Zweifellos hat sich Oliver Kahn durch eigenes Verschulden in eine peinliche Situation gebracht. Wenn das, was ich durch oberflächliches Verfolgen dieser Angelegenheit aus der Boulevardpresse entnommen habe richtig ist, ist der / die Seitensprung / -sprünge moralisch sicherlich bedenklich, darüber besteht wohl kaum ein Zweifel.

Genauso zweifelsfrei darf wohl festgestellt werden, dass Kahn nicht der einzige Mann in Deutschland ist, der seine Frau betrügt - umgekehrt gibt es natürlich auch genügend Frauen, die ihren Partnern nicht treu sind. Würde man Derartiges als Kavaliersdelikt bezeichnen, wären die ethischen Grundsätze am Bröckeln und dies ein Rückschritt für die Gesellschaft.

Im Grunde stellt sich jedoch die Frage, in wie weit die Privatangelegenheiten von Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, dort auch diskutiert und veröffentlicht werden dürfen. Man kann natürlich die Meinung vertreten, dass Menschen, die Ihren Erfolg und den daraus resultierenden Wohlstand eben dieser Gesellschaft zu verdanken haben und somit auch dazu verpflichtet sind, auf allen Titelseiten zu erscheinen. Dies dürfte wohl weitläufig unter dem Begriff Schmerzensgeld die Runde machen. Auch hört man immer wieder die Vorbildfunktion, die ein Mann wie Kahn hat. Immerhin laufen Tausende von Jugendlichen mit seinem Trikot inklusive seinem Namen auf dem Rücken durch die Gegend und wie soll bitteschön ein Vater seinem 8-jährigen erklären, warum gerade sein Idol in der Presse kritisiert wird.

Erschwerend kommt für Kahn hinzu, dass München natürlich ein heißes Pflaster und ist die Presse die undefinierten Grenzen des guten Geschmacks oder der Fairness nach eigenen Vorstellungen definiert. Salopp formuliert heißt das, zwei von drei abgedruckten Sätzen sind erlogen oder zumindest übertrieben verfälscht. Außerdem ist die Mannschaft des FC Bayern momentan nicht anzugreifen - das Aus in der Championsleague ist ausdiskutiert, Elber trifft und Deissler spielt wieder und sie stehen vor dem Double. Da muss etwas für die Öffentlichkeit geschehen - derartige Themen sind sehr willkommen. Gegenbeispiel: Wenn ein Torhüter aus der zweiten Liga innerhalb von drei Tagen von seiner Frau verlassen wird, seine Mutter stirbt und er den Führerschein wegen Trunkenheit entzogen bekommt und im nächsten Spiel zwei Patzer macht, interessiert das keinen Menschen, außer vielleicht seinen Trainer. Aber so lange niemand in der Öffentlichkeit etwas davon erfährt, passiert nichts, außer er sitzt im nächsten Spiel vielleicht auf der Bank.

Vorteil für Kahn ist in der Tat sein professioneller Umgang mit den Vorwürfen und vor allem seine starke Leistung auf dem Spielfeld. Gut vorstellbar, dass er aus dieser Situation gestärkt hervorgeht. Jedenfalls ist es ihm und der ganzen Gesellschaft zu wünschen, dass dieses Drama bald ein Ende hat - die nächste sogenannte Sensation wartet bereits.

Gruß aus München