Wer ist der beste deutsche Fußball-Torwart?
Mit Ranglisten tue ich mich schwer. Ich denke, Jens Lehmann ist derzeit zu Recht die Nummer eins im deutschen Tor. Dahinter gibt es einige gute Kandidaten.
Seit unter Klinsmann die deutsche Erbfolge-Tradition im Nationalmannschaftstor aufgebrochen wurde, dürften auch Sie als Nummer drei Ihre Chance sehen, in der Hierarchie plötzlich aufzurücken?
Gegen Dänemark darf er auf seinen ersten Einsatz hoffen
Die Aussagen von Bundestrainer Joachim Löw zeigen doch, dass der Kampf hinter Jens Lehmann eröffnet ist. Alles ist offen. Ich nehme den Kampf an und sehe mal, was am Ende herumkommt.
Timo Hildebrand sieht sich aber als Nachfolger von Lehmann, wenn dieser nach der Europameisterschaft abtritt.
Hildebrand und Enke kämpfen um Lehmanns Nachfolge
Ich glaube, das hat Timo so nie gesagt. Ich orientiere mich an den Worten von Joachim Löw, für den in der Torwartfrage hinter Jens Lehmann alles offen ist. Ich versuche, mich in eine gute Position zu bringen. Aber ich weiß doch aus eigener Erfahrung, was in einem halben oder in anderthalb Jahren alles passieren kann. Vielleicht hört der Jens ja gar nicht auf nach der EM. Er hat wenig Verletzungen, ist topfit. Kann doch alles sein.
Wird Sie Löw am Mittwoch gegen Dänemark zum ersten Mal zwischen den Pfosten der A-Nationalmannschaft testen?
Ich habe bisher nur in den Zeitungen darüber gelesen. Wenn es wirklich so kommen sollte, dann wäre das eine wunderbare Sache.
Gab es jemals einen stärkeren Robert Enke im Tor als den mit jetzt fast 30 Jahren?
Ich denke, dass das ein sehr gutes Alter ist für Torhüter. Mit der steigenden Erfahrung wird die Leistung immer besser. Im Moment bin ich zufrieden: In Hannover läuft es gut, ich habe den Vertrag verlängert, das gibt mir Sicherheit.
"In Hannover läuft es gut, ich habe den Vertrag verlängert, das gibt mir Sicherheit"
Was bedeutet Erfahrung?
Die Gelassenheit kommt. Man versteht, dass sich alles wiederholt, gute und schlechte Zeiten, spektakuläre Spiele, schlechte Spiele. Man bleibt im positiven Fall auf dem Boden und lässt die negativen Begleiterscheinungen nicht so sehr an sich heran. Das gibt einem Stabilität. Ich war fünf Jahre meiner Karriere im Ausland, von denen dreieinhalb sehr gut waren. Dann folgten schwierige Jahre, durch die ich gelassener geworden bin. Das hilft mir heute.
In der Bundesliga machen die jungen Torwarttalente von sich reden wie Adler oder Neuer. Und dann gibt es da noch einen Wiese, Weidenfeller oder Schäfer. Steigt der Druck auf die Torhüter in der Nationalmannschaft?
Erfahrung gibt Stabilität
Durch den von Klinsmann gewollten Zweikampf zwischen Kahn und Lehmann vor der WM ist die Torhüterposition in Deutschland mehr ins Blickfeld gerückt. Aber man tut den jungen Torhütern wirklich keinen Gefallen, sie so hochzujubeln, auch wenn sie gut spielen. Es werden für sie noch andere Zeiten kommen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Ein Start wie bei Adler, der sehr beeindruckend war, wird sich nicht unendlich fortführen lassen. Im vergangenen halben Jahr hat es unter der jungen Torwartgeneration schon drei legitime Nachfolger von Jens Lehmann gegeben. Erst kam Rensing in die Diskussion, obwohl er gar nicht spielt bei den Bayern. Dann Neuer und jetzt Adler. Die Jungs brauchen Zeit für ihre Entwicklung und müssen erst einmal eine Saison lang konstant auf einem Niveau durchspielen.
Sind die Trainer in der Bundesliga risikobereiter geworden, auf der Torwartposition auch mal das junge Talent aufzubieten für den alten Platzhirsch?
Torhütertrio
Es scheint so, dass die Zeiten endgültig vorbei sind, in denen Trainer auch nach Fehlern noch an der Nummer eins festhalten. Im Ausland werden Torhüter schon länger wie Feldspieler behandelt und ein- und ausgewechselt. Ich finde es zwar gut, eine unangefochtene Nummer eins zu haben im Tor, wenn die Leistung stimmt. Wenn es aber große Schwankungen gibt, dann sollte der Nummer zwei das Vertrauen gegeben werden. Der Leistungsgedanke sollte auf der Torhüterposition vorhanden sein. Da hat sich etwas geändert in Deutschland.
Was macht die neue Torhüter-Generation stark? Die Technik, die Taktik, die Einstellung zum Beruf?
Die jungen Torhüter sind von Beginn ihrer Karriere an mit den neuen Regeln und Gegebenheiten des Fußballs aufgewachsen. Wie mit der Rückpassregel oder der Regel, dass sie mit dem Ball im Strafraum so viele Schritte machen dürfen, wie sie wollen. Und sie wissen intuitiv, wie sie den Raum hinter der Viererkette ausfüllen müssen. Sie wachsen damit auf, werden so trainiert und müssen sich nicht umstellen.
Sind sie auch selbstbewusster und präsenter auf dem Feld?
Bis jetzt lief es für einige von ihnen sehr gut. Die Frage ist, wie es weitergeht. Was ist, wenn Fehler passieren und es nicht mehr läuft? Dann erkennt man die wahre Klasse eines Torhüters. Jeder Torhüter macht Fehler, wichtig ist, wie er damit umgeht, wie er sich aufs nächste Spiel konzentriert und die schlechte Erfahrung verdrängen kann. Ein Großer ist derjenige, der nach Fehlern gut reagiert und auf seinem Niveau weitermacht.
Das Gespräch führte Michael Ashelm.
FAZ









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