Was kann 96 bieten?
VON Jonas Freier
Springen wir doch ein bisschen mit aufs Torwartkarussell. Und drehen so lange am Rad, bis uns schwindelig wird.
Timo Hildebrand soll in Stuttgart vorm Absprung stehen, aha. Dann wäre ja in Stuttgart der Stammplatz im Tor frei für Robert Enke. Und Hildebrand könnte zum HSV wechseln, weil dessen Torwart Sascha Kirschstein eine Pflaume ist. Doch plötzlich verlängert der HSV mit Kirschstein. Und eigentlich wollten die Hamburger doch Enke statt Hildebrand. Und plötzlich kommt auch noch der FC Chelsea für einen kurzen Moment ins Spiel, weil der Chelsea-Trainer Jose Mourinho den Torwart Enke kennt. Wenn es danach geht, wer wen kennt, könnte Enke ja gleich zum FC Barcelona zurückwechseln, aber das nur nebenbei. Eigentlich will 96 Enke behalten. Alles klar?
Klar ist auf jeden Fall, dass ein Torwart vom Format Enke nicht in den Abstiegskampf passt. Oder gerade doch, weil er 96 die Bundesliga erhalten könnte. Allerdings wäre es für einen kommenden Nationaltorhüter von Vorteil, wenn er auch im Verein international spielen könnte. Und da liegt das Problem: In dieser Saison wäre das Ziel UEFA-Cup für 96 ungefähr so realistisch wie der Champions-League-Sieg für Dynamo Kiew. Kann Hannover die Sache mit Enke also vergessen?
Das muss nicht sein. In Hannover ist Enke der unumstrittene Star. Und hier hat er es schließlich wieder bis in den Kreis der Nationalmannschaft geschafft, ohne dass es 96 in einen internationalen Wettbewerb geschafft hat. Was Enke braucht, ist eine Perspektive – sportlich und finanziell. Die Frage ist, ob 96 ihm die bieten kann und will.
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Kind kämpft um ihn. Nächste Woche wird wieder verhandelt.
Das wird nicht leicht: 96-Boss Martin Kind kämpft um Robert Enke, der auch vom HSV umworben wird.
VON GUNTHER NEUHAUS
HANNOVER. Einen Anruf aus Hamburg hat Robert Enke Anfang dieser Woche schon bekommen. Am anderen Ende der Leitung war – HSV-Star Juan Pablo Sorin. Die beiden hatten sich beim FC Barcelona (2002–2003) kennen und schätzen gelernt. „Sorin“, bestätigte Enke-Berater Jörg Neblung, „hat Robert sein Beileid ausgesprochen“ nach dem Tod von Tochter Lara Anfang September.
Es war eine freundschaftliche Geste, der Argentinier Sorin und Enke plauderten länger miteinander. Morgen in der AOL-Arena werden sie sich wiedersehen. Besondere Brisanz erhält die Partie dadurch, dass der HSV unter dem dringenden Verdacht steht, Enke nach Hamburg locken zu wollen.
Sein Vertrag bei 96 läuft im Juni 2007 aus, und der HSV braucht eine neue, starke Nummer eins im Tor. Wohl um die Lage zu beruhigen, gaben die Hamburger gestern bekannt, dass Torhüter Sascha Kirschstein bis 2011 bleibt – unterschrieben worden war der Vertrag allerdings schon vor einem Vierteljahr. Ersatzmann Stefan Wächter wird dagegen 2007 gehen müssen.
Enke ist neben Jens Lehmann (Arsenal), der auch auf dem deutschen Markt angeboten wird, der interessanteste Kandidat auf dem Torwartkarussell, auf dem auch Timo Hildebrand (Stuttgart) und Raphael Schäfer (Nürnberg) sitzen. Stuttgart bemüht sich mit mäßigen Chancen bereits um Enke, 96-Boss Martin Kind will ihn nun aber rechtzeitig vom Transfer-Karussell heben. „Enke ist nicht nur wegen seiner sportlichen Leistungsfähigkeit und seiner Entwicklung zum Nationalspieler wichtig für uns“, weiß Kind. „Er ist Sympathieträger und Identikationsfigur.“
In der kommenden Woche wird Kind die Verhandlungen mit Berater Neblung neu beleben. Die Rahmendaten eines Vierjahresvertrags mit einem Volumen von acht Millionen Euro hatte Manager Ilja Kaenzig schon vorverhandelt. „Das ist die Basis für unsere Gespräche“, sagt Kind. Er glaubt, „wir haben eine realistische bis gute Chance, Robert Enke zu halten“. In Wahrheit dürfte sie bei 50:50 liegen. Wichtig ist für Enke ein stabiler Aufwärtstrend bei 96, wie Neblung sagt: „Es wäre gut, wenn es in der Tabelle nach oben ginge.“ Eine Pleite in Hamburg wäre also nicht hilfreich.
Überraschend wurde Enke nun übrigens sogar mit dem FC Chelsea in Verbindung gebracht, als Petr Cech sich schwer verletzte (Schädelbruch). Trainer José Mourinho „wollte Enke schon zweimal verpflichten, als er noch in Porto gearbeitet hat“, weiß Berater Neblung. Inzwischen aber ist klar: Cech wird bis zum Winter wieder fit, Chelsea sucht nur noch einen dritten Torwart.
Quelle: Neue Presse, 27.10.2006




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