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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Revolution des Torwartspiels

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Verdammt, was klingt die reißerisch. Aber so wie eben die Zeitung mit dem meisten Mist die höchste Auflage in Deutschland hat, so ist auch die Überschrift hier nicht über zu bewerten.
Und ja, ich weiche bewußt von meinem Muster ab, zur Einleitung etwas völlig themenfremdes zu verfassen.
Warum?
Ich habe Urlaub und es läuft DFB Pokal, trotzdem - es ist ein Gedanke, der mich schon seit einigen Jahren umher treibt.

Es ist die alleebewegende Frage, warum man überhaupt eine Nummer Eins hat. Warum hat man überhaupt nur EINEN Torwart - also damit meine ich nicht, daß der Ersatztorwart weniger wichtig ist, nein. Aber warum legt man sich bei z.B. drei guten, bis sehr guten Torleuten überhaupt auf einen einzigen fest und der spielt dann ausschließlich?

Das gibt es auf keiner anderen Position. Vielleicht hilft mir ja mal ein Mannschaftstrainer, diese Sache zu erörtern.
Denn letztendlich, oft spielt man Doppelsechs, dann mal einfach Sechs, man spielt Dreierkette, dann Viererkette oder Catenaccio...
Und egal welche Aufstellung, es gibt immer Spieler, die dann dabei sind und andere nicht - kaum ändert sich die Aufstellung, sind die die dabei waren plötzlich auf der Bank und die Bankdrücker stehen in der Startelf.
Auch in der Offensive ist das so. Spielt man mit einer Spitze, dann steht oft ein anderer auf dem Platz, als wenn man mit zwei Spitzen agiert. Und spielt man völlig ohne Spitze - also mit dem sogenannten "falschen Neuner", dann spielen da meist auch Leute, die irgendwie nicht da passen wollen.
Also irgendwie ist das mit den Spielern variabel und es scheint, daß je nach taktischer Ausrichtung, sich die Mannschaftsaufstellung ändert, und damit auch wer auf dem Platz steht.
Das ist durchaus sinnvoll, denn bei einer Dreierkette brauche ich in der Zentrale einen sehr starken Verteidiger, wenn der mit beiden Füssen kann und keine Seitenpräferenz hat, dann ist das schon Bombe.
Habe ich dann einen, ja sogar zwei Sechster, die defensiv die Rolle des ehem. Vorstoppers nicht nur verinnerlichen, sondern auch recht kompromisslos umsetzen, dann spiele ich eigentlich sogar mit einer Fünferkette. Dann kann auch der zentrale etwas lässiger sein. Doch spiele ich offensiver und will mit den Secsern mehr impulse in die Offensive schicken, dann sind die defensiv vielleicht nicht so Granate, und dann brauche ich in der Zentralen einfach einen richtigen "Sweeper" - der da hinten einfach die Dinger klärt.
Oft ist das eben nicht alles mit ein zwei drei Spielern getan, die man tauschen muss, oft muss man da deutliche Veränderungen machen und man kann daraus schon so ein wenig ableiten, wie der Gegner auftreten wird - nicht umsonst studieren die Trainer die Mannschaftsaufstellung so genau. Das ist mehr als nicht Kaffeesatzlesen, sondern es ist das Herauslesen, wie der Gegner sein Spiel aufziehen möchte.
Herauszulesen war aber schon, daß man allein auf der Sechs zwischen einem Defensivstarken Spieler und ggf. einem Offensiven Künstler sich entscheiden muss, ja vielleicht sogar einen Defensivblocker mit einem Kreativen Spieler auf der Doppelsechs kombiniert. Aber das alles kann nicht ein Spieler sein, oder nur zwei. Da darf ich eigentlich vier haben, damit ich da frei variieren kann, entweder zwei kreative, oder zwei Defensive, oder eben Mischungen der Vier... und schon habe ich just auf diesen Punkten reichlich Auswahl und kann damit hier entsprechend das Spiel als Trainer gemäß meinen Taktiken lenken oder eine Richtung geben.
Ebenso auf auf der Aussenbahn. Wenn ich hier in der Defensive einen Spieler bringe, der 120 Minuten die Aussenbahn rauf und runter rennen kann, in der Defensive eine Bank ist, Zweikampfstark ist und dann auch noch gute Flanken schlagen kann, dann habe ich viel gewonnen. Doch ab und an muss ich diesen Spieler gegen einen eintauschen, der dann eben weniger Offensiv ist, aber in Zweikämpfen und im Ablaufen der Pässe schlicht unschlagbar ist. Der eine setzt die Impulse nach vorn, der andere macht hinten zu - schon wieder zwei Spieler, die ich tauschen kann.
Dabei meine ich nun nicht auch, daß man z.B. einen Innenverteidiger nicht auch nach Aussen stellen kann und darf, wichtig ist eher, welche Impulse setze ich durch diese Spieler. Wenn ich einen Mittelstürmer auf die Sechser ziehe, dann nicht weil der das nicht kann, sondern weil ich den Mann dort haben will, weil er mit seiner Interpretation des Spiels und Position mir als Trainer für meine Spieltaktik hier die richtigen Impulse und Momente einfließen läßt.
So geht Fussball...

Doch an einer Position - wegen der wir ja hier sind - geht das alles vorbei... am Torwart...

Richtig! Der Torwart ist davon völlig losgelöst. Der muss alles können.
Und seit neustem will jeder einen "Sweeper Keeper" haben, also einen "Liberwart" oder "Torbero". Sprich, eine Mischung aus Libero und Torwart. Der soll nicht bloß alle Dinger der Zielverteidigung fischen und damit die Null sichern, nö, der soll dann auch am Besten 80 Meter Abwürfe in den Fuss können, soll die Steilpässe vor dem Strafraum ablaufen, ggf. einen anrollenden Gegenspieler auf dem Bierdeckel nass machen, um den Ball so zwischen 16er und Mittellinie der eigenen Hälfte sicher an den Mann zu bringen. Also letztendlich soll er Torwart und Defensivkette sein.
Und es ist ein Spiel, welches Manuel Neuer prägte, einst mit Schalke und dann auch gegen Algerien zur Weltmeisterschaft 2014.
Doch die Frage ist nun: Ist es das, oder ist es das nicht?

Halten wir mal fest: Es ist toll, daß er das kann. Das ist Manuel Neuer.
Kein Wunder, daß Trainer hier feuchte Träume bekommen, denn so ein Torwart kann ungeahnte Impulse setzen, aber das Risiko ist hoch, oft schlicht zu hoch.
Manuel ist daher eine Ausnahme.

Denn hat nicht jeder Verein, noch ist es möglich, solche Torleute zu züchten. Das kann man versuchen und viele Torwartschulen oder Torwarttrainer versuchen es. Doch letztendlich, daß wird so nicht gelingen.
Klar, heute können die jungen Keeper alle gut Fussball spielen, können auch mal ein Törtchen ziehen und damit einen Gegenspieler aussteigen lassen - ja. Aber trotzdem sind die wenigsten in der Lage, dann so auf des Messers Schneide zu spielen, wie Neuer.
Und diese Ausnahmetalente sind dann auch, siehe Neuer, ruckzuck weg vom Markt.

Und nun kommt die Diskussion, denn wenn es nicht gelingt, solche Torleute für alle zu erzeugen, also mit Training zu formen und zu erschaffen... nun, was ist dann zu tun?
Mit der Brechstange und mit Training dieser Dinge zum Erbrechen erreiche ich nämlich mal gar nix. Also was tun, will Göttervater Zeus wissen, denn der Fussballolymp ist nahezu ratlos und blickt sehnsüchtig immer wieder auf Neuer.

Warum, so stelle ich mir seit Jahren nun die Frage, hält man so an der Einzigartigkeit des Torhüters fest?
Gerade hier gibt es doch die Unterschiede.
Warum stelle ich nicht auch den Torwart so auf, wie ich spielen möchte?

Diese Frage ist ernst - und ich denke, dass sollten sich die Fussballtrainer mal stellen und ernsthaft darüber nachdenken.
Denn angenommen ich habe einen Liniengott. Also ein Torwart, der in der Zielverteidigung nahezu unüberwindlich ist - dafür kann er die Steilpässe kaum ablaufen und ihm fehlt es an Offensiver Schlagkraft. Dafür im Eins gegen Eins eine sensationelle Quote und bei Torschüssen ist der einfach da, da ist es für den Gegner nicht bloß schwer, nee, da verzweifelt der Stürmer.
Der Zweite den ich als Trainer habe, ist dann auf der Linie eher Durchschnitt. Der holt dir eben nicht die Unhaltbaren, der holt dir nur die typischen Bälle. Ist zwar, wenn er gebraucht wird, aber es ist wesentlich einfacher, da aus der Distanz oder bei Standards eine Bude zu erzielen.
Im Eins gegen Eins ist er zwar auch sehr gut, aber das war es auch schon. Dafür läuft er mutig Steilpässe ab, macht auch mal einen Stürmer im Zweikampf nass und spielt tolle Bälle. Auch die Abwürfe sind jetzt nicht schlecht und auch mit den Abschlägen und abstoßen findet er sicher den eigenen Mitspieler und ist daher im Spielaufbau einfach eine gesuchte Position, der ein Spiel sicher und mit Auge eröffnet.

Jetzt mal nur die Frage - Warum entscheidet sich ein Trainer hier für EINEN Torwart von beiden, der dann die Saison spielt?
Das ist doch Blödsinn!!!!

Doch, ich spreche es so aus. Wenn es denn so ist wie oben, dann stelle ich doch nicht einen Liniengott ins Tor, wenn ich meinen Gegner im Forechecking habe und dann mit aggressivem Pressing diesen in der eigenen Hälfte einschnüren will - wenn ich also das Spiel nicht bloß bestimmte, sondern wie eine Würgeschlage, den Gegner förmlich erdrücke.
Warum stelle ich denn einen "Liniengott" ins Tor, wenn ich hier den "Spielmacher" in die Bude stellen könnte?
Denn der Liniengott wird mir hier die Impulse nicht setzen können, die ich dafür brauche....
Umgekehrt erwarte ich den Spitzenreiter oder im Pokal einen Klassenhöheren Gegner, der mich also kontrollieren will und sicherlich wird, der mich mit Pressing unter Druck setzen wird... Warum dann den "Spielmacher" ins Tor stellen, wenn ich hier damit rechne, daß ich viele Abschlüsse und Toraktionen des Gegners zu verteidigen habe?

Sicherlich, wenn ich Zwei Drittel der Saison das Spiel mache, den Gegner kontrolliere und daher den Torwart mehr im Aufbauspiel brauche, stelle ich sicher nicht den Liniengott ins Tor. Doch warum wird diese Position nicht verändert, wenn ich mich hier definitiv taktisch anders ausrichte?
Warum, wenn ich aus der Defensive spiele und einen starken Gegner erwarte, warum stelle ich dann auf der Position nicht um?
Warum traut sich das keiner?

Wir sind Torleute, mit uns kann man reden. Der Eins ist der Torwart für defensive Taktik, der andere für Offensive Taktik, und es spielt der, nachdem die Taktik ausgerichtet ist - gleichzeitig sind beide für einander der Ersatzmann.
Das würde zwar dann die Taktik ein wenig über den Haufen werfen, zumindest würde es dann nicht mehr so gut gelingen, aber warum denkt man nicht über diese Sache mal ernsthaft (!!!) nach?
Es geht doch letztendlich nicht darum, sich auf einen fest zu legen, sondern um Mannschaftsdienlich und vor allem dem Erfolg des Teams entsprechend zu handeln und daher die Aufstellung zu machen.
Erklärt man es seinen Torleuten, würden die wahrscheinlich erst einmal doof aus der Wäsche glotzen - aber letztendlich, wenn man diese Linie klar fährt, die Wechsel aufgrund der Taktik nachvollziehbar sind und kommuniziert sind, dann verärgert man auch keinen.
Und die von vielen so beschworene Rotation würde sich damit auch auf die bisher kaum beachtete oder ausgeschlossene Position erweitern... und es würde auch hier die Stärken und Schwächen dieser Position abmildern, weil ich immer den Torwart im Tor stehen habe, der gerade mit seinen Stärken agieren kann und seine Schwächen weniger gefordert sind.

Und für mich wäre diese Sache, also das Wechseln und Aufstellen nach Taktik, eine kleine Revolution im Torwartspiel.
Denn die 'feste Nummer Eins', die gäbe es nicht mehr, sondern es würde der spielen, der hier am Besten zu dem passt, was der Trainer für das nächste Spiel geplant hat.

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