90 Minuten als Belohnung
Robert Enke feiert morgen gegen Dänemark sein Debüt im Nationaltor – und muss sich den Dienst nicht mit Timo Hildebrand teilen

Düsseldorf/Duisburg (sid/hr). Das lange Warten hat sich gelohnt: Acht Jahre nach seiner ersten Nominierung feiert Robert Enke beim Länderspiel morgen gegen Dänemark (20 Uhr, live im ZDF) sein Debüt in der Fußball-Nationalmannschaft und kann im harten Konkurrenzkampf um die Nummer 2 hinter Stammtorhüter Jens Lehmann einen wichtigen Schritt in Richtung Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz machen. Das Überraschende an der guten Nachricht: Der Torwart von Hannover 96 muss sich den Dienst in Duisburg nicht – wie ursprünglich geplant – mit Timo Hildebrand teilen; Enke wird die kompletten 90 Minuten das deutsche Tor hüten.
„Wenn mir einer vor drei, vier Jahren gesagt hätte, dass ich noch einmal ein Länderspiel mache, dann hätte ich das nicht geglaubt. Ich werde vor dem Spiel sicher gut schlafen und freue mich riesig auf mein Debüt“, sagte der 29 Jahre alte Schlussmann, der bereits beim Konföderationen-Cup 1999 in Mexiko erstmals zum Kader des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gezählt hatte; als Ersatzmann war er auch beim EM-Qualifikationsspiel auf Zypern Ende des vergangenen Jahres mit von der Partie.
Bundestrainer Joachim Löw honoriert damit Enkes überragende Leistungen bei Hannover 96 in den vergangenen beiden Jahren. „Er hat sich das verdient“, sagte gestern Bundestorwarttrainer Andreas Köpke. Ruhig, sachlich, ordentlich mit dem Fuß und souverän bei der Strafraumbeherrschung – so hat Köpke bei seinen Spielbeobachtungen der „Roten“ Enke erlebt – und damit auch seinen „Chef“ Löw vom 96er überzeugt.
Bundesweit gilt Enke in sogenannten 1-gegen-1-Situationen als bester deutscher Torhüter. Diese Stärke rührt aus seiner Zeit beim letztjährigen Champions-League-Sieger FC Barcelona. Bei den Katalanen spielte Enke in der Spielzeit 2002/2003, kam allerdings nur sporadisch zum Einsatz. „Als in Barcelona ein Kluivert, Saviola und Riquelme, die immer gerne gelupft haben, im Training auf einen zugelaufen sind, dann hat man sich dreimal überlegt, ob man nicht lieber stehen bleibt. Das ist eine Sache, die mit dem Alter kommt“, erklärte Enke, der nach seiner Zeit bei „Barca“ und dem Wechsel in die 2. spanische Liga zu CD Teneriffa zunächst einen Karriereknick erlebte, bevor er in Hannover wieder zu alter Stärke zurückfand: „Nach der Zeit in Barcelona gab es schon einen Knick. Als ich nach Hannover gegangen bin, ging es nur darum, wieder Fuß zu fassen.“
Bundestorwarttrainer Köpke, 1996 Europameister, überraschte Enke bereits am Sonntag mit der Tatsache, dass er und die aktuelle Nummer 2 Timo Hildebrand nicht jeweils eine Halbzeit spielen, sondern dass der 29-Jährige über 90 Minuten zum Einsatz kommt. „Timo Hildebrand hat schon gegen Georgien und auf Zypern gespielt. Robert hat in den vergangenen Monaten sehr, sehr gute Leistungen gezeigt und sich einen Einsatz über die volle Distanz verdient“, sagte Köpke, der Enke als Torhüter eine „ruhige Ausstrahlung“ attestierte.
Dass gegen die Dänen eine völlig neuformierte Viererkette in der Abwehr vor Enke spielen wird, macht ihm nichts aus. „Das wird sicher eine spannende Geschichte. Ich gehe aber davon aus, dass jeder Spieler am Mittwoch brennt und auch diejenigen, die noch keine große Länderspielerfahrung haben, ihre Leistung abrufen werden“, sagte der Hannoveraner. Vor Enke wird eine Viererkette mit Mitgliedern aus Leverkusen, Wolfsburg, Mainz und Mönchengladbach versuchen, Enke die Premiere zu erleichtern: Rechts Gonzalo Castro, in der Innenverteidigung Alexander Madlung und Manuel Friedrich, links Marcell Jansen, die große Entdeckung vom 2:1-Sieg gegen Tschechien am vergangenen Sonnabend – so wird die Abwehrformation gegen Dänemark vermutlich aussehen.
Bei seinem Klub machte die Nachricht vom bevorstehenden 90-Minuten-Einsatz Enkes gestern schnell die Runde. „Ich freue mich für Robert“, sage 96-Trainer Dieter Hecking.
Für Enke ist der Mittwoch die große Möglichkeit, seine Chancen im Kampf um die Nummer 2 im Nationaltor gegenüber dem Stuttgarter Hildebrand zu verbessern. „Ich orientiere mich an den Worten von Joachim Löw, für den in der Torwartfrage hinter Jens Lehmann alles offen ist. Ich versuche mich in eine gute Position zu bringen, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, was in einem halben Jahr oder in anderthalb Jahren alles passieren kann“, sagte Enke.
Sachlich, realistisch und trotzdem selbstbewusst: Das ist Robert Enke nicht nur auf dem Rasen.

Quelle: HAZ, 27.03.2007