Hildebrand: Rollen sind klar verteilt
Der Nationaltorwart über Lehmann, Koeman und Enke
Timo Hildebrands Problem sind die alten Männer. Im Nationaltor steht Jens Lehmann (38) vor ihm. In Valencia konkurriert der 28-Jährige mit Santiago Canizares (wird im Dezember 38). Im NP-Interview sagt er, warum er sich vor Robert Enke (30) als deutsche Nummer zwei sieht. Das Gespräch führte Redakteur Andreas Willeke.
VON ANDREAS WILLEKE
Herr Hildebrand, würden Sie auch in die zweite Liga gehen, um die EM-Teilnahme zu retten?
Jens Lehmann steckt in einer speziellen Situation. Ich glaube aber nicht, dass er in die zweite Liga geht. Vielleicht wars doch eher ein Spaß. Aber Jogi Löw will schon, dass seine Spieler spielen. Deshalb denke ich, dass Jens im Winter den Verein auf jeden Fall wechseln wird, wohin, wird man sehen. Es ist für ihn sicher unbefriedigend, am Ende seiner Karriere bei Arsenal auf der Bank zu sitzen.
Sind Sie denn in Valencia mittlerweile Stammspieler?
Das weiß ich nicht. Es war ein bisschen turbulent in den letzten Wochen. Ich weiß nicht, wie der neue Trainer die neue Situation handhabt. Er hat sich noch nicht geäußert, aber er hat mich auch nach meinem Fehler gegen Trondheim wieder aufgestellt. Es ist nicht gut, wenn immer hin- und hergewechselt wird im Tor.
Ihr niederländischer Trainer Ronald Koeman hat sich bei der EM 1988 mal auf dem Platz den Hintern mit dem deutschen Trikot abgewischt. Haben Sie schon darüber gesprochen?
Er hat mir gleich gesagt, dass die deutsche Presse darüber geschrieben hat. Aber für ihn ist das Vergangenheit, da gibt es überhaupt kein Problem.
Ihr Verhältnis zu Canizares, dem Konkurrenten in Valencia, soll sehr angespannt sein.
Für ihn ist Konkurrenzkampf zwar nicht unbedingt Feindschaft, aber auch keine Freundschaft, wie ich das mit meinen Torhüterkollegen immer gehalten habe.
Ihr Verhältnis zu Canizares ist also so wie das von Kahn zu Lehmann?
Es ist professionell.
Bei der Nationalelf versteht man sich jetzt aber besser unter Torhütern?
Ja, weil die Rollen klar verteilt sind. Der Bundestrainer hat das klar formuliert. Ich bin nicht der Typ, der anderen Schlechtes wünscht. Ich versuche mich positiv einzubringen und nicht irgendwie Theater zu machen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich zufrieden bin mit der Situation. Ich akzeptiere sie, aber gleichzeitig will ich auch spielen.
Stellen Sie doch mal die Rangliste der deutschen Torhüter auf!
Schwierig. Wir sind gut aufgestellt mit unseren Torhütern, so wie es im Moment ist. Danach kommen große Talente, die sich aber noch viel erarbeiten müssen.
Sie sehen sich aber als Nummer zwei?
Ja klar, warum nicht?
Weil der Bundestrainer vor einem Jahr den Wettbewerb hinter Lehmann für eröffnet erklärt hat.
Ich war jetzt war bei jedem EM-Qualifikationsspiel als Nummer zwei dabei und stehe außerdem im Tor von Valencia, das ist ein europäischer Topklub.
Werden Sie oder Ihr Konkurrent Robert Enke bei seinem Heimspiel Sonnabend gegen Zypern auf der Bank sitzen?
Ich gehe davon aus, dass ich als Nummer zwei auf der Bank sitze. Wie es dann gegen Wales weitergeht, hält sich der Bundestrainer offen.
Nach dem 0:3 gegen Tschechien hat Torwarttrainer Andreas Köpke kritisiert, Ihnen fehle die letzte Verbissenheit. Hat er recht?
Ich soll mehr Druck ausüben. Das wird aber auch falsch interpretiert, weil ich nicht so viel Theater mache. Da denkt man vielleicht, mir fehlt die letzte Verbissenheit.
Sie haben mit Conti einen Sponsor, der in Hannover sitzt. Der Konzern hat Sie ausgewählt und nicht den 96-Profi Enke. Haben Sie mehr Profil?
Das kam, weil ich schon Nationalspieler war. Es passt super mit Conti, das wird eine langjährige Partnerschaft bleiben. Der Spot läuft bis zur EM, dann wird man sehen.
Sehen Sie sich denn nach der EM als die Nummer eins im Tor?
Wenn Jens aufhört, liegt es nahe, dass ich als Nummer zwei die Nummer eins werden will.
Betrachten Sie aus Spanien den deutschen Fußball mit anderen Augen?
Mit Ausnahme der Nationalmannschaft reißt Deutschland international nicht viel. Da muss man jetzt genauer hinschauen, was man verbessern kann.
Sie müssten es doch beurteilen können – wird in Spanien anders trainiert?
Nicht wirklich. Aber in Spanien spielen die besten Spieler, die technisch viel besser ausgebildet sind. Das Spiel ist viel schneller.
Und die Sonne scheint häufiger. Fällt Ihnen die Umstellung auf die norddeutsche Tiefebene schwer?
Die Kälte spüre ich schon. Bevor ich nach Barsinghausen gekommen bin, konnte ich noch auf meiner Terrasse frühstücken.
Haben Sie trotzdem schon mal bedauert, Stuttgart verlassen zu haben?
Auf keinen Fall. Klar ist es ab und zu auch mal schwer, ich bin ja noch in der Eingewöhnungsphase. Aber ich bereue überhaupt nichts.
Quelle: Neue Presse, 16.11.2007