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Das Konzept ist gewagt: Eine Show, die sich ausschließlich den unteren Ligen des Fußballs widmet, da, wo der Glamour weit weg und das Geläuf tief ist. In der neuen DSF-Sendung "Kreisklasse" stehen nicht die Profis, sondern die Vereine zwischen C-Klasse und Verbandsliga im medialen Rampenlicht.


INTERVIEW MIT MODERATOR ULLI POTOFSKI

"Lustig und trinkfest"

Als "Anpfiff"-Ansager bei RTL war er bis 1994 das Gesicht der Bundesliga. In der DSF-Show "Kreisklasse" widmet sich Ulli Potofski nun dem unterklassigen Kick. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE spricht Potofski über fiese Grätschen, Bolzplatz-Romantik und Bundesligastars in den Niederungen des Fußballs.

SPIEGEL ONLINE: Herr Potofski, bei RTL haben Sie vor 16 Jahren mit der Bundesligashow "Anpfiff" deutsche Fernsehgeschichte geschrieben. Jetzt berichten Sie über die Kreisklasse. Sind Sie beruflich abgestiegen?

Potofski: Das sehe ich überhaupt nicht so. Mir macht beides Spaß, sonst hätte ich mir das Konzept nicht ausgedacht. Ich bin ja nach wie vor bei RTL angestellt, und da haben wir aktuell leider keinen Fußball. Das ist generell schlecht für jemanden, der gerne Fußballmoderator ist. Jetzt bietet sich mir eben diese Alternative, und ich glaube, dass man das genauso nett und vielleicht sogar an der einen oder anderen Stelle interessanter moderieren kann als das, was die Kollegen in der Bundesliga-Berichterstattung machen. Dort ist, glaube ich, in den letzten 15 Jahren das Menschliche zu kurz gekommen. Das finden Sie in den unteren Klassen.

SPIEGEL ONLINE: Und sicher auch dankbare Gesprächspartner?

Potofski: Einen Trainer oder Spieler aus dem Profibereich zum Sprechen zu bekommen, so, dass er sich wirklich mal öffnet, ist sicherlich eine ganz andere Herausforderung. Bei den Amateuren ist der Zugang viel einfacher, weil die Leute sich unheimlich freuen, dass man sich um sie kümmert. Ich weiß nicht, wie viel hundert Leute uns schon Mails geschickt haben, mit der Bitte, wir mögen doch bitte über sie berichten. Die meisten Bewerbungen ähneln sich doch ziemlich - nach dem Motto: Wir sind ein lustiger Verein und sind trinkfest. Die journalistische Herausforderung besteht darin, dass man daraus die interessanten und verrückten Geschichten raussucht.

SPIEGEL ONLINE: Geht es bei den Amateuren ehrlicher zu als im Profifußball?

Potofski: Das ist eine der Fragen, der ich im Rahmen dieser Sendung nachgehen werde. Die Jungs, die Sonntagmorgen um neun Uhr aufstehen und dann auf den Platz krauchen, kein Geld dafür bekommen und im Schlamm wühlen, das hat für mich zumindest von der Vorstellung her etwas sehr ehrliches.

SPIEGEL ONLINE: Fragt sich nur, ob diese Bolzplatz-Romantik auf Dauer auch die notwendigen Zuschauermassen mobilisiert, die über Wohl und Wehe einer Show entscheiden.

Potofski: Natürlich brauchen wir erstmal eine Anlaufphase. Ich hoffe aber, dass das Ganze im Verlauf der ersten 20 Sendungen, die vorerst geplant sind, dahin führt, wo ich hin will. Das schöne ist, dass es keine Sendung ist, die vorher pilotiert wurde, so wie das sonst üblich ist, wenn man irgendwelche Marktforscher beauftragt. Ich denke, das ist alles ziemlicher Unsinn, der da zum Teil im Fernsehen gemacht wird. Man muss einem Format oder einer Idee mal ein bisschen Zeit geben, so wie früher. Ich hoffe, dass wir die haben. Deswegen freue ich mich sehr drauf.

SPIEGEL ONLINE: Braucht der Zuschauer eine "Kreisklasse"-Show?

Potofski: Was heißt hier braucht! Wir brauchen überhaupt kein Fernsehen. Aber das ist ein anderes Thema. Worauf es mir ankommt: Ich will etwas Normales machen, auch wenn das bei den Privatsendern verpönt ist. Normalität klingt ja nach Langeweile, was sie aber nicht sein muss. Ich glaube, die Leute sehnen sich nach Normalität.

SPIEGEL ONLINE: Die "Leute", die sie ansprechen wollen, dürften zu 99 Prozent männlichen Geschlechts sein.

Potofski: Gerade in den unteren Vereinen ist das oft eine sehr familiäre Geschichte bei der auch die Frauen eingebunden sind. Außerdem interessieren mich ja auch Frauenteams. Genauso wie reine Bolzmannschaften oder Jugendteams. Sieben Millionen Menschen spielen in Deutschland Fußball, da gibt es die tollsten Geschichten, die auch das weibliche Publikum begeistern werden. Fußball hat auch eine sehr soziale Komponente, die es zu würdigen gilt.

SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel?

Potofski: Nehmen wir einen kleinen Verein in Gelsenkirchen, wo 250 Kinder trainieren. Sagen wir 80 aus Albanien, 60 aus dem Kosovo und ich weiß nicht, wo die alle herkommen. Wahrscheinlich wird keiner von denen mal ein großer Fußballstar - und trotzdem gibt es zwei Leute, die sich unentgeltlich um diese 250 Kinder kümmern. Das ist ein Beispiel dafür, was die wirklich große soziale Leistung des Fußballs ist. Wenn wir das ab und zu mittransportieren, würde mich das schon sehr freuen.

SPIEGEL ONLINE: Das Konzept zur Sendung stammt von Ihnen. Welche sind die wichtigsten Elemente?

Potofski: Am Anfang steht der einfachste und billigste Teil: Wir sagen, schickt uns schöne Tore und verrückte Szenen, die Ihr in den letzten zehn, fünfzehn Jahren mit Euren kleinen Kameras eingefangen habt. Das zeigen wir in der Art einer Hitparade. Da sind schon sehr bemerkenswerte Dinger angekommen. Dann haben wir die Kategorie "Die Wahrheit liegt auf'm Platz", in der wir die Dinge teilweise inszenieren. Dort kann es zum Beispiel passieren, dass ein Ailton in der dritten Kreisklasse mitspielt. Andere Rubriken sind "elf Freunde müsst Ihr sein", in der Teams und Spieler vorgestellt werden. Außerdem werden wir Deutschlands skurrilste Plätze vorstellen, den Wurzeln prominenter Kicker nachgehen, eine Spielerbörse starten, in der sich Amateure melden können, die zum Beispiel sagen, ich bin jetzt gerade nach Neumünster gezogen, bin linker Verteidiger und suche 'nen Verein.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie bei Ihren Recherchen regionale Unterschiede in der Ausübung der Fußballkunst bemerkt?

Potofski: Das müssen wir noch herausfinden. Ich kann mir gut vorstellen, dass es da Unterschiede gibt.

SPIEGEL ONLINE: Wo schlägt denn nun das Herz des deutschen Fußballs?

Potofski: Das schlägt natürlich ganz eindeutig im Ruhrgebiet, egal ob in Gelsenkirchen, Dortmund oder Bottrop. Das sage ich nicht nur so, weil ich gebürtiger Gelsenkirchener bin, es ist einfach so - ganz eindeutig. Die Art und Weise, wie die Leute dort an den Fußball rangehen ist nicht vergleichbar mit irgendeiner anderen Region in Deutschland. Ich kenne die Unterschiede.

SPIEGEL ONLINE: Kennen Sie das Amateurmilieu nur vom Zuschauen oder haben Sie selbst schon auf Asche gegrätscht?

Potofski: Natürlich habe ich das. Und natürlich immer auf dem Bekloppten-Posten: Linksaußen.

SPIEGEL ONLINE: Gab es dort eine Begebenheit, die es in ihre Show geschafft hätte?

Potofski: Aber sicher. Ich war an einem der spannendsten Fußballkrimis überhaupt beteiligt. Es ging um den Aufstieg in die Kreisliga B - vor 30 Jahren. Mein Verein Blau-Weiß Gelsenkirchen musste gewinnen. Nach 87 Minuten lagen wir aber 0:5 zurück, dann kamen wir auf einmal ran. Der Schiedsrichter hat 7 Minuten nachspielen lassen. Wir haben unglücklich 5:6 verloren. Würde man die letzten zehn Minuten ungekürzt zeigen, die Leute würden am Fernseher kleben.

Das Interview führte Sven Meyer, Spiegel Online