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ryx0riz0r

Mein langer Weg zurück...

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Ich weiß gar nicht so wirklich wo ich anfangen soll. Ich hab mir hier zwar alles zusammengeschrieben, aber ich möchte euch hier auch keinen Roman auferlegen...
Fangen wir am besten ganz von vorne an. Wir schreiben den 26.11.2016, einen Tag vor dem 1. Advent und ich habe endlich meine Chance mich wiedermal in der ersten Mannschaft in der Landesliga Mitte beweisen zu dürfen, da sich unser Stammtorwart im vorigen Spiel an der Schulter verletzt hatte und daher ausgefallen war. Ich fühlte mich gut, war fit und konnte auch beim Warmschießen schon ein paar gute Bälle "fischen". Leider musste wir auf den Kunstrasen ausweichen, da das Wetter zu dieser Zeit nicht mitspielte. Ich spielte bis Mitte der ersten Hälfte eine gute Partie und hatte auch ein, zwei Paraden um mich auszuzeichnen. Doch dann passierte etwas, was die letzten 9 Monate etwas anders beeinflussen sollte, als ich mir das vorgstellt hatte. Ich bekam von etwa der Mittellinie einen Rückpass und wollte diesen sofort weiter auf den Flügel spielen. Ich nahm den Ball mit der rechten Innenseite an, mache den Schritt zum Ball bzw. will den Ball wie beschrieben nach außen spielen - PLOPP. Ich spüre sofort ein taubes Gefühl in der linken Fersengegend und erwarte das Schlimmste. Als Sportler kennt man seinen Körper und ich kannte meinen. Ich saß mich also hin, Schiedsrichter unterbrach das Spiel und ich tastete in böser Vorahnung die Fersengegend ab und stellte fest, dass da keine Achillessehne mehr war. Ich war keine 20 Sekunden aus der Partie da kassierten wir das 0:1.... Das wir das Spiel am Ende noch 3:2 gewannen bekam ich erst spät Abends im Krankenhaus mit, denn die Diagnose konnte in dem Fall recht schnell gestellt werden und ich wusste, das das für mich bedeuten würde. Sehr lange keinen Fußball, ja überhaupt keine Bewegung.

Ich wurde am darauf folgenden Tag morgens operiert. Die OP Schwester konnte sich ein lautes Lachen nicht verkneifen als ich meinte "So habe ich mir den 1. Advent irgendwie nicht vorgstellt". Die OP verlief allerdings gut und ich konnte auch schon bald nach Hause. Die nächsten Wochen waren allerdings der Horror. Man fällt von Arztbesuch zu Arztbesuch, darf sich täglich Spritzen gegen Thrombose ins Bein jagen und für jeden Mist braucht man eine helfende Hand. Man kommt sich vor wie der größte Idiot, denn man darf den Fuß ja kaum belasten. Ohne die entsprechende Orthese ja überhaupt nicht. Da wird selbst Ausziehen, Umziehen und Duschen zum Problem. Zähneputzen auf einem Hocker und anschließendes Schlafen (wenn überhaupt möglich) mit Orthese. 6 Wochen Tag und Nacht musste ich das Mistding tragen. Die Schmerzen traten ziemlich unterschiedlich auf. Meistens nach dem Aufwachen dachte ich, dass mir jemand mit einer Axt das Bein abtrennen würde. Zwischendurch dann 2x die Woche Physiotherapie und ein Studium lässt sich auch nicht von alleine organisieren, vor allem da zu diesem Zeitpunkt und gegen Ende Januar Prüfungen anstanden. War echt ein optimaler Zeitpunkt den ich mir da ausgesucht hatte.

Etwa 8-9 Wochen dauerte diese "Leidensphase", die ich nicht mal meinem ärgsten Feind wünschen würde. Erst dann konnte ich langsam anfangen in normalen Schuhen zu gehen und sah wieder aus wie ein normaler Mensch. Da merkt man erst, wie schnell man überhaupt durch bestimmte Raster fällt. Mit Krücken bzw. Gehhilfen wird man angeglotzt als ob man ein Alien wäre...
Wie dem auch sei, denn ich merkte von Woche zu Woche stetige Verbesserungen. Sollte diesen Bericht zufällig jemand lesen, der gerade die gleiche Verletzung hat, dann sei dem gesagt, dass es sich auf jeden Fall lohnt diszipliniert dem Behandlungsplan zu folgen. Nichts voreilig "verschlimmbessern". Dem Körper Zeit zum Heilen geben und nichts überstürzen. So habe ich auch die Orthese eine Woche länger getragen, habe eine Woche länger gewartet um wieder Autofahren zu können, habe bis zum 7. Monat gewartet bis ich wieder mit dem Lauftraining begonnen habe. Das war Anfang Juni. Da habe ich einsam meine Kreise um den Trainingsplatz gedreht mit dem Gewissen, dass, wenn ich jetzt hart aber nicht überhastet an mir arbeite, es alles wieder so wird wie früher. Ab dem 8. Monat habe ich dann angefangen mich wieder an Richtungswechsel und Sprünge zu trauen. Stabiübungen und Einzeltraining waren da an der Tagesordnung. Am Nebenplatz hat meistens zeitgleich die erste Mannschaft trainiert. So hatte ich mein Ziel immer vor Augen, was mir sehr geholfen hat. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich lediglich mit belastungsabhängigen Schmerzen zu kämpfen und mit einem natürlichen Kraftdefizit auf der verletzten Seite.

Ende Juli dann der Sprung ins Mannschaftstraining und 100% im Torwarttraining. Vielen Dank nochmal an Phil, der mit mir auch immer wieder individuell trainiert hat und selbst in der Vorbereitung sich immer Zeit für mich genommen hat. Es war schließlich meine erste schlimme Verletzung in fast 20 Jahren aktivem Fußball. Für mich war das absolutes Neuland, aber ich wusste, dass nur harte Arbeit und Durchhaltevermögen sich auszahlen würde. Ende August hatte ich dann in einem Testspiel den ersten Härtetest ob der Fuß den Belastungen von 90 Minuten bereits gewachsen ist. Guten Gewissen konnte ich das damals mit "ja" beantworten. Ich gab mir selbst aber noch ein paar Wochen für nötige Fortschritte um auch ruhigen Gewissens wieder in Pflichtspiele gehen zu können. Mein Physio meinte immer 9-12 Monate sind das Mindeste, bis man wieder Pflichtspiele absolvieren kann. Ich sollte es in etwas mehr als 9 Monaten schaffen zurückzukommen.

Heute schreiben wir den 10.09.17, 289 Tage nach der Verletzung. Ich bin heute 26 Jahre alt geworden und konnte mein Comeback mit einem 3:0 Heimsieg feiern, mit allen Kumpels und Freunden, die mir wichtig sind. Es war der schönste Tag seit langem. Auch wenn die Tage kürzer werden und die Dunkelheit wieder die Oberhand gewinnt: Das Licht am Ende des Tunnels ist heller, als jede Dunkelheit die hinter mir liegt. Ich bin einfach froh wieder meiner Leidenschaft nachgehen zu können. So dumm sich das anhört, aber sich hinter Bällen herzuwerfen ist mit das wichtigste in meinem Leben. Ein Ausgleich zum tristen Alltag, ein Zusammensein mit guten Freunden. Ich wünsche niemanden, dass er so lange seiner Leidenschaft von "draußen" zuschauen muss, wie ich. Natürlich gibt es schlimmere und wichtigere Dinge im Leben, aber um glücklich sein zu können, brauche ich diesen Gott verdammten Fußball. Und dieser hat mich endlich wieder.

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