druckanzeigers und der Kessel ist ständig mit TopWasserstand. Nein, Probleme gibt es nicht... Wir röhren bergauf wie von tausend Teufeln gejagt.

Temperatur des Dampfes, absolut im Top Bereich, die Maschine frisst die schwarzen Steine wie ich Wasser weghaue. Schon im ersten Tunnel knallen die Sicherheitsventile, die vier Schippen waren doch zuviel. Der Lärm ist Ohrenbetäubend, mit einem Fiepen im Ohr geht es wieder ins Freie, die Lok beruhigt sich langsam. Doch nahezu an jedem Bahnhof lärmen die Sicherheitsventile und mein Wasser ist so hoch im Kessel, ich kann den Druck nicht abfangen. Und so kommen wir in Gerolstein an, zwar nicht mehr mit "Dicken Backen", aber mit Spitzendruck und einem Zeitguthaben von über 5 Minuten. Sprich: Wir waren besser als der Planzug, waren schneller. Kein Deut von versagen, Dampf kochen oder ähnliches. Vielleicht war es nicht perfekt - aber Dampf hatten wir im Überfluss und sogar in den stracken Steigungsstücken produzierte der Kessel mehr Dampf, als der Lokführer verfahren konnte. Am Abend genoss ich eine auf dem Kessel aufgewärmte Suppe, war mit mir zufrieden... und ich fragte mich, warum ich eigentlich vorher so gezweifelt hatte... den der Zweifel, der machte, daß ich zuviel des Guten tat. Das war zwar nicht schlimm, aber unnötig.

Kennt Ihr das auch? Diese Situationen, wo man sich im Vorfeld fragt, ob man überhaupt wo hingehört, ob man überhaupt die Sache packt?
Dabei ist es doch so, daß wir meist gestellt werden. Sprich wir kommen eigentlich gar nicht und wenn dann ganz selten in Situationen, die wir nicht meistern können. Eigentlich werden wir ausgewählt und nur Situationen ausgesetzt, wo andere über uns befinden und diese sich sicher sind, daß wir der Sache gewachsen sind....
Daran müssen wir Torleute im Tor immer denken. Keiner würde zwischen den Pfosten in einem Spiel stehen, wo es um so viel geht, vielleicht um alles, wenn sich nicht Trainer und Torwarttrainer, Rat und Ausschuss nicht sicher wären, daß genau wir der richtige sind, für diese Aufgabe. Man hat sich für uns entschieden, wir haben also schon überzeugt, wir haben also schon den Beweis erbracht... wir müssen uns daher eigentlich keine Sorgen machen, im Gegenteil: Wir sind da, weil wir genau da hingehören - Sicher!

Und trotzdem, es ist uns selten bewußt. Noch vor Wochen haben wir wunderbaren Fussball gespielt im Team und plötzlich verlieren wir Spiele, die wir Null und Nicht hätten verlieren müssen.
Der Gegner hat zwei Chancen, macht 2 Tore und wir haben 6 Chancen und machen nicht ein Tor. Die Fehlpassquote, es ist erschreckend...
Gestern dann Krisengespräch... die Frage, was man tun kann, weil die Fitness ist es nicht, schlicht es ist der Kopp. Es ist dieses riechen und Streifen haben... Wir kommen nicht mit der Situation klar - doch wir erkennen eben nicht, daß wir dort sind, weil wir dort hingehören. Wir haben es geschafft, weil wir es bewiesen haben, wir müssen es daher nicht beweisen und belegen...
Und trotzdem: Es gelingt nicht.
Plötzlich wird mir gewahr, daß wir vor Jahren in der Fortbildung Übungsleiter Breitensport ein wunderbares Wochenende am Edersee hatten. Teambuilding war das Thema.
Es wurde eine Zerreisprobe für das Team und wir als Gruppe stellten fest: Viele sind zu egozentrisch, als das hier jemand wirklich etwas mitnimmt.
Doch in mir wekcte genau dieses Wochenende so viel... so viel, daß ich gestern erstmalig in diese Kiste griff. Kennt Ihr Teambuildung Sachen?
Logisch, dieses einander anseilen, oder gemeinsam durch ein Spinnennetz kriechen, daß kennt jeder aus den typischen Manager Events... doch worum geht es? Genau das war für mich Edersee. Die Einsicht, daß ein Team auch Grenzen hat und eben auch Grenzen erkennen muss, für sich selbst. Ein Team muss lernen, daß es aber auch Grenzen hat, gerade Teammitglieder betreffend, die unantastbar sind, soll das Team bestehen bleibnen. Ein Team muss lernen, gemeinsam zu denken, gemeinsam zu handeln und gemeinsam Beschlüsse und Entscheidungen zu treffen. Oft muss ein Team aber auch sich auf bestimmte Personen einigen, die dann Leistung erbringen und ein Team muss ebenso lernen, Schwächere und vielleicht derzeit eher unwichtige Teammitglieder mitzunehmen, ggf. zu tragen, möchte man gemeinsam großes erreichen.
Edersee war also für mich eine Erfahrung, zu mir selbst, und zum Mannschaftssport.
So kam die Krisensitzung plötzlich, aber ich war auch hier nicht unvorbereitet und diesmal fühlte ich mich nicht deplatziert, ja ich spürte auf einmal: Das ist genau dein Ding!
Da die Mannschaft beschloss, lieber Karten zu spielen, griff ich mir die Torleute. Kartenspielen hat leider nichts mit Team zu tun, denn hier muss, gerade bei bestimmten Spielen, jeder für Sich allein da sein. Keiner spielt mit und für den anderen, sondern jeder ist seines Glückes Schmied. Nichts also, was vielleicht das Team voran bringt, ausser, daß es ein paar Momente Spaß hatte.
Doch ich wollte und wußte mehr.
Also habe ich mir meine Torleute geschnappt, einen Reifen, eine Flasche und eine Stange. Drei Torleute, ideal, eine Aufgabe.
Eine simple Aufgabe und Sie muss gelöst werden. Nachdem die ersten Ideen gekommen sind, mache ich es wie mein Lehrer Bernd Sommerfeld auf dem Camp am Edersee! Ich lege die Stange hin, nehme die Bierflasche und stelle diese hin sagte trocken: "und ich weiß, daß Ihr das schafft."
Das Team aus drei Torleuten ist verunsichert, es experiementiert, doch es findet keine Lösung. Nach über 30 Minuten breche ich die Experiemente ab und verrate die Lösung. Ja, man erreicht mein Ziel und ja, man übertrifft es sogar. Doch das Team will nun mehr.. eine simple Aufgabe, drei Leute: Plötzlich wollen alle das eine, mehr! Motivation ist da...
Doch nun kommt die zweite Lehre: Das Team lernt, daß es Grenzen hat. Diese können nur geändert werden, wenn man das Team ändert. Ansonsten ist man jetzt an einem deutlichen und sichtbaren Limit und so sehr man möchte: Es geht nicht mehr...
Hier muss man sich nun zusammen reißen.
Ich habe später eine zweite aufgabe und die drei Torleute, sie sind sofort da, entwickeln sofort Gruppendynamik und gemeinsames Denken... Sie sind angestochen... Sie sind geweckt.
Plötzlich spüre ich, daß ich mehr kann und mehr bin, als bloß der Tw Trainer. Ich habe Erfahrung und kann Dinge, die so kaum einer Kennt, die so kaum jemand tut und macht. Auch ich bin plötzlich über mich hinaus gewachsen. Ohne es zu merken oder zu wissen, bin ich zu Dingen in der Lage, an die ich nicht wirklich glaubte...
Und mehr noch: Ich spüre, daß ich ganz genau da hin gehöre!!!
Sicher, der Trainer z.B. hat nicht verstanden was wir getan haben, ich bin belächelt worden. Keiner bemerkte, daß ich weit über den 'normalen' Job hinaus geschossen bin und Dinge in diesem Moment tat, die weit weit hinter dem Horizont liegen... aber ich tat es trotzdem, entgegen dem Spott.
Es wird für mich also ein Ende haben im Sommer. Und es wird keine Schmerzen und keine Trauer geben. Denn wenn man schon in diesem Moment nicht erkennt, was ich gerade tue, erkennt auch nicht das, was ich bewirke, wenn ich den 'normalen' Job mache.
Nein ein Held bin ich nicht, aber ich war zum ersten Mal richtig zufrieden und ruhig, ich hatte etwas bewegt, wirklich bewegt.
Ich hätte in diesem Moment so viel der Mannschaft geben können, doch diese wollte nicht - also spielen die Karten und ich... ich stoße auf zu neuen Herausforderungen und Horizonten.
Nicht weil ich diesen nicht gewachsen bin, sondern weil ich genau dort hingehöre.. nicht weil ich es entschieden habe, sondern weil ich erwählt wurde.

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