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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Betriebsarten - mentale Grundhaltungen im Torwartspiel

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Wisst Ihr, Betriebsarten klingt sehr technisch. Und nein, es ist kein technisches Thema. Betriebsarten sind eigentlich eher Grundeinstellungen. Wenn ich einen Schlepper habe und die Betriebsart Überland wähle, könnte ich damit nur schwer Ackerarbeiten machen, hingegen wenn ich den Ackergang eingelegt habe, werde ich mit dem Hänger auf der Landstrasse sicherlich keine Freude haben.
Ebenso eben auch bei den Betriebsarten der Waschmaschine - wenn ich die Feinwäsche in Kochwäsche durchgehen lasse, Ihr wisst, was dabei rauskommt. Bei der Waschmaschine nennt man es Programme und so hat sich die Sache verändert.

Doch wie nennt man es bei Torleuten? Wie ist das, wenn man vor dem Spiel sich vorbereitet? Der eine nennt es Vorglühen, wieder ein anderer reinsteigern - aber definitiv, es ist eine Betriebsart, eine Art Programm. Ja, es ist bei vielen ein Ritual, ähnlich einer Ablaufsteuerung - Schritt für Schritt und immer gleich. Nix anderes halt wie ein Waschprogramm, nur vielleicht nicht ganz so fein - dafür halt in den Schritten immer gleich.
Und im Spiel???

Letztendlich bin ich da voll und ganz bei Eberhard Trautner... Vier Betriebsarten hat der Torwart, zwischen denen er hin und her schalten muss im Spiel - und in diesen Betriebsarten trifft er dann seine Entscheidungen. Letzteres ist dann das, was Thomas Schlieck oder auch Sven Hofmeister gern tut - den Torwart einer Situation aussetzen, in der er eine Entscheidung treffen muss.
Diese Entscheidungen bilden sich zumeist an den Schnittpunkten der vier Grundarten - also der vier Grundbetriebsarten, wenn man es so nennen will.
Somit ist schon eines dieses Grundprogramme eine Synthese, weil dieses aber schon so ausgefeilt ist - dank Ebbo oder Michael Rechner - kann man es als viertes Grundprogramm ruhig ansehen... und dann kommt eben an den Schnittstellen dann, was die Entscheidung ausmacht.

Schauen wir uns doch zuerst einmal die Grundbetriebsarten im Spiel an:

1. Zielverteidigung - Der Torwart konzentriert sich auf den Torabschluss und wird bei einer Schusslösung eine klassische Torwartaktion zur Torverhinderung starten - mit dem Ziel, das Tor zu verhindern. Es ist wohl das klassischste der vier Programme. Hier gibt es auch wieder taktische Dinge, wie das Zonenspiel. Ich bin jetzt nicht der Anhänger des Zonenspiels, obwohl ich sicherlich durch Jörg Daniels Arbeiten vorgeprägt worden bin, durch Sven Hofmeister mit dem Prinzip vertraut gemacht wurde, vor allem aber durch Christian Lasch dann eine eher umfassende Einführung und "Lehre" des Zonenspiels erhalten habe. Und genau aus diesem Grunde sehe ich das ein wenig kritisch, kann aber auch positives ableiten.
Für viele Trainer aber ist es in der Zielverteidigung hilfreich.

2. Raumverteidigung - Wenn keine Schusslösung vorhanden und keine direkte Torgefahr vorhanden ist, ist der Torhüter im Modus Raumverteidigung. Er schaut sich die Bewegungen des Gegners an und achtet auf die Pass- und Zuspielwege, um dann Flanken abzufangen oder Steilpässe abzulaufen, Querpässe abzuwenden oder eben andere Dinge, die ein Zuspiel, welches dann zu einem Torabschluss führen könnten, zu unterbinden oder eben dieses Zuspiel abzufangen. Dabei verteidigt er nicht nur den 16 Meter Raum an sich, sondern je nach Lage auch nur einen kleineren Raum, oder einen viel größeren Raum.

3. Spieleröffnung - Ohja, nach einen Rückpass muss der Torwart ja etwas tun. Er muss den freien Spieler erkennen und den Ball entsprechend spielen, er muss erkennen wo die beste Chance besteht, den Ball zu bahaupten und mit dem Ball auch einen möglichst positiven Gegenangriff einzuleiten. So so ist Spielverlagerung nur eine Option, es kommt der lange Flügelball, der Druckpass in die Zentrale, oder der lange Flugball in die Spitze ebenso dazu, wie zu diesem Modus auch andere Dinge gehören. Denn auch die Spielfortsetzung nach einem Ausball oder einem abgefangenen Ball aus der Raumverteidigung zählen hierzu. Abstoß vom Boden ist hier wohl das bekannteste und wird uns sicherlich wohl zuerst einfallen, hören wir Spieleröffnung. Ähnlich einem Rückpass geht auch hier: Wie eröffne ich? Wir kennen meist die langen Flugbälle, doch das will heute im Fussball kaum ein Trainer wirklich sehen. Abstoß, schon hier beginnt die Taktik. Wohin spiele ich den Ball, welche Spieleröffnungen habe ich mit der Mannschaft? Denn nicht der Torwart bestimmt, wohin der Ball gespielt wird, sondern die Mannschaft gibt es vor. Spieler laufen an, bieten sich an, Spieler laufen Finten, damit Lücken in den Gegnerischen Verbund gerissen werden, wohin dann der Ball gespielt wird. Das muss ein Torwart wissen, sehen und dann spielen können.
Schwieriger wird es mit Abschlag und Abwurf. Auch hier hat sich viel getan, denn der typische frühe lange Ball - Hautpsache weit weg - ist heute ebenso wenig gefordert und gefragt, wie beim Abstoß vom Boden. Auch hier ist der Mannschaftsverbund gefragt: Wer bewegt sich wohin, wer läuft wo, wer erwartet den Ball wie?! All dies muss der Torwart erkennen und dann spielen. Langer Flugball auf die Aussen, wo der eigene Spieler schon gestartet ist. Kurzes Abrollen auf einen Spieler oder ein Abwurf in den Lauf, in Ausnahmen sicherlich auch der lange Ball in die Spitze für einen schnellen Tempogegenstoß....
All das ist Spieleröffnung und man merkt aber auch hier, wie rasch der Wechsel kommt - eben von Raumverteidigung in die Spieleröffnung.

4. Eins gegen Eins - Also das Eins gegen Eins ist eigentlich eine Verschmelzung der Raumverteidigung mit der Zielverteidigung. Grundmuster ist hier aber immer die Zielverteidigung. Denn es geht vor allem darum, den Stürmer an der Erzielung eines Tores zu hindern und den Torschuss abzuwehren. Es geht dabei nicht darum, den Ball zu erobern und zu halten, sondern prinzipiell erst einmal darum, den Treffer zu verhindern. Dazu wird der Torwart eben versuchen, den Schuss zu blocken - nicht zu fangen, nicht zu sichern, sondern primär erst einmal den Schuss von der Torfläche abzuwehren. Sekundäres Ziel ist dann immer noch nicht die Balleroberung, sondern sekundäres Ziel ist es, der eigenen Defensive Zeit zu verschaffen, damit diese eingreifen kann. Das Eins gegen Eins ist also vorüber, sobald ein Verteidiger den Torwart unterstützt. Dann übernimmt der Verteidiger die Aufgabe des Stellens des Angreifers, die Blockade des Passspiels und eben möglichst das Abdrängen des Angreifers vom Tor. Der Torwart hingegen schaltet jetzt komplett in Zielverteidigung um, und trachtet jetzt auf seine erste und wichtigste Aufgabe, die Torverhinderung - also Abwehr von direkten Torabschlüssen - die Zielverteidigung.
Damit gilt im Eins gegen Eins: Ich verteidige das Tor in dem ich den Raum so gut wie möglich abschirme, dabei das Tor ebenfalls so gut wie möglich abschirme - verhindere mögliche Torabschlüsse so gut es geht, bis Hilfe eintrifft. Dann ziehe ich mich als Torwart zurück und schalte in Zielverteidigung um, oder von dort auf Raumverteidigung, wenn der Angreifer die direkte Torgefahr nicht mehr erhebt, sondern jetzt nur noch durch Passspiel und damit Einsetzen eines anderen Spielers zu einem Torabschluss gefährlich werden kann.
Daher ist im Eins gegen Eins wichtig: Wie gehe ich raus, wann gehe ich raus, wie weit gehe ich raus... es ist ein Risikospiel und es braucht viel Training darinnen. Denn hier stehen Entscheidungen, wann ich was mache an oberster Stelle - insbesondere im Verhalten. Ein 'eingesprungener Wiese' ist leider ebenso fatal, wie das auf der Linie kleben und abwarten... Auch mit beiden Beinen voraus den Ball anzugreifen ist nicht bloß sinnlos, sondern ebenso taktisch und technisch unklug - ja im Grunde grober Unfug.
Auch gehören ins Eins gegen Eins dann die Elemente des Ballangriffs, denn ich muss wissen, wann und wie ich den Ball angreife.. und daher hat man das irgendwo als eine eigene Sache zusammen gefasst. Und über dieses kleine Teil kann man Stunden referieren.

Es gibt für mich noch eine fünfte "Betriebsart" - doch dazu am Ende mehr. Belassen wir es erst einmal bei den genannten und bekannten Vier.

Und jetzt kommt es eben zu den Trainingsformen der Entscheidungen. Sprich ich schaffe eine Situation, wo der Torwart sich entscheiden muss: Kann ich den Ball ablaufen (Raumverteidigung), oder muss ich einen Ballangriff starten (Eins gegen Eins) - oder bleibe ich im Tor, weil der Stürmer wahrscheinlich abschließen wird (Zielverteidigung)? Nach diesen Elementen kommt dann immer auch die Frage hinterher: Wenn ich den Ball sichern konnte oder kann, muss ich sofort in die Spieleröffnung schalten... Muss ich dann den Ball schnell wieder ins Spiel bringen, oder muss ich meiner Mannschaft eine ruhige Spieleröffnung ermöglichen?

Beispiel: Eckeball - alles tummelt sich am und im Strafraum, Raumverteidigung - Torwart fängt den Ball und macht SOFORT einen langen Abschlag... ist das zielführend?
Nunja, wenn der Gegner wirklich mit Mann und Maus in den Angriff gegangen ist, kann ich ggf. einen Stürmer schicken. Doch kaum ein Gegner wird wirklich eine solche Taktik spielen, ausser es geht um Hopp-oder-Topp wie in Turnierendspielen, aber in Ligaspielen ist das eher selten. Daher ist dann ein solches hektisches Verhalten kontraproduktiv, sondern hier muss ich das Spiel beruhigen, meinen Mitspielern Zeit verschaffen, sich zu orientieren, aufzustellen und auch das meine offensiven Spieler starten können - dann kommt der Abwurf in den Lauf oder der Abstoß in den Raum zum Erlaufen des Balles... aber ein ständiges, rasend schnelles Wieder ins Spiel bringen des Balles ist nicht immer ratsam - noch angezeigt. Mache ich das, obwohl ich keinen Empfänger habe, kommt der Ball meist durch den Gegner postwend zurück...

Auch Doppelballaktionen sind oft hier zu nennen: Ich schlage einen Ball zum Fausten in den Raum auf einen Spieler oder Dummy, der Torwart wählt gemäß Vorgabe die Raumverteidigung und entscheidet, wie und ob er zum Ball geht. Dabei wird dann nach erfolgter Abwehr aus entsprechender Position ein Nachschuss simuliert. Der Torwart muss daher nach der Raumverteidigung rasch in die Zielverteidigung wechseln, die Position finden und damit den Torabschluss abwehren.
Lasse ich nun dem Nachschuss-Spieler die Möglichkeit, ggf. auch ins Eins gegen Eins zu gehen, bin ich dann schon wieder in den Entscheidungen, was ich verstärken kann, wenn ich dann zu einem oder zwei Trainingsdummies einen Kopfballspieler dem Torwart entgegen stelle, so daß dieser entscheiden muss, ob er faustet oder den Ball fängt. Fängt er denn Ball, gibt es keinen Nachschuss, verbaselt er den Ball ist es Tor - Faustet er hingegen, gibt es den Nachschuss... Hier hat man rasch eine komplexe Übung, wo der Torwart schnell zwischen den "Betriebsarten" umschalten muss und ich kann in solch einer Übung auch die Spieleröffnung einbauen, z.B. wenn der Torwart den Ball gefangen hat, daß er dann auf Zuruf oder Farbsignal ein Zielfeld möglichst rasch anspielen muss...
Und schon bin ich spielnahe in einer sehr komplexen Übung mit vielen Entscheidungen... vor allem aber mit Wechseln der Grundhaltung des Torwarts.

Viele (Mannschafts-)Trainer haben nun ein Problem damit. Das ist keine Kritik der Trainer, denn Hey - Ihr seid für die Mannschaft da und nicht der Torwartversteher. Dafür gibt es den Torwarttrainer. Der hat nicht zwingend Ahnung von Mannschaftstraining, dafür versteht er explizit die Position des Torhüters - und zusammen mit dem Mannschaftstrainer sollte somit der komplette Verbund perfekt abgestimmt werden können, aber auch Gegentore oder Torabschlüsse sollten damit korrekt und sicher analysiert und besser unterbunden werden können. Nur, dazu müßt Ihr einen Tw Trainer haben. Keinen Tw Beschäftiger und TW Übungsmacher, sondern eben einen richtigen Tw Trainer. Und den müßt Ihr als Mannschaftstrainer einbinden, seine Meinung und Rat einholen, denn er hilft Euch, diese Position, Entscheidungen und auch Situationen zu verstehen.
Doch als Trainer darf man seine Torleute auch ein wenig verstehen. Das beginnt schon in der Jugend.
Wisst Ihr, als wir mit der Blauen Mauer anfingen zu arbeiten, war schon damals klar, daß man bitte keinen Liniensteher erschaffen soll. Damals war noch unklar, ob man den Weg eher geht, indem man die jungen Kerls nach und nach das Mitspielen angedeihen läßt, oder ob man eher den Strafraum-Rover nach und nach einbremst, damit er die Zielverteidigung nicht vernachlässigt. Wir sind mit der Methode Zwei sehr gut gefahren und haben einen Strafraum Rover spielen lassen.

Eine Blaue Mauer zu Pfingsten zeigt im Video deutlich, wie er spielte. Das dies dann immer mal wieder zu Fehlern führte, daß war uns sehr bewußt und nur deutlich. Denn man kann dem Torwart die Entscheidungen nicht abnehmen, und wenn er im Spiel falsche Entscheidungen trifft, resultieren daraus zumeist Gegentore, aber dieser Lernprozess ist gerade bei jungen Torleuten unheimlich wichtig.
Wenn ich dann junge Torleute zu mehr Mitspielen animiere, weil diese vorher sich eher auf das Ding der Zielverteidigung konzentriert haben und die Trainer das verlangt haben, werden auch hier erst haarsträubende Fehler passieren, denn der Torwart muss sich einen völlig neuen Modus aneignen, der eben Raumverteidigung und dann Spieleröffnung einschließt.
Der Strafraum-Rover hingegen hat bereits die Raumverteidigung erfahren, er kennt seinen Raum, hat diesen spielerisch erschlossen - und kennt seine Grenzen. So werden hier immer wieder Fehler in der Zielverteidigung passieren, was man bei der Blauen Mauer deutlich erfahren durfte - aber letztendlich - beide Wege führten erfolgreich zum Ziel.
Würde man mich heute fragen, ich wäre immer wieder dafür, den Strafraum-Rover zu wählen, weil es einfach den Torleuten viel mehr Raumgefühl, Spaß und Mitspielen ermöglichst, als den anderen Weg. Denn die Zielverteidigung läßt sich wesentlich einfacher technisch nachschärfen, als die Raumerfahrung, vor allem auch im höheren Alter.

Als Trainer muss man jetzt einfach mal erkennen - das die Zielverteidigung, dann die Raumverteidigung und dann das Eins gegen Eins wichtig sind. Erst dann kommt die Spieleröffnung. Denn egal wie gut die Spieleröffnung ist, es ist eine Verbundsache, da kann ich viel mit der Mannschaft kompensieren, viel rausholen, wenn die Mannschaft was tut... aber ein Armutszeugnis ist es, wenn meine Spieleröffnung immer und immer wieder *bumm* ist. Mit *bumm* meine ich dann einen sinn- und planlos vorgekloppten Ball, in Form eines weiten Abschlags oder Abstoß. Das hat nix mit Spielerröffnung zu tun. Denn einen halbwegs genauen Druckpass sollte ich von einem Torwart einfach erwarten können, ebenso eine korrekte Ball An- und Mitnahme, sowie dann einen Pass zum Mitspieler. Und erst dann entscheidet sich, unter welchen Drucksituationen ich meinen Torwart überhaupt anspiele. Spiele ich meinen Torwart an, während zwei Spieler diesem schon fast auf den Füssen stehen, darf ich mich nicht wundern, wenn es klingelt. Das macht man selbst mit Neuer nicht, und der ist hier schon mal herausragend. Das hat nix mehr mit Spieleröffnung zu tun.
Ziehe ich aber meinen Torwart vor fast zwischen die Innenverteidiger, kann ich die aussenverteidiger höher stellen und habe trotzdem eine gute Spielverlagerung, weil der Torwart jederzeit angespielt werden kann und dann immer zwei, wenn nicht drei oder vier Anspielstationen findet. Das ist hingegen Spieleröffnung vom feinsten, aber das ist Taktische Mannschaftsschule im Verbund, und nicht Torwarttraining allein. Wie soll man das isoliert trainieren?
Zudem müssen Trainer auch auf die korrekte Spieleröffnung hinarbeiten, es den Spielern angedeihen lassen. Doch mal Hand auf's Herz: Wenn ich in der Gruppenliga und Verbandliga mich umsehe - welcher Trainer hat das wirklich gemacht?
Dennoch legen viele zuviel Wert auf die Spieleröffnung, was dann in vermeidbaren Gegentoren resultiert, oft durch technische Schwächen, oder aber falschen Entscheidungen - damit verliere ich mehr Punkte, als wenn ich einen Torwart habe, der eben in der Spieleröffnung nicht so hyperexzellent ist.
Aber wie gesagt, Spieleröffnung, daß ich Taktische Schulung der Mannschaft, kein Torwartthema allein - und das muss einfach der Mannschaftstrainer übernehmen. Der Tw Trainer wird hier nur situativ nachschärfen.
Und wie gesagt, ich sehe das in der Gruppenliga und Verbandsliga viel zu wenig... also die taktische Schulung des Mannschaftsverbundes.

Dann müssen die Trainer begreifen, daß Raumverteidigung nicht auf Zuruf passieren kann. Wie oft sehe ich, daß ein Torwart die Entscheidung trifft, in der Zielverteidigung zu bleiben, sein Mitspieler hingegen ruft "Torwart" und bleibt stehen, nötigt den Torwart dann in eine Eins gegen Eins Situation oder unglückliche Raumverteidigung. Liebe Trainer, daß geht auch nicht. Nicht jeder Torwart kann immer eine Raumverteidigung machen, denn das ist schwer, weil man sich gegen zum Teil gute und raumorientiert und raumvertraut spielende Gegner durchsetzen muss. Klar, die Erwartung ist da, nur wie oft trainiert Ihr denn Raumverteidigung? Torschuss oder oder ein Abschlusspiel vier gegen vier schult wenig die Raumverteidigung. Da muss ich schon andere Trainingsformen auffahren, damit mein Torwart in der Richtung echt was mitnimmt - und als Torwarttrainer würde ich gern Raumverteidigung spielnahe mit dem Mannschaftsverbund coachen - denn technisch ist das Fangen hoher Bälle schon in der E-Jugend erlernt. Umsetzen im Verbund und gegen den Pulk, daß ist das Problem.
Da nutzt es nix, wenn von draussen jemand brüllt: "Tommi, da musch aba rauschkomme! Den musch hola!" Der Torhüter erkennt die Situation und entscheidet, und er entscheidet sich hier für Zielverteidigung, wenn er das häufiger im Training tut, als zur Raumverteidigung.
Oder ein Beispiel der Gruppenliga: Man spielt, bisher klärt der Torwart im Raum und in der Zielverteidigung sehr gut, bewahrt die Mannschaft so vor dem Rückstand. im Raum dreimal sogar direkt gegen den Mann und einmal sogar so körperlich robust, daß schlicht es so richtig rappelt. Dann kommt die letzte Ecke, der Torwart kommt zwar an den Ball, doch bekommt leider nur einen Arm hoch - ein technischer Fehler - Kopfball, Tor und der Torwart wird nur aufgrund dieses "Fehlers" auf die Bank verbannt. Liebe Trainer, da frage ich mich... vielmehr: DAS kann nicht Euer Ernst sein!!!! - leider aber ist es oft so, und zeigt das Unverständnis der Position nur zu klar.
War das vorher nicht schon genug, hat er nicht gezeigt das er alles gibt, und alles gegeben hat? Dann kreidet Ihr Ihm das Ding an, mit der Floskel: "Wenn er rauskommt, muss er den Ball haben?" Sicher, daß weiß der Torwart auch, aber wenn zwei Spieler hinter dem Torwart frei zum Kopfball kommen, hat auch der Verbund etwas fehl gemacht.
Dann demontiert man den Torwart... erstklassig und Ihr habt damit nur zu deutlich gezeigt, wie gut Ihr Torleute versteht - nämlich gar nicht.
Aber Ihr müßt verstehen, daß dieser Modus nur dann geht, wenn der Torwart sicher ist, denn Ball zu bekommen, und auch nur dann, wenn der Ball eben keine unmittelbare Torgefahr bedeutet.

Das Eins gegen Eins ist dann ein völlig eigenes Ding. Darüber kann man ganze Bücher schreiben und es ist daher auch kein Wunder, daß es für viele Trainer ein Buch mit sieben Siegeln ist. Was Ihr aber verstehen müsst: Der Torwart geht nicht ins Eins gegen Eins um den Ball zu erobern. Das ist Grundfalsch!
Der Torwart geht ins Eins gegen Eins, um einen direkten Torabschluss zu verhindern und einen Einschlag zu verhindern, so gut es geht. Der Torwart geht aber vor allem ins Eins gegen Eins, um den Stürmer in seiner Bewegung zu verlangsamen, ja zum Stehen zu bekommen, um eben der Defensive das Nachrücken und Stellen des Gegenspielers zu ermöglichen. Das muss dem Trainer der Mannschaft klar sein. Der Torwart darf im Eins gegen Eins nicht allein gelassen werden, sondern ein Spieler sollte zur Tordefensive eilen, ein Spieler sollte den Torwart vom Stellen des Gegenspielers entbinden - und dann kommt die Balleroberung.
Und nein, Eins gegen Eins ist nicht sich das "reinzuwerfen" oder "reinzuhauen", sondern Eins gegen Eins ist Stellen des Gegenspielers und Torabdeckung, daß heißt ich muss als Torwart stehen, verschieben, abwarten... ich darf nicht agieren, denn wenn ich mit einer wilden Aktion alles reinlege und verfehle, ist der Gegner durch, das Tor ist sicher. Sieht für viele Trainer gut ist, ist aber eben für einen Torwarttrainer das allerschlechteste Verhalten. Viele Trainer lassen es, weil diese es nicht besser wissen, durchgehen - müßten es aber dringend unterbinden. Ebenso müßte man das reinrutschen und reingrätschen mit beiden Beinen voraus in den Gegenspieler sofort unterbinden... und nein, auch die reingerutschte Grätsche ist nicht optimal.

Und nun muss man verstehen, daß eben der Torwart in diesen vier "Betriebsarten" hin und her schaltet...
Und ich bin jetzt oft unterwegs, ich beobachte Torleute, wie diese sich bewegen. Hier reicht schon, wenn man Spielformen im Training sich ansieht. Man sieht die "Betriebsarten" Wechsel, gerade zwischen Raumverteidigung und Zielverteidigung, aber auch das Umschalten in den Eins gegen Eins Modus extrem. Der letztere ist dabei am auffälligsten, denn wenn ein Torwart im Eins gegen Eins eben korrekt geschult ist, ist seine Annäherung, seine Bewegung und sein Handeln eher mit einer Raubkatze auf der Jagd zu vergleichen, als mit dem stumpfsinnigen "Reinschmeißen" meiner eigenen aktiven Zeit.
Alles in allem hat es mir als Trainer extrem geholfen, diese "Betriebsarten" zu kennen, zu verstehen und auch dann, diese Wechsel in Form von Entscheidungen im Training zu forcieren
Daher gilt hier mein Dank an Eberhard Trautner, der es lange und ausführlich erklärt hat. Danke Ebbo!
Doch unvergleich war dann ebenso dieses forcieren der Entscheidungen, es begann bei Hans Leitert, über Thomas Schlieck hin zu Sven Hofmeister oder Simon Panter. Vieles beginnt man mehr und mehr im Kontext zu verstehen, zu begreifen und kann dies alles wieder nutzen, den Torwart besser zu machen.

Wichtig wäre nur, daß viele Fussballtrainer zumindest mal diese Grundarten der mentalen Einstellung für Torleute verstehen würden, damit diese wissen, dass man einen Torwart auch mal 'eiskalt' erwischen kann und das ein Umschaltfehler in den "Betriebsarten" haarsträubende Fehler provozieren kann.
Vielen ist das gar nicht bewußt - doch es ist wichtig. Wenn z.B. der Torwart beim Abfangen einer Flanke zu früh in den Modus "Spieleröffnung" schaltet, hat er den Ball vielleicht gar nicht sicher, der Ball tropft raus und bis der Keeper in den jetzt passenden Modus umgeschaltet hat, ist die Bude oft schon gefallen! Daher ist es auch wichtrig, daß wir als Trainer eben verstehen, WANN der Betriebsartwechsel zu erfolgen hat und wann auf keinen Fall. Wir müssen das unseren Torleuten nämlich ebenso angedeihen lassen, wie dann im Nachgang, daß sie selbst die Entscheidungen zum Wechsel korrekt und vor allem schnell treffen müssen.
Ich bin kein Freund davon, gerade junge Torleute mit Entscheidungen zu überfrachten, sondern eher, ihnen den Wechsel zwischen zwei "Betriebsarten" im Training nahe zu bringen, damit Sie diese beiden Betriebsarten des Spiels vollumfänglich verinnerlichen und auch den korrekten Moment und das rasche Umschalten möglichst gut umsetzen und damit programmieren.
Erst später kann ich dann die Sache freier gestalten und damit natürlich die Torleute viel stärker fordern... überfrachte ich zu früh, wird es nicht korrekt verinnerlicht und Fehler beim Umschalten sind die Folge, mit eben den oben beschriebenen haarsträubenden Fehlern.

Und letztendlich gibt es wohl noch eine 5. Betriebsart, denn wenn die eigene Mannschaft im Spielaufbau ist, keine unmittelbare Torgefahr besteht, der Torwart aber mit dem Verbund "mitschwimmt", also die Bewegungen der Mannschaft aufnimmt, sich auf dem Spielfeld lateral und logitudinal bewegt. Diese Bewegungen nennen wir "mitschwimmen", sprich die erste Bewegung geht vom Torhüter aus.
Beispiel: Flanke abgefangen und der Torwart macht Druck auf die 16er Linie, löst damit aus, daß der Verbund sofort in Richtung Mittelllinie aufrückt, möglichst keiner mehr hinter dem Torwart steht und sofort das Spielfeld möglichst breit besetzt wird. So entstehen sofort Lücken, in welche die Spieleröffnung startet und die eigenen Spieler dann Bälle im Raum erlaufen und damit Raumgewinn erzielen können. Doch wie oft werden just hier dann Spieler direkt angespielt, weil diese Vorwärtsbewegung nicht durch den Verbund realisiert wird? Damit kommt diese loginudinale Bewegung zum Erliegen und ein rascher Vorstoß wird durch eigenes taktisches Unvermögen unterbunden.
Passiert es aber, erfolgt eben der Abwurf / Abschlag in den Raum, die Mannschaft beginnt sofort sich in der Spielfeldlänge in Richtung gegnerischer Hälfte zu verlagern, die Defensive rückt auf, steht hoch. Der Torwart darf dabei nicht stehen bleiben oder gar sich zurück ziehen, er muss diese Bewegung in seine Bewegung aufnehmen, sich also logitudinal - der Länge nach - mit nach vorn bewegen, ebenso die Bewegung sofort aufnehmen, wenn es in Gegenrichtung bei Ballverlust geht... Er schwimmt daher mit und auch die Verschiebenden Bewegungen des Verbundes aufgrund der Ballverlagerungen sollte der Torwart immer mit machen, so daß er immer Ballfocusiert und Ballausgerichtet bleibt...
Diese "Betriebsart" des Torwarts, wo der Fokus ein wenig runter gefahren ist, wo die Konzentration ein klein wenig abfallen kann, ist eine Mischung aus Spieleröffnung und Raumverteidigung. Der Torwart hat in Gedanken immer einen Spielzug im Kopf, beobachtet aber auch den Gegner und beobachtet dessen Defensivbemühungen. Er coacht auch hier sein Team, denn von hinten hat er eine Übersicht und bleibt damit im Fokus. Wir nennen diesen Zustand gern "Floating", der Torwart lässt sich vom Spiel "treiben"... Ähnlich einem Stück Treibgut kann er in das Spiel der Wogen, des Windes und der Strömungen auf dem Meer nicht eingreifen, ist diesen ausgesetzt. Er wehrt sich nicht dagegen, sondern eher, er wird ein Teil davon. Er treibt mit der Strömung des Spiels, und schwimmt daher immer mit.... so bleibt der Fokus im Spiel erhalten. Rasch kann der Torwart jetzt vom "Floating" in die Raumverteidigung wechseln, wenn der Angriff des Gegners auf das eigene Tor beginnt, von wo aus er dann in den Modus "Zielverteidigung" oder "Eins gegen Eins" wechselt, erfolgt hingegen die Balleroberung durch die eigene Defensive und es erfolgt der Rückpass, wechselt der Torwart von "Raumverteidigung" zu "Spieleröffnung"... und wenn dann alles korrekt läuft, beginnt erneut das "Floating" - Das Mitschwimmen....

Und es ist verdammt wichtig, die Torleute bezüglich dieser Mentalen Grundhaltungen zu sensibilisieren, ja zu schulen.
Hier danke ich Illias Moschos, denn dieser machte mich auf Verhaltensweisen aufmerksam und brachte mich auch hier weiter, und nach dem Wochenende in Krefeld, reifte dieses Prinzip bei mir lange, lange nach.
Und es ist für mich inzwischen essentiel geworden, die Torleute daher für diese Dinge zu sensibilisieren, diese daran zu erinnen und damit diese im Spiel mental fokusiert und mental in der korrekten "Betriebsart" zu wissen.

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