leise Gedanken- eine glückliche Liebe und der Appell an mehr Verständnis
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am 19.08.2011 um 22:44 (14999 Hits)
Es ist Freitag Abend, die Arbeitswoche ist vorbei und nun beginnt die eigentliche Freizeit. Ich sitze nun friedlich zu Hause, doch zufrieden bin ich damit nicht. Aber vielleicht sollte man doch zufrieden sein. Doch die Woche war schwer. Sie hat Kraft gekostet und mir auch weh getan, zumindest emotional.
An sich geht es mir doch so weit gut. Ich habe einen guten Job mit einem guten Einkommen, bin glücklich vergeben und doch gesund. Gut, vielleicht sollten noch ein paar Pfunde abtrainiert werden, aber das ist nicht der Grund, warum ich mich eben nicht so gut fühle.
Der Grund bin ich selber, könnte man so sagen. Ich bin einfach nicht zufrieden mit dem was ich habe. Viele sagen jetzt vielleicht, dass ich doch alles notwendige für ein glückliches Leben habe und es daher unverständlich ist, dass ich so selten mit einem Lächeln auftauche. Ich werde als seltsam beschrieben, als dumm bezeichnet, jemand der im Kopf nicht klar ist. Ja, vielleicht haben sie damit alle auch recht. Es wäre egoistisch und falsch, wenn ich nach dem Training oder Spiel nach wenigen Minuten wieder das Gelände verlasse. Warum ich eigentlich selten ein Bier dort trinke, werde ich auch gefragt.
Nun, ich handele nur aus Liebe, aus Liebe zum Sport. Ich bin kein Bundesliga- Keeper, im Verein noch nicht einmal die Nummer 1 und dennoch liebe ich den Fußball mehr als alles andere und auch mehr als mich selbst. Der Fußball prägt mich und mein Leben und ich habe schon so viel erlebt.
Die wirklichen Triumphe kann ich vielleicht sogar an einer Hand abzählen. Denn was sind denn am Ende gewonnene Titel und Pokale wert? Was ist eigentlich ein wahrer Triumph und was ist Erfolg? Nur, was sind denn dann bitteschön Niederlagen?
Für den Fußballer scheint die Frage ganz schnell und ganz leicht beantwortet zu sein. Man hat Erfolg wenn man triumphiert und Siege erringt. Ein verlorenes Spiel bedeutet ein Niederlage. Eigentlich doch eine klare Geschichte, oder?
Nein, es ist alles anders. Zumindest für einen Menschen wie mich. Nein, ich bin nicht der absolut Einzigartige und keineswegs eine Ikone. Vielmehr sehe ich mich selbst als Antiheld, dem totalen Gegenentwurf zu dem, was hier als erfolgreich und mit der Welt im Reinen gilt. Ich nehme die Rolle eines anders Denkenden ein und habe diese Rolle vielleicht auch ein wenig schätzen gelernt. Dennoch, ein Revoluzzer bin ich keineswegs. Höchstens bin ich ein Schauspieler.
Ich gebe den Menschen meist das, was sie von mir sehen wollen. Sie sehen in mir einen Querdenker, einen Menschen, der irgendwie nicht ganz vernünftig im Kopf ist. Oder warum ist denn ein Mensch so blöd und stellt sich gegen die Meinung einer gesamten Mannschaft und verlässt die gemütlichen Runden eher als alle anderen? Plausible Erklärungen kann es doch dafür nie im Leben geben, oder? Warum ist dieser Kerl dahinten im Tor immer in Rage? Warum schreit er? Warm gibt er immer wieder Anweisungen, die für die meisten doch nur Blödsinn sind, weil die Mitspieler doch immer alles im Griff haben?
Die Antwort, ist simpel, doch entbehrt schier alles logischen Denkens: Er macht es, bzw. ich tue dies nur aus Liebe, aus Liebe zu dem Spiel. Denn der Fußball bedeutet für mich Therapie und Freiheit in einem. Du gehst auf dem Platz und kennst deine Aufgabe, doch gibt es unendlich viele Lösungswege, die so vielfältig wie das Leben selbst sind. Du fliegst um den Ball zu erreichen, bist tatsächlich schwerelos und das nicht nur in der Wahrnehmung, dass du tatsächlich ohne Bodenkontakt die durch die Lüfte bewegst. Just in diesem Moment gibt es nur noch die und dein Ziel, das Ziel, den Ball zu erreichen. In diesem Moment ist es total egal, wer du bist. Und in diesem Moment ist es bedeutungslos, wer du bist oder wer du früher warst. Dann will niemand von dir wissen, wie deine Kindheit war, oder wie du dich gerade fühlst. Du musst für diesen kurzen Augenblick nicht über dein Leben nachdenken. Auch deine Krankheit wird endlich bedeutungslos.
Dieses Gefühl ist endlich wieder eines der schon raren positiven Gefühle. Die Freiheit, die du spürst, lässt dich innerlich lächeln. Genau aus diesem Grund mache ich es immer wieder. Ich fliege meiner Krankheit und mir selber davon. In diesem Moment kann ich ich selbst sein , ohne schauspielern zu müssen.
Es ist für einen Menschen mit Depression nicht unbedingt einfach, ein gutes und normales Leben zu führen. Aber dabei ist es für mich unerheblich wie es dazu gekommen ist und dass es überhaupt so ist. Deswegen bin ich doch auch kein minderwertiger Mensch. Auch bin ich deswegen nicht schlechter als andere. In einer Mannschaft will man immer 11 richtige starke Spieler oder Spielerinnen haben. Oft habe ich auch von Fans gehört, dass wir nicht wie Jammerlappen wie Deisler oder Enke über den Platz laufen sollen, denn diese waren schlicht zu schwach, wie es dann oft heißt. Nichts davon ist wahr! Diese Spieler haben immer alles für den Sport und für die Mannschaft getan. Sie haben ihre eigenes Befinden unter das der Mannschaftskameraden geordnet und sie waren depressiv aber dennoch Leistungsträger. Sie waren weder Weicheier noch Jammerlappen oder sonst irgendetwas, denn wir sind alle Menschen, und das ohne wenn und aber. Ich möchte mich nicht hinter der Depression als Krankheit verstecken, denn ich möchte genauso leben wie alle anderen auch und das möchte jeder depressive Mensch. Keiner, egal mit welchen Problemen oder Krankheiten ist ein schlechter Mensch. Letztendlich gelten Menschen mit psychischen Erkrankungen nur als "verrückt", weil die meisten damit nicht umzugehen wissen.
Auch ich habe lange gebraucht um mir meine Krankheit einzugestehen, weil ich damit weder umgehen konnte noch wollte. Doch nun ist es ein Teil von mir und ich gebe mein bestes um ein gutes Leben zu führen, auch wenn ich auch Hilfe dabei in gewisser Hinsicht angewiesen bin. Ich möchte hier kein Mitleid, denn ich bin genauso ein Mensch wie alle anderen auch. Ich möchte nur ein wenig Verständnis dafür, dass wir vielleicht mit sensibleren Augen gesehen möchten, aber dennoch genauso sind wie alle anderen auch, eben nur mit etwas weniger Licht und Freude im eigenen Leben.
Um dieses Leben dennoch genauso führen zu können, benötige ich meine Liebe zum Fußball, da ich hierbei meinen Schmerz ganz kurz vergessen kann. Auch wenn der Fußball viel verlangt, hält er mich gut am Leben.
Man könnte mir alles nehmen außer dem Fußball, denn dann würde man mich meiner Existenzgrundlage berauben. Ich verhalte mich so wie ich mich verhalte, damit ich meine Liebe im Herzen behalten kann und somit mich auch am Leben halten kann, denn die Liebe und der Glaube daran kann Berge versetzen.
Ich möchte damit nur für ein wenig mehr Menschlichkeit werben und hoffe, dass man meine kleinen und leisen Gedanken auch ein wenig nachvollziehen kann. Vielleicht helfen diese Zeilen dem ein oder anderen.