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Fußball und wie ich ihn zum Teil erlebe... Eindrücke aus dem Fußballleben und von einen Torwarttrainer

Das Geheimnis des blinden Meisters

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Die Überschrift ist ein wenig irreführend, denn es ist ein Filmtitel. Worum er handelt, spielt nur eine untergeordnete Rolle, aber irgendwo ist die Geschichte genau das, was ich hier runterschreibe.
Kennt ihr aber die Eastern, also diese typischen Kung-Fu-Filme? Die nach immer dem gleichen Schema ablaufen: Böse Buben verhauen den kleinen schmächtigen guten Bubi, der heulend wegläuft und auf den geheimnisvollen alten Meister trifft, der ihn, oft ein wenig widerwillig dann in die ultra geheime Kung-Fu Kunst einführt, womit der Bubi, jetzt gereift, zurückkehrt und die bösen Kerle verhaut.
Der typische Plot eben, und wer das nicht kennt, kann sich gern eine Packung Popcorn nehmen und mal alte Jackie Chan Filme anschauen, wie "Die Schlange im Schatten des Adlers" oder "Sie nannten Ihn Knochenbrecher (Drunken Master)"
Getoppt wird das alles nur noch durch die Ninja Filme der 80er/90er Jahre. Ausgehend von den Shinobi no mono Filmen aus Japan erlebten die Kinos einen wahren Boom solcher Filme, wie "American Ninja" die bei uns als "American Fighter" liefen, aber auch Filme wie "Die 1000 Augen der Ninja" oder "Die Rache der Ninja" waren schlicht für diese Form klassisch. Sie griffen das Prinzip des Eastern auf, nur das der Held mit seiner Kampfkunst im Schatten hielt, dann plötzlich explodierte und eine Kneipe leer machte, wie es Bud Spencer in besten Zeiten nicht geschafft hätte.
Meistens wurden er und seine Kumpels von komischen schwarz vermummten Gestalten angegriffen. Schnell war dann heraus, das es sich dann dabei um Ninjas handelte und die verdutzten Kumpel mussten erfahren, das der Help selbst ein Ninja war. Gelernt hatte er das meist unter mysteriösen Umständen von einen alten Meister... Sprüche wie "Nur ein Ninja kann einen Ninja töten" oder "Er kämpft wie ein Ninja" prägten damals die typischen Schlechtwettertage, die wir mit Popcorn in den günstigen Bahnhofkinos verbrachten, und diese Filme konsumierten, weil es günstig, trocken, warm und lustig war. Zeiten die ich vermisse...
Wisst ihr, ich war als Junge ein flinker, aber nicht kräftiger Typ. Nicht ein prächtiges Raubtier hätte für mich gestanden, sondern eher Ratte oder Wiesel.
Aufgrund meiner großen Klappe bekam auch ich immer, zumeist nicht zu unrecht, meine Abreibung... aber ab und an auch, weil ich einfach das Opfer war. Das wollte meine Oma so nicht und so wurde ich ins Judo geschickt, ich sollte lernen, mich zu verteidigen.
Nunja, ab dem Zeitpunkt wanderte ich Woche für Woche in den kleinen Hinterhof, wo eine Halle stand, in der wir trainierten. Mein Lehrer Ted Tanaka war kein alter Meister und keine mystische Gestalt, sondern ein US-Japaner mit deutschen Wurzeln, und ein volltrainierter Sportler. Wir waren alle eine Gruppe spinnerter deutscher Kinder, die mit Disziplin und Ettikette soviel zu tun hatten wie ein Hund mit Tischmanieren.
So lernten wir still sitzen, bis der Lehrer den "Befehl" zur Aufmerksamkeit gab, machten Liegestützen, SitUps und andere Übungen, wir schwitzten... aber wir hatten Spaß... und wir lernten... stundenlang mussten wir das Fallen üben. Und am Ende dann immer wieder die Haltegriffe, die noch heute in mir drinnen sind: Kesa-gatame, Kata-gatame, Tate-shiho-gatame, Yoko-shiho-gatame und Kami-shiho-gatame....
Wir hatten ein Mädchen dabei, das einzige in der Gruppe und mit Abstand das größte Kind der Gruppe. Keiner wollte mit Ihr trainieren, ich habe leider heute ihren Namen vergessen. Sie war gefürchtet, denn sie war eine Maschine. Wer von Ihr gepackt worden war, wurde in den Haltegriffe genommen und dann gab es kein Entrinnen...egal welchen Kniff man anwenden wollte, es ging nicht. Und dieses Mädchen wollte unbedingt immer mit mir trainieren, und ich schwitze unter Ihr.... viel lieber hätte ich einfach mit dem kleinen Italiener der Truppe trainiert, da könnte ich wenigstens auch mal gewinnen, aber gegen das Mädchen - ich war chancenlos.
Eines Tages fragte ich Sie, warum sie immer mit mir trainieren möchte und ihre Antwort bewegte mich sehr:
"Weil ich nur bei Dir sicher bin, dass es richtig ist. Die anderen, die sind Gummipuppen, da lerne ich nichts. Du wehrst Dich wenigstens richtig, wenn es da funktioniert, weiß ich, dass es richtig ist!"
Diese Worte brachten mich zum Nachdenken und in meinem kleinen Kopf wuchs der Gedanke, dass wenn ich es schaffte, sie zu bezwingen, dann war auch meins richtig und vor allem wer sollte mich dann aufhalten?
Ab da trainierte ich fast ausschließlich mit dem Mädchen, und so wurden wir beide richtig gute Kinder-Judoka.. Sie besuchte bald schon Wettkämpfe, ich ging lieber auf den Bolzplatz. Nach fast drei Jahren schloss die kleine Kampfsportschule, denn der Trainer wurde versetzt und da es keinen Nachfolger gab, wurde geschlossen.
Traurig war ich nicht, denn der Fußball nahm mich mehr und mehr in Beschlag.
Trotzdem lies mich der Kampfsport nie los und weil ich einfach damit groß geworden war. Ich fand ein neues Judo Dojo, im Keller des Rathauses. Dort wuchs ich, weil ich Talent hatte Bewegungen zu verstehen, aber auch zu erklären, würde ich mit 16 Trainer einer Kindertruppe. Mit 18 Jahren begann ich Lehrgänge zu besuchen, Trainer wie Erich Scherer, Axel van der Gröben, Gabi Ritschel, Peter Frese, Rolf Rhode und Gerhard Schmitt begleitetet mich auf Lehrgängen zu Standtechniken, Bodentechniken, Selbstverteidigung, Kombinationsformen und so weiter... ich verstand rasch, dass es nicht wie in den Eastern war, sondern jeder Trainer einem etwas spezielles geben kann, dass nie ein Trainer wirklich alles hat.
Ernüchtert würde ich dann auf der Judo Europameisterschaft, wo ich zuschaute... der elegante Sport, den ich den Kindern vermittelte, war nichts als bei den meisten Sportlern ein zwei Spezialwürfe, die reingezerrt und reingemuskelt wurden...
Meine Suche begann, nach dem wahren Meister, nach einer anderen Kampfkunst.
Ich lernte so meinen Lehrer Volker Kühn kennen, und meinen Lehrer Steffen Fröhlich.
Doch nicht allein diese beeinflussten mich, auch andere wie Sveneric Bogsäter, Jack Hoban, Kevin Milis, Peter King... sie kamen nicht mehr aus Deutschland, sondern aus Italien, Frankreich, Schweden, Großbritannien, den US und auch aus Japan... Wisst Ihr, ich nenne diese Namen, denn ich ehre damit die, die mir etwas beigebracht haben. Man darf/sollte sich nie dieser Lehrer schämen.
Und ich entdeckte das Geheimnis des blinden Meisters. Danken muss ich da dem Mädchen aus dem Judo... der heute namenlosen...
Viele versuchte nämlich einem Lehrer wie ein Abziehbild zu ähneln, sie wollten förmlich eine Kopie des Lehrer werden. Das war dann so, dass die Anhänger anstelle in Budohosen in einer Art militärischer Cargohose auf der Matte standen, oder anstelle der üblichen Jacken besondere Jacken trugen, oder sehr schräge Angewohnheiten hatten.
Sie verfolgten das Prinzip, diesem einen Meister zu folgen und so zu werden wie dieser.
Ich für meinen Teil musste erkennen und schmerzhaft erfahren, dass eben das sinnlose Kopieren nicht reicht. Das ging noch am Anfang, wo man eine Texhnik übernahm und eins zu eins so ausführte, wie das der Trainer wollte oder vorgemacht hatte. Aber rasch musste ich erkennen, dass das Mädchen aus dem Judo recht hatte: mit dem einen konnte man das nicht trainieren, der schmolz förmlich zu Boden, sobald man ihn berührte, bei dem anderen wollte die Technik einfach nicht funktionieren, wie der Lehrer es vor gemacht hatte. Letztere wurden aber meine Ziele, und ich lernte, dass das pure Festhalten an einer Form nicht immer richtig war. Richtig, die Form zu verstehen, denn Sinn derselben zu verstehen und die zugrunde liegende Funktionsweise zu begreifen - dafür gab es Kata.
Doch wenn dann etwas funktionieren sollte, musste man ein wenig vom Weg abweichen. Nicht viel, aber ein wenig. Henka, Variation.
Diese Variationen waren Veränderungen des Griffes, eine Änderung des Fusswinkels und ähnliches... diese Unterschieden sich von den Ausführungen der Lehrer, waren aber noch innerhalb der Kata.
Oft kamen diese Veränderungen durch andere Lehrer und ich musste lernen, das es nicht falsch oder richtig gab, sondern eher anders. Richtig innerhalb der Form, Richtig aber auch in der Henka... nicht ein Meister hatte Recht oder war die Essenz, sondern jeder hatte etwas zu geben, jeder konnte einem helfen...

Gehen wir jetzt mal zu den Fussballtorhütern, denn hier wurde ich mit rund 19 Jahren Tw Trainer. Es gab keine Unterlagen, es gab nichts. Man sollte einfach was man selbst konnte, an die Jungen Torleute weiter geben.
Ich will nicht sagen, das es toll war, den Kindern hat es gefallen, aber es war als Tw Trainer einfach nur grottenschlecht.
Das hat sich geändert. Trainerkurse, und man lernte Rainer Berg kennen. Kurt Kowarz, der Manuel Neuer während der U21 Europameisterschaft als Tw Trainer begleitet hat, Christian Lasch, Sven Hoffmeister, Michael Gibhardt... die ersten Hospitationen bei Andreas Kalusche und Matthias Bolz, später dann Eberhard Trautner, Dennis Rudel... über Torwart.de dann Hans Leitert, Thomas Schlieck, Trautner, Michael Rechner, Alexander Bade, und Simon Panter; durch den DFB dann Michael Fuchs, Silke Rottenberg, Jörg Daniel, Andreas Menger, Dimo Wache, Sven Neuhaus, David Thiel, Norbert Lorz. Kurz kennengelernt Stefan Wächter, Robert Wulnikowski, Andreas Kronenberg, Sepp Maier, Ursula Holl, Andreas Köpke, Sebastian Rauch....
Viele Namen... viele Einflüsse. Viele Lehrer...
Ich habe die Tw Techniken neu erlernt, nicht nur für mich selbst, sondern auch diese zu unterrichten. Mit diesem Wissen weiß ich heute, warum mein Training damals nicht gut war... ich bin darin gewachsen, habe mich gestreckt, musste mich strecken.
Übungen haben sich verändert... was damals passte, passte nicht mehr, wurde passend gemacht oder ersetzt.
Doch was ich im Kampfsport lernte, beeinflusste mich nachhaltig! Ich hatte und einfach kein Idol. Ich habe nicht diesen einen alten Meister, der mir alles beibringt oder beigebracht hat.
Sondern wie der Blinde Meister lernte ich, dass nicht das lernen eines Stils und einer Methode unbezwingbar macht, sondern das Verstehen der Vielzahl... die Grundform ist dabei die Grundlage, auf dieser fußt alles und selbst darunter, gibt es Grundpfeilern, auf denen diese Grundformen ruhen. Man lernt die Grundformen, sieht erste Variationen... und dann kommt einer, der einem die Grundpfeiler zeigt und plötzlich wird es klar... die Grundformen sind nicht fix, sie variieren.. sie müssen es, weil nicht eine Situation im Spiel der anderen gleicht. Und nicht jeder Trainer, oder sagen wir auch hier der Ehre halber Lehrer hatte dafür das beste Rezept. Jeder sah es anders und rasch verstand ich - falsch gibt es nicht, weil die Lösungswege unterschiedlich sind, das Ziel war aber immer gleich...
und ich lernte zu begreifen, dass oft die Lösungswege deshalb differenzieren, weil die Trainer lange mit einem Torwart gearbeitet haben. Hier entwickelten sich Lösungswege in dieser Partnerschaft... sportlich bedingt, denn nicht ein Torwart ist wie der andere... Jens Lehmann ging anders zu Flanken als Timo Hildebrand
Doch keiner machte es falsch, nur anders.
Und weil ich verstand, dass die sinnlose Anhängerschaft an einen Trainer und eine Methode nicht zielführende war, kopierte ich nicht einfach.
Zusammen mit meinen Torleuten probierten wir... Marten Arts, Frans Hoek, später Trautner, Fuchs, Panter, Thiel, Lorz und Rechner... wir stellten auf die Probe... der eine Torwart fand eine neue, für ihn praktische Lösung, der andere nur einen neuen Anreiz... aber ich stellte fest, dass eben wie im Kampfsport das pure Übernehmen, ja das Kopieren, der Versuch wie ein bestimmter Lehrer/Trainer zu werden, nicht die Lösung ist. Man muss die Grundlagen kennen, muss aber auch die Grundpfeiler verstehen... und aus diesem Verständnis sieht man die anderen Lehrer/Trainer, und beginnt zu verstehen, warum sie es so oder so lösen lassen...
Und dieses Verständnis führte bei mir dazu, dass ich von diesem Trainer das übernommen habe, von einem anderen dieses... jeder brachte mich irgendwo weiter und das Geheimnis des Blinden Meisters erreichte mich endlich...

Das ist auch der Grund, warum ich einen Hype, wie jetzt viele um Patrick Foletti aus der Schweiz machen, für mich unverständlich. Sicher, neue Impulse, neue Ideen... aber verstehe nicht, warum man jetzt versucht, einen Trainer und ein Prinzip jetzt so hoch zu jubeln.. das wird einfach anderen nicht gerecht, noch ist es sinnvoll oder zielgerichtet... so erreicht nur wenige das Geheimnis des blinden Meisters

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