Die Aktion "Wendehals" läuft bei mir auf vollen Touren Oder positiv ausgedrückt: Jeder hat seine Chance verdient.

Ich bin kein Freund von Hildebrand gewesen - oder sachlicher: Ich habe ihn trotz unbestrittener Qualitäten (vor allem auf der Linie und fußballerisch) nie als Nr. 3 der N11 gesehen und empfand seine Spielchen bei seinen Wechseln einigermaßen abstoßend. Er kam mir immer recht arrogant und unselbstkritisch vor.

Rein torwarttechnisch verspricht der Wechsel von Unnerstall zu Hildebrandt allerdings durchaus Positives. Unnerstall hat man angemerkt, dass er in einem Loch war. Ganz normal für einen jungen Torwart, der ins kalte Wasser geschmissen wird! Aber seine Schwächen in der Strafraumbeherrschung und vor allem in der Spieleinleitung bzw. fußballtechnisch rückten zuletzt sehr stark in den Vordergrund. Ohne Verletzung hätte ich wie schon bei Neuer gesagt, dass er durch das Tal durch muss und auf dem Weg zu einem wirklich guten Torwart sollte der Verein diese Zeit der Ungewissheit investieren. Durch die Verletzung aber sehe ich für diese konkrete Saison und den Umstand, dass Schalke in der Regel eh schon mit einer jungen Abwehr spielt, eher positive Auswirkungen durch den Wechsel zu Hildebrand. Er kann auf hohem Niveau spielen, das hat er bewiesen. Nicht so hoch, wie das vor Jahren mal teilweise dargestellt wurde, aber immerhin auf höchstem Bundesliganiveau. Er war nicht ganz unbeteiligt an der Stuttgarter Meisterschaft 2007. Und diese Druckresistenz im Saisonendspurt ist durchaus ein Qualitätsmerkmal. Hildebrand wirkt als Persönlichkeit geläutert und hat seit seiner Unterschrift bei Schalke vor allem durch Bescheidenheit und harte Trainingsarbeit überzeugt. Er hat jedes Spiel mit der U23 als wichtig angesehen und sehr ernst genommen. Das ist bei den Fans bislang gut angekommen. Er hat damit einige Vorurteile widerlegt. Allgemein wird durchaus Hoffnung mit seiner Person und seinen bevorstehenden Einsätzen verbunden. Ich bin sehr gespannt und freue mich auf die beiden Spiele gegen Pilsen und Bayern, um mir ein Bild zu verschaffen.

Gerade die Fußballtechnik, die Hildebrand mitbringt, ermöglicht der Mannschaft, viele Situationen über den Torwart zu lösen, was bei Unnerstall so nicht möglich war. Er spielt erheblich besser mit als Unnerstall, selbst wenn man abwarten muss, wie schnell Hildebrand in den Rhythmus findet. Insbesondere Unnerstalls linker Fuß ist eine Katastrophe, wenn er dort angespielt wird, und das trat gerade in den beiden Spielen gegen M`gladbach dramatisch in den Vordergrund. Selbst mit rechts war kaum eine gezielte und konstante Spieleinleitung zu sehen. Er wird da niemals ein Großer und daher auch kein kompletter Torwart. In der Strafraumbeherrschung wird sich die Mannschaft mit Hildebrand zumindest nicht verschlechtern, da Unnerstall hier, wie gesagt, ebenfalls (noch) nicht überzeugen konnte. In der leichten Verunsicherung des Formlochs traten all diese Defizite noch augenfälliger zu Tage. Dass man ohne diese Fähigkeiten auf höchstem BuLI-Niveau spielen kann, haben Wiese und Co. zwar schon bewiesen. Nur war Unnerstall in den vergangenen Wochen auch sonst nicht auf dem Posten. Gegen M´gladbach gingen die Niederlagen neben schlechter Mannschaftsleistung auch auf sein Konto. Das 1:0 von Reus im Ligaspiel muss er verhindern, so gut es auch gemacht war. Jetzt ist Hildebrand dran und wir werden sehen, was dabei herauskommt.

Was der Verein auf Dauer daraus macht? Zwischen großem Comeback und grandiosem Scheitern samt quasi Karriereende dürfte alles möglich sein. Perspektivisch könnte Hildebrandt locker noch fünf Jahre auf hohem Niveau spielen, zumal die Wettkampf-Pausen und die entsprechenden ausgebliebenen Belastungen ihm rein körperlich ein bisschen Polster nach hinten raus verschafft haben könnten. Das ist so lang, dass man nicht zwingend das Alter als Argument heranziehen muss. Mal sehen, wie er sich schlägt in den kommenden Spielen. Seine Erfahrung und Ruhe am Ball könnte schon gegen Bayern sehr wichtig werden. Unnerstall wird in ein paar Wochen wieder Druck machen und Fährmann kommt ja auch wieder zurück. Es ist in keinem Fall schon ausgemacht, dass Hildebrandt am Ende nicht der lachende Dritte ist. Hinzu kommt: Er hat in Heldt einen starken Mentor, wenn er sportlich überzeugt.