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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Die Nummer Eins - und trotzdem das Letzte

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Es ist schon ein Kreuz mit der Nummer Eins. Er ist der Erstgenannte der Mannschaft, trägt das Trikot mit der ersten Nummer spielt wie kein anderer das Spiel, ist Anfang und zumeist Ende eines Spielzuges - der Torwart.
Und trotzdem, oft wird er behandelt wie das Letzte - oft Allerletzte.
Der Sturm versiebt 20 Großchancen, verschießt vielleicht noch einen Strafstoß - und trotzdem: Da sagt keiner, daß der Stürmer was falsch gemacht hat oder wird angebrüllt.
Der Torwart, er bekommt im ganzen Spiel nicht einen einzigen Ball, sägt dann unglücklich über einen Rückpass drüber oder der Ball versprengt und plötzlich ist er der Volldepp. Ja, schlimmer noch: Er hält 89 Minuten wie ein Gott, spielt das Spiel seines Lebens und in der 90. Minute kommt er ein Stück zu spät raus, wird umspitzelt und bekommt das Gegentor - verloren 0:1... da darf man oft nicht mehr hinhören, was nun alles kritisiert wird und was nun überall die Schuld gesucht und dem Torwart zugeschoben wird. Es kann sogar in der Jugend passieren, daß er sogar auf dem Spielfeld noch dermaßen angebrüllt und nieder gemacht wird, daß es raucht!
Am Ende wird die Mannschaft abgeklatscht, alle motiviert und aufgebaut - der Torwart, weil er nun als Letzter vom Spielfeld trottet, er geht oft vergessen. Ein Spitzenparade ist eine Selbstverständlichkeit, ein Torschuss wird bejubelt und beklatscht.
Es ist eine vollständig verschobene Wahrnehmung,
Gerade junge Torleute - sie zerbrechen daran, wenn diese nicht wahrgenommen und gelobt werden.
"Der lobt mich nie!" erklärte ein Junger Torwart auf nachfragen, und fügte enttäuscht hinzu: "Nicht abklatschen tut er mich, weil er meist dann schon auf dem Weg in die Kabine ist!"
Geneigter Leser, stelle Dir es vor! Der Mensch, der sich hinten, als letzte Bastion ohne Angst in den heranstürmenden Gegner wirft, der förmlich sich mit den Händen vor den heranrollenden Schnellzug wirft, der der alles in diesen Situationen riskiert, der wird am Ende übersehen, vergessen und allein gelassen.
Dies ist nicht bloß bei wenigen Vereinen so, sondern es ist in vielen Vereinen so. Gerade junge Trainer können das eigene Feindbild Torwart nicht aus dem Kopf bekommen. Viele Trainer kommen mit Ansporn und Energie zu einer Jugendmannschaft, haben ein tolles Training sich ausgedacht - die Mannschaft legt los und plötzlich bleibt einer übrig.
Wie Volker Piekarski einst immer zu Eingang der Torwartlehrgänge erzählte: "... und dann stand da noch einer rum, im Hochsommer mit einem langen Pulli an, langer Hose und sogar Handschuhen.. " Man mag über Volker denken was man möchte, doch diese Geschichte brachte es auf den Punkt - der Torwart, er geht vergessen.
Bitte Ihr Eltern, jubelt wenn Euer Torwart eine Parade macht, lobt, wenn er einen Ball sicher abgelaufen hat oder einen Rückpass gut verarbeitet hat. Motiviert, wenn ein Gegentor gefallen ist.
Bitte Ihr Trainer, denkt an Eure Nummer Eins! Vielleicht bevor Ihr den Sturm abklatscht, klatscht den Torwart ab, der Euch vielleicht mit einer Parade den Sieg festgehalten oder die Niederlage verhindert hat. Lobt den Kerl, wenn es gut war - motiviert und baut diesen auf, wenn es eine Niederlage war... denn der Kerl ist doppelt gestraft, denn er konnte den Ball nicht halten und muss dann den Ball auch noch aus dem Netz holen. Das tut weh... bedenkt es bitte.

In all den Jahren habe ich es immer wieder im Jugendbereich gefunden - und auch festgestellt: Die Erwartung der Trainer ist hoch! Da soll ein D-Jugendtorwart bereit Bälle aus dem Winkel fliegen. Gelernt hat er das nie, aber können soll er das.
Da roll er seitlich den Ball flach um den Pfosten drehen, er hat es nie gelernt - Wie soll er das?
Es fragt keiner nach der Technik. Der Spieler, er bekommt beigebracht, wie ein Flugball zu schlagen ist, was Innenriststoß und Aussenrist ist, er bekommt den Vollspann und Innenspann erklärt und muss es üben, bis es sitzt... doch der Torwart?
Wie oft kommen Torleute zu uns in Probetraining, von anderen Vereinen. Spielen seit über Jahren im Tor und beherrschen nicht mal essentielle Grundgriffe. Das ist, als würde man in einen Boxverein gehen, ohne einen Faustschlag zu beherrschen, aber müßte in der Altersklasse boxen, wo es um die Weltmeisterschaften geht.
Fragt man dann nach, hört man nicht selten, daß sogar Tw Training angeboten wird... Es ist eine gruselige Vorstellung, denn wenn das nach Jahren Torwarttraining das Ergebnis ist, stellt sich im Umkehrschluss die Frage, wie das Tw Training aussieht...
So gehe ich unheimlich gern auf Fortbildungen. Das versteht mein Verein nicht so wirklich, doch ich lasse mich auf diese Art 'bezahlen'...
So würde ich unheimlich gern nach Grünberg fahren, um den dortigen Basiskurs zu besuchen. Ich kenne den Kursinhalt wie wohl kaum ein anderer und dürfte es auswendig herbeten können - das kleine Torwart-Ein-mal-Eins was jeder Tw Trainer wohl wissen muss.
Ja, ich könnte sogar nach Hennef oder Kaiserau fahren, um dort den 'großen' Schein zu machen, die Erlaubnis habe ich sogar von DFB Seite - nur ich möchte eben 'geschickt' werden, nicht mich selbst anmelden. Das ist für mich so eine Wertschätzung, wie eben für den Torwart das Lob nach einem guten Spiel.
Bisher jedoch...
So bin ich erst einmal auf Kurzschulungen gewesen, denn auch hier kann man sich - bezüglich, des TW Trainings - eine Menge ansehen und vor allem anhören.
Drei Kurzschulungen im Frühjahr gab es nun, die im Umkreis angeboten wurden - und natürlich widerspiegeln, was an vielen HFV/DFB Stützpunkten so gemacht wird. Das tut man sich gern an, denn Inspiration ist oft alles und manchmal sind es die kleinen Details, die eine Änderung bewirken, nicht die großen Dinge.
Doch letztendlich: Ab und an ist man auch erschrocken.
Da sind dann die Stützpunkt Torleute oft anwesend und plötzlich sieht man, was der selektierte Nachwuchs ist - und man möchte erst gar nicht wissen, wie der Rest aussieht.
Der Torwart hechtet Rückwärts und der Trainer lobt dessen zum Ball ausrichtete Sprungform. Der Stützpunkt Torwart fällt seitlich, aber eher schräg nach hinten und legt die Hände eher auf den Ball, anstelle daß er die Hände hinter den Ball schiebt... Und der Trainer macht es nicht mal besser vor.
Kurios dann auch, welche Qualifikation ein Trainer haben soll, denn viele sind, wie es mir scheint, verblendet von den ehemaligen Leistungen - da wird damit geworben, daß der Tw-Trainer früher mal Hessenliga gespielt hat. Aha, und weil er das getan hat, macht Ihn das zum Top Tw-Trainer?
Jürgen Klopp hat die Bundesliga nur im Fernsehen verfolgt, bei Dortmund würde aber keiner diesem Trainer wohl absprechen, meisterwürdig zu trainieren. Da zählen scheinbar andere Qualifikationen, warum dann beim Tw-Trainer? Warum ist ein Tw-Trainer, der Hessenliga gespielt hat gleich besser, als ein Trainer der Gruppenliga gespielt hat? Gibt es dafür einen Grund, kann er aufgrund der Hessenliga Erfahrung die Technik besser vermitteln?
Ich setze da einen drauf und sage: Ich habe viele Ex-Bundesliga Torleute gesehen, und nur wenige hatten wirklich das Zeug zum richtigen Torwarttrainer. Beispiele lasse ich aussen vor.
Gerade im Jugendbereich, also dort wo man das Ein mal Eins den Torhütern beibringen muss und soll, da hapert es so oft - vor allem bei vielen Spitzenvereinen! Es ist traurig, daß hier so wenige dieser Vereine sich im Nachwuchsbereich jemand leisten, der genau das kann - pädagogisch und altersgerecht den Kindern und Heranwachsenden eben die Grundschule des Torwart in Form der nötigen Grundtechniken beizubringen.
Wie bitte,soll man Nachwuchs bekommen, wenn das kleine Ein mal Eins der Grundtechniken nicht vermittelt wird? So wundert es nicht oft nicht, daß ich gute Torleute sehe, die aber technisch so mangelhaft im Tor agieren, daß einem Himmel Angst werden kann. Statt dessen sucht man sich den Torwart, gerade im sogenannten "Goldenen Lernalter" oft nur nach körperlichen Merkmalen aus - nach Größe, nach Sprungkraft, nach athletischem Körperbau oder schlicht, weil kein besserer Torwart da ist... anstelle mal richtig nach Technik und Klasse zu entscheiden. Denn was nutzt mir ein Torwart, der 2 Meter groß ist, aber höhe Bälle nicht fangen kann?
So ist dann oft auch erschreckend, nicht was bei vielen Vereinen im Tor spielt, sondern auch, was bei Vereinen die Torwarttrainer 'verbrechen'.
Ich war schon erschrocken, was viele Stützpunkttrainer mir erzählen (wollten) und was diese "vorgemacht" haben... da wird in der Theorie eigentlich vieles korrekt erklärt und auf vieles hingewiesen, doch die Torleute sind Spiegelbild der Trainer - sie können es nicht, nicht mal zur Demonstration. Dann machen die Trainer es vor, und man muss sich erschrocken umdrehen. Oft kann man nicht glauben, wer da Torwarttrainer ist und was er da macht. Kinder und Heranwachsende lernen durch Zusehen, mehr als durch Erklären. Doch viele sind der Erklärbar, aber selbst korrekt vormachen, geht gar nicht. Viele Kinder wissen also gar nicht, was der Trainer von ihnen verlangt, weil Sie es nicht verstehen, ja begreifen - andere machen zwar vor, doch was diese dann vormachen - es ist ein Schock!
Wenn diese Trainer dann erklären, daß diese in jungen Jahren Höherklassig gespielt haben, frage ich mich, warum das dann die Erklärung ist, was man heute so inkorrekt lehrt.
Da wird auf den Ellenbogen gefallen, auf die Knie, da werden die Knie verdreht und auf den Fersen gestanden... Da wird rückwärts gefallen und anstelle die Hände hinter den Ball zu schieben, werden die Hände auf den Ball gelegt und erklärt, daß dies alles so sein muss.
Nun, ich habe nie höherklassig gespielt - aber in diesen Fällen muss ich mich schämen! Ich schäme mich für diese Trainer, die dann oft genug einen Stützpunkt unter sich haben - also am Stützpunkt die Selektion des Nachwuchses fördern sollen - und ich schäme mich, wie der Nachwuchs ausgebildet wird.
Das ist dann die so hochgelobte Bildungsoffensive des DFB - der Ansatz und die Idee ist prima und klasse, die Ausführung aber oft so mangelhaft, daß ich mich als Tw Trainer schämen muss. Denn diese selbsternannte Creme der Torwarttrainer... man entschuldige wenn ich den Satz unvollständig lasse. Wenn diese in vieler Hinsicht ja ebenso an sich arbeiten würden, die diese von den Torleuten verlangen, an sich zu arbeiten - so bestünde noch Hoffnung.
So fahre ich nach Schalke, um bei Thomas Schlieck neue Inspirationen zu erfahren, schaue mir Rene Keffel und Jürgen Rollmann an - um dann auf einem DFB Stützpunkt über das, was und vor allem wie es gemacht wird, erschrocken und völlig entsetzt nach Hause zu fahren, in der Hoffnung, daß das was dort eben gerade an 40 Teilnehmer in Form einer Kurzschulung vermittelt wurde, nicht wirklich der Ernst des DFB oder Hessischen Fussballverbandes sein soll... Ich darf gar nicht daran denken, daß nun viele Fussballtrainer dieser offiziellen Schulungen nun glaube, was diese gesehen haben UND dies jetzt deren Torleuten angedeihen lassen - so etwas ist Kontraproduktiv und stellt die Bildungsoffensive schwer in Frage... aber wie so oft, bin ich allein und einsamer Rufer... denn ich habe nie hoch gespielt, ich habe keinen Fussballlehrer-Schein und bin nicht der geladene Dozent auf Verbandsveranstaltungen... doch ich bin ehrlich und offen: Was auf vielen dieser Veranstaltungen gemacht wird, kein Wunder, wenn Torleute sich nicht entwickeln und kein Wunder, wenn einige Vereine daher vielleicht nicht wirklich die tollen Torleute im Tor haben und dann auch noch der Überzeugung sind, daß Beste vom Besten zu haben... ja klar, wenn auf den Stützpunkten so gearbeitet wird...

Ich bin entsetzt, erschrocken und betroffen - ich schäme mich.
Wie soll ein Tw also den Anforderungen gerecht werden, wie soll er die vom Trainer erwählte Nummer Eins sein und werden, wenn man eben hier nicht endlich so unterrichtet und so Wissen vermittelt, wie es sein soll.
Somit bleibt er auch, aufgrund dieser "Bildungsoffensive" leider oft das Letzte, anstelle Nummer Eins zu sein... Schade und erschreckend

Kommentare

  1. Avatar von TW-Mentalcoach
    Steffen, du sprichst (schreibst ) mir aus der Seele. Das war auch ein Grund warum ich dich kontaktiert hatte. Nicht jeder der weiß wo das Herz ist kann es auch operieren! Eins kannst du dir aber sparen...das Schämen, das kannst du getrost denen überlassen die immer noch nicht verstanden haben, was die Position des Torhüters für eine Aufmerksamkeit benötigt.
    By the way, ich war auch Stützpunkttrainer.....war!
    Aktualisiert: 13.06.2012 um 09:09 von TW-Mentalcoach
  2. Avatar von Goalyy
    Der Artikel ist echt genial. Hab auch mal unter einem Trainer gespielt der mich nach jeder schwächeren Aktion angeschnauzt hat und mich mit einem F-Jugend Torwart oder gemeint hat dass er panische Angst hat wie er mich durch den Strafraum laufen sieht. War dann später auch ein Mitgrund zum Vereinswechsel. Und im Training hat er aber nichts gemacht weder mal ein paar Flanken gespielt mit den Spielern oder auch mal Strafraumbeherrschung übt. Er war der Meinung, dass es reicht wenn er mit mit 8 Trainingseinheiten mit Abstößen übt, zum Teil auch Abstöße mit Medizinbälle, oder einfach die Spieler aufs Tor schiessen lässt. Er war der Meinung, dass es damit genug ist und ich dadurch alles lernen kann. Spielte damals zwar in der Verbandsliga, jedoch habe ich nicht meine Leistung gebracht und war dadurch kaum motiviert. Jetzt spiel ich zwar in der untersten Liga hab jedoch Spaß an meinem Hobby und bring auch wieder mal gute Leistungen. Danke nochmal für den tollen Artikel.

    LG ich
  3. Avatar von 37
    Ich hab jetzt in 2 Stunden ca. die Hälfte des Gesamtblogs gelesen und muss sagen er ist richtig gut gelungen. Die Artikel sind richtig gut, man merkt das sich da jemand was bei denkt. Ich freu mich schon auf neuere Einträge
  4. Avatar von 37
    Ich hab jetzt in 2 Stunden ca. die Hälfte des Gesamtblogs gelesen und muss sagen er ist richtig gut gelungen. Die Artikel sind richtig gut, man merkt das sich da jemand was bei denkt. Ich freu mich schon auf neuere Einträge

    Wie lösche ich einen Doppelpost?
  5. Avatar von Marcogoalie
    Wenn man so einen Text liest denke ich mir nur ich habe eine Luxusverein denn immer wenn ich einen ball gut halte schreit mein trainer ins spielfeld:
    Super Marco,klasse.Und wenn ich richtige böcke schiess dann verteidigt mein Trainer mich vor der Mannschaft und sagt das wir es gemeinsam verloren haben und nicht einer allein usw.Natürlich nach einem Bock meine mitspieler:man marco...
    Doch dann kommt mein Kapitän klopft mir auf die Schulterasst schon Marco . Ich hab es wirklich gut