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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Essay zur Fallschule der Torleute, Teil 2

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Wurde die Technik jetzt detailreich in vielen Schritten erklärt, ist die Landung mit einem Bild abgefasst. Wie also landet mein Torwart? Klar, er kracht zu Boden das es scheppert. Ich könnte dutzende Videos jetzt abspielen lassen, wo man in den Zeitlupen sieht, wie destruktive Kräfte des Falls auf Schulter, Kopf, Nacken, Knie und Becken einwirken. Und wenn ich dann in den Foren und Plattformen mitlese, wie viele Torleute über Knie, Schulter und auch Hüftschmerzen jammern - kann ich nur sagen: Vielleicht sollten wir mal ernsthaft darüber nachdenken.
Nochmals zum Bild: Der Torwart liegt im letzten Bild der Technikbeschreibung in der Luft... und nun? Wie landet man denn, was muss also passieren?
Nun, jeder weiß, daß ich mit der alten ungarisch/tschechischen/jugoslawischen Torwarttechnik konform gehe, wo man die Streckung aufrecht erhielt, aber den Körper stark krümmt um die Hände zu Boden zu bekommen, damit man sich auf den Händen in der sogenannten Handstandwelle abfangen konnte.
Thomas Schlieck möchte mir verzeihen, aber als wir damals zum Torwart.de Trainer Tag auf Schalke waren, fragte ich seinen jungen Kollegen nach diesem Thema - es ist so ein wenig eine Stichelei, denn ich möchte ja wissen, ob sich da jemand schon mal einen Kopf drum gemacht hat. Mir ist bewußt, daß richtiges Fallen keine Tor verhindern kann, aber es verhindert Verletzungen und nur ein verletzungsfreier Torwart kann Tore verhindern. Klar kann ich auch noch mit Holzrädern fahren, das Auto bewegt sich damit ebenso und fährt zum Ziel, aber die Gründe für Gummireifen sind jedem von uns bewußt... ich kann also das eine nicht so einfach ausklammern.
Nun, der junge Kollege erklärte mir, daß die Torleute NIE mit dem Gesicht zum Tor landen, IMMER auf der Seite landen und das man darauf extrem scharf achten würde.
Ja, daß sind die Aussagen und ich wußte, daß er damit sich auf höchst dünnem Eis bewegte und eingebrochen ist er im Laufe des Tages dennoch. Nicht nur Louis Hülsmann, heute die Nummer 1 bei Schalkes 2. Mannschaft in der Regionalliga benutze diese Technik, sondern auch der jüngere Tim Wiesner.
Beweis: Klar, hier der Ausschnitt...


Mario Grevelhörster und Tim Wiesner - Schalke 04 - Studien zur Fallschule - Frühjahr 2013

Hier sieht man sehr schön Tim Wiesner, damals noch bei Schalke 04, heute Nummer 1D bei Fortuna Düsseldorf. Achtet man jetzt auf die Zeitlupe, so sieht man den klaren Fokus auf den Ball, das Einleiten der Dynamik durch einen Auftakt mit zusätzlichem Schritt, das käftige Abdrücken zum Ball, der Einsatz des Nicht-Sprungbeins als Schwungbein, und dann die vollständige Körperstreckung in der Diagonalen. Hält man das Bild in der Luft an, sieht man wie Tim Wiesner eben die Streckung aufrecht hält, dann den Leitarm (rechter Arm) zu Boden zeigen läßt und nun den Rücken überstreckt, die Beine nach hinten zieht.
Er landet jetzt, wobei erst die Hände Bodenkontakt herstellen und wie bei einem Sturz im Judo wird durch Beugen der Arme in den Ellenbogen der Unterarm zu Boden gebracht und schon Energie aufgezehrt. Da die Ellenbogen nicht unter dem Körper, sondern links und rechts neben dem Brustkasten zu liegen kommen, bilden die Hände unter und vor dem Gesicht ein "Schutzpolster" - würde der Kopf durchschlagen, würde das Gesicht in die Fläche der Handrücken eintauschen und damit keinen direkten Bodenkontakt haben. Die Dreieckige Lage der Unterarme bewirkt nun, daß über den Oberarm und die Schulter völlig natürlich weiter Kraft abgebaut werden kann. Als nächstes kommt die Hüfte mit dem rechten Oberschenkel zu Boden, dieses Bein treckt sich dabei locker und eine Punktuelle Belastung des Knies wird vermieden, da nun der Körper schon komplett Bodenkontakt hat.
Tim Wiesner hat nicht die Notwendigkeit mehr Schwung abbauen zu müssen, weshalb er sich schon jetzt - mit dem Gesicht zum Tor, ein einen Vierfüsslerstand aufdrückt, den Ball immer noch im Blick hat.
Soviel zum Mythos, daß man auf Falltechnik achtet und die Torleute ausschließlich auf der Seite landen. Aber das Video zeigt etwas, nämlich eine Form der Fallschule, die natürlicherweise bei Stürzen angewendet wird, hier durch Training mehr und mehr kontrolliert durchgeführt wird: Der Vorwärts Sturz, im Judo Mae Ukemi genannt.
Gut zu sehen, daß der Körper im Sturz versteift, die Streckung aufrecht erhalten wird und der Sturz durch das Beugen der Arme abgefangen wird. diese natürliche Form wird im Judo wieder und wieder trainiert, bis die Form als Bewegung im Unterbewußtsein angewandt wird und damit den Fallenden schützt. Im Fussball bei Torleuten ist das anders, hier greift der Körper auf das rudimentäre Programm zurück, benutzt und verfeinert es intuitiv. Interessant ist aber, daß hier die meisten Torhüter in dieser Lage das gleiche Bewegungsmuster verwenden, beim einen ist es verfeinert, beim anderen noch holprig.
Ursache für die nicht flüssige Bewegungsausführung ist, daß kein Training der Fallschule erfolgt. Der Torwart wird nicht angehalten, diese Bewegungen auszuführen. Er bekommt keine Korrekturen der Bewegung wie im Judo, sondern bleibt sich selbst überlassen.

Ein Fehler, wie ich finde. Fallschule wird im Judo unterrichtet, wie wir sehen können auch im LeParcours den Leuten beigebracht. Warum muss daher ein Torwart ohne diese Schulung auskommen, warum nehmen sich nicht endlich Verbände und Sportdiplomanten der Sache an, Analysieren die Einwirkungen der vielen Stürze und entwickeln ein optimales Bewegungsmuster, denn das hat man ja für den Weg zum Ball auch so gemacht und festgelegt... warum nicht für die Landung, oder liegt niemand etwas an der Gesundheit des Sportlers, weshalb man diesen zu Boden scheppern lassen kann?

Wisst Ihr, Aussagen wie Gesicht zum Spielfeld und so einen Kram, daß will ich gar nicht mehr hören. Das sind abgedrosche Phrasen wenn man selbst nicht nachdenken will, oder sich ernsthaft mit der Sache befassen will - oder schlicht keine Ahnung hat.
Wenn Ihr als Trainer der Überzeugung seid, eine Falltechnik ist nicht nötig und der Torwart kann das, fein, dann trainiert Hechten auch im Winter. Und keine Sorge, der Judo trainiert in der Regel auf Matten, doch ein Judoka weiß, daß er die Fallschule deshalb macht, weil es vorkommen kann, daß er auf Böden geworfen wird, die keine Matten haben, oder einen so dünnen Untergrund, daß eben die Matte keinerlei Dämpfung bietet.
Und just hier zeigt sich, die Fallschule läßt damit Training zu, auch unter widrigen Bedingungen.
Doch wir als Tw Trainer, wir trainieren unter den Bedingungen nicht, weil wir wissen: Die Torleute könnten sich verletzen.. wir blenden nur das Wissen aus, daß diese Verletzungen daher rühren, weil die Torleute nicht fallen können, oder zumindest nicht richtig. Und wir blenden auch aus, daß wir als Tw Trainer nicht in der Lage waren und sind, den Torleuten das korrekte Fallen beizubringen.
Übrigens gibt es erste Ansätze zu Fallschulungen aus den Niederlanden, bei Fans Hoek ist dies noch der Fall gewesen, auch Sportdiplomanten haben sich der Sache angenommen und davon einige bleuchtet... aber selten sind diese Falltechniken wirklich mal auf Herz und Nieren geprüft worden. Im LeParcours hat sich durch Trial and Error der Fangemeinde und Ausübenden eine Fallschule herauskristallisiert, die jetzt so unterrichtet wird. Im Judo hingegen stammt die Fallschule aus dem Yoroi-KumiUchi, einer alten waffenlosen Form des Kampfes der Samurai in Rüstung, diese Fallschule wurde dem Sport angepasst, doch diese hat sich einfach aus der Wirksamkeit im Schlachtfeld bis hin zum heutigen Sport gehalten und ist daher ebenso erprobt und bewährt.
Es müssen daher keine empirischen Studien sein, aber eines sollte uns klar werden: Wenn ich nicht auf harten Untergründen trainieren kann, weil der trockene Platz steinhart ist, oder der Platz im Winter in den tiefen Schichten gefroren ist, weil ich mich verletzen würde, ist die Fallschule definitiv nicht praxistauglich und dann zu überdenken.
Nein, ich will niemand anhalten, jetzt auf harten Untergründen zu trainieren, aber sich Gedanken darüber machen, ob der Sturz auch sicher durch Gliedmaßen abgefangen werden kann.
Betrachten wie eine seitliche Landung, so kommt oft der Ball zuerst auf den Boden. Blickt man nun genauer hin, so fehlt dem Torwart Dynamik, weil er das Sprungbein nicht gestreckt lassen kann und das Schwungbein nicht intensiv benutzen kann. Er muss nach dem Absprung das Spungbein meist sofort wieder durchhängen lassen, ein Momentum von Masse in Gegenrichtung, was den Sprung nicht unterstützzt, sondern als Gegenkraft seinem vollen Moment entgegen wirkt. Ja, meine Herren, der Sprung unterliegt der Physik - wir müssen aufhören dies zu leugnen.
Und nun sollten wir mal überlegen, mit welchen mechanischen Komponeten ich den Fall auf der Seite dämpfen kann. Beim Judo fällt beim Yoko Ukemi, den Sturz/Fall seitlich deutlich auf, daß eben erst das Körpergewicht zu Boden geht. Sprich die Hüfte wird zu Boden geführt, erst dann klappt der Körper um. Mit einem seitlichen Fall aus 1,5 Meter Höhe ist das kaum zu vergleichen.
Zwar wird diese Fallschule oft eingesprungen, doch auch dann ist die Landung eher eine leichte rücklage, damit der Fall durch die große Muskulatur am Oberschenkel und Gesäss gedämpft und aufgefangen wird, bevor Schultergürtel und Beine dem Boden entgegen schwingen. Unbewußt hingegen bringen Judoka oft den Arm zuerst zu Boden, landen dann auf seitlichem Gesässmuskel und Schulterblatt gleichzeigit. Für einen Torwasrt eine schlechte Option. Da er den Ball ggf. festhalten muss, kann er den Schultergürtel nicht rückwärts drehen, er würde auf den Rücken fallen,. das Risiko sich hier eine Lungenprellung zu holen ist extrem, der Judoka hingegen kann das optimal kontrollieren. Somit müßte der Torwart mehr nach vorn fallen, wodurc die Judo Fallschule nicht angewendet werden könnte, weil dann der Torwart den Ball haltend, auf den Oberschenkelhals fällt, der nicht gepolstert ist und schwere Hüftprellungen nach sich zieht (Ja, liebe Torleute, wenn Ihr das lest, ich weiß woher Eure Hüftschmerzen kommen!!!). Und wie gesagt, das rückwärtige Liegen auf Gesäss und Schulterblatt erachte ich für nicht sinnvoll, noch wirklich praktikabel.
Viele Torleute landen daher seitlich in einer Form, die ebenfalls nicht immer günstig ist. Sie bringen zumeist erst das Sprungbein zu Boden, berühren also mit der Aussenfläche des Schienbeins den Boden, schlagen dann mit der Hüfte auf, wobei jetzt der Ball auf den Boden gepresst wird. Dab bei der seitlichen Lage die Leithand nicht einfach abgeschraubt werden kann, kommt diese unter den Körper. Da die Last so nicht abgefangen werden kann, weil dafür die Biomechnaik nicht ausgelegt wird. Wir können nur gescheit Kraft aufbauen und Kraft generieren, wenn sich die Arme vor dem Körper befinden. Seitlicher Druck und seitliche Kraft ist daher wesentlich schwächer ausgebildet und ausgeprägt, wie Kraft vor dem Körper. Klimmzüge finden vor dem Körper statt, Liegestützen, vor dem Körper.. seitliches Heben oder Aufstemmen ist Biomechanisch einfach schlecht. Da aber, wie Newton schon weiß, eine Kraft nur durch eine Gegenkraft aufgehoben werden kann, muss also mit den Armen dieser Fall gedämpft werden. Wie soll dies seitlich funktionieren, wenn ich hier keine Kraft gut aufwenden kann?
Fakt ist, der Körper schlägt auf, weder das Bein, noch die Arme können wirklich den Fall dämpfen Denn der Leitarm, der dem Boden zugewandt ist, hält den Ball fest, der Schultergürtel rotiert daher leicht nach vorn, damit kommt aber die Schulter der Leithand, die zu Boden zeigt etwas nach hinten, wodurch der Körper bei der Landung definitiv auf den Arm fallen muss. Da ein Abfangen zudem durch diese Lage erschwert wird, weil der Unteram ja auf den Boden klappt, und dann der Arm in der Schulter nicht direkt mit Gegenkraft eingebeugt werden kann - es geht Biomechanisch nicht - wirkt eine direkte Stoßkraft über den zumeist geraden Oberarm in die Schulter. Dann wird meist der Ellenbogen durchgeschoben, wodurch der Arm frei kommt, aber durch diese Bewegung keine Last aufnehmen kann und der Schultergürtel schlägt hart zu Boden.
Diese seitliche Landung sieht man bei vielen Torleuten und wie zu lesen, ist diese die Bewegungsmechanisch am ungünstigsten veranlage Fallschule, die eigentlich gar keine ist.
Andere Torleute rotieren im Schultergürtel mehr nach vorn, kommen daher mit dem Ball zuerst auf, und ziehen dann den Ball in einer Bewegung an sich in Richtung Bauch, wodurch zumindest der obere Arm Druck auf den Ball ausüben kann, aber allein ist ein Arm nicht in der Lage den Fall zu dämpfen, so daß diese Fallschule zwar runder und für viele Torleute auch angenehmer ist, sie setzt nur ein hohes Gleitmoment frei. Denn die Kraft der Bewegung des Sprunges ist damit nicht abgebaut, sondern muss durch Gleiten über den Boden in Reibungswärme um gewandelt werden. Ein Ausgleiten von einer haleb bis deutlich einer kompletten Körperlänge ist je nach Witterung und Dynamik keine Seltenheit, und weil diese Kraft erst abgebaut sein muss, kann sich der Torwart auch nur dann gegen das Gleiten erheben, wenn seine Gegenkraft größer ist als die Gleitwirkung. Sprich ein sofortiges Aufspringen geht nicht, sondern es muss erst eine bestimmte Kraft über das Gleiten abgebaut worden sein, bevor der Torwart überhaupot gegen diese Kraft anarbeiten kann, um sich zu erheben.
Übrigens sieht man, wenn man Zeitlupen Aufnahmen verfolgt, wie oft Torleute nach dem ersten Bodenkontakt zurück federn. Oft ist dies die Folge der Kraft, die auf die Rippen und versteifende Stützmuskulatur einwirkt. Der Torwart federt zurück wie ein Gummiball, woraus man erkennen kann, daß hier keinerlei Dämpfung erfolgt, sondern letztendlich nur eine Versteifung der Struktur. Schimmer ist, wenn Torleute dann auf dem Leitarm zu liegen kommen, diese federn aktiv zurück, teil, um die Rippen, unter welchen der Arm liegt, zu entlasten. Teils aber auch, um den Arm der Gleitbewegung entsprechend bewegen zu können. Dieses Zurückfedern ist dann sehr deutlich zu sehen. Und ja, es ist auch bei Profis zu reden. Und daher gilt mal wieder: Ab einem bestimmten Leistungslevel ist Sport nicht gesund - Punkt!

Beleuchte ich dies nun alles in einem Kontext, so bleibt nur, daß die Fallschule der alten Torwartzeit, also mit Überrollen oder der Handstandwelle schlicht mehr Vorteile als Nachteile bietet, zumal das Rollen und Vorziehen des Körpers immer die Hände in eine entsprechende, hochwirksame Arbeitsposition vor den Körper zu Boden bringt, womit ich auftretende Kräfte nicht nur abfangen, sondern mich auch gegen diese möglichst rasch erheben kann.
Gesünder wäre diese Bewegung auch, weil eben die Kräfte über entsprechende Strukturen und Bewegungmechanismen abgefangen werden können - nur, daß scheint keiner zu wollen

Aktualisiert: 27.02.2017 um 15:11 von Steffen

Kategorien
Gedanken , Torwarttraining , Profitorhüter

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