„Es macht sehr viel Spaß, das werde ich nicht so leicht wieder hergeben“
Gestern hat Robert Enke schon wieder bei 96 trainiert. Im NP-Interview spricht er über seinen starken Einstand bei der Nationalelf. Enke war der Beste beim 0:1 gegen Dänemark.
VON ANDREAS WILLEKE
Herr Enke, 1999 wurden Sie erstmals in die Nationalelf berufen, nach langen acht Jahren nun das erste Spiel. Die Hymne auf dem Platz zu hören, muss ein Gänsehaut-Erlebnis gewesen sein?
Ja, das war ein sehr erhebendes Gefühl, wenn das ganze Stadion die Nationalhymne singt und man selber auch, dann ist das eine ganz tolle Geschichte. Ich habe auch lange darauf warten müssen, ich hatte ja auch schwere Zeiten. Nun bin ich froh, dass ich in dieser Phase mitmachen kann, in der es so gut läuft.
Was ging bei der Hymne in Ihrem Kopf vor?
Ich war nur aufs Spiel konzentriert.
Waren Sie denn gar nicht nervös?
So nervös wie vor einem Bundesligaspiel auch. Eine gewisse Anspannung muss natürlich sein, aber das Torwartspiel ist hier nicht anders als in der Bundesliga. Natürlich weiß man, dass ganz Fußball-Deutschland zuschaut und nicht nur die Anhänger eines Klubs.
Haben Sie vorher von Per Mertesacker eine SMS bekommen?
Von zig Leuten, von Per auch. Es war ganz erstaunlich, wer sich noch alles meine Handy-Nummer besorgt hatte. Es war ganz toll, und nach dem Spiel habe ich auch wieder viele bekommen.
Vor dem Anpfiff sind Sie zu Alexander Madlung und Manuel Friedrich gegangen. Was hatten Sie noch zu besprechen?
Wir haben uns nochmal abgestimmt, dass sie wegbleiben, wenn ich rufe. Das ist ja bei dem einen oder anderen Verein unterschiedlich.
Wie viel Arbeit hat man mit einer neu formierten Abwehr, wie bekommt man das auf die Reihe?
Wenn die Abwehr aus Prag gespielt hätte, wäre es für mich auch eine neue Erfahrung gewesen, so habe ich mit denen auch noch nicht gespielt. Es ist ganz normal, wenn eine Viererkette neu zusammengesetzt ist, dass es da Probleme gibt.
Wünscht man sich, so ins Spiel zu kommen wie Sie in der zweiten Minute?
Nicht unbedingt, denn die Bälle können ja auch reingehen. Aber wenn man gut ins Spiel reinkommt, so wie es bei mir war, dann macht das die Sache leichter.
Gabs einen Moment im Spiel, an dem Sie wussten, so, jetzt läufts?
Nein, darüber denkt man nicht nach, man will bis zum Schluss konzentriert bleiben. Das war ein wichtiges Spiel, da muss man im Kopf ganz klar sein.
Was dachten Sie nach dem Tor der Dänen?
Man ärgert sich und versucht die Mannschaft aufzumuntern. Man kanns nicht rückgängig machen, es geht nur darum, gut darauf zu reagieren.
Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrem Konkurrenten Timo Hildebrand?
Hervorragend. Timo hat mir vor dem Spiel viel Glück gewünscht, als wir allein dastanden. Das war absolut top.
Fühlen Sie sich als Gewinner des Spiels?
Nein, das ist ein Mannschaftssport, und wir haben verloren. Ich hätte mich gefreut, wenn wir unentschieden gespielt hätten. Mit ein bisschen Glück hätten wir auch gewinnen können. Ich bin aber froh, mein erstes Länderspiel gemacht und eine gute Leistung gebracht zu haben. Als Gewinner fühle ich mich nicht.
Formulieren Sie Ansprüche, die Nummer zwei hinter Jens Lehmann zu sein?
Sie dürfen nicht vergessen, dass ich erst das dritte Mal nominiert wurde, der Timo ist schon wesentlich länger dabei. Natürlich werde ich um den Platz kämpfen, aber die Entscheidung trifft der Bundestrainer.
Was erhoffen Sie sich?
Ich hoffe, dass der Bundestrainer mich die nächsten Male wieder einlädt und ich ein Teil dieses Ganzen sein kann, dieses tollen Teams auch um die Mannschaft herum. Es macht sehr viel Spaß, und das werde ich nicht so leicht wieder hergeben.
Quelle: Neue Presse, 30.03.2007
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Ansage mit Ausrufezeichen
96-Torwart Robert Enke wird nach seinem Länderspiel-Debüt bei der Rückkehr in Hannover gefeiert
Von Tatjana Riegler
Duisburg/Hannover. War da was? Nein, eine Überraschung wollte niemand bei Hannover 96 erlebt haben. „Robert hat genau die Leistung gezeigt, die er seit Wochen bei uns bringt“, sagte Trainer Dieter Hecking gestern. Doch das „Ausrufezeichen“ seines Keepers war auch ihm am Vorabend auf der Tribüne der MSV-Arena in Duisburg nicht entgangen. Jörg Sievers pflichtete Hecking beim Nachmittagstraining bei: „Diese Leistung haben wir erwartet – so kennen wir Robert“, meinte der 96-Torwarttrainer zufrieden.
So sachlich lässt sich Robert Enkes Leistung bei der 0:1-Testspielniederlage gegen Dänemark beurteilen. Seine Premiere im Tor der deutschen Fußball-Nationalelf verband der 29-Jährige mit der üblichen Leistung: gewohnt reaktionsschnell, gewohnt ballsicher, gewohnt unspektakulär – Enke war beim Debütantenball von Duisburg der beste Mann, er bewahrte sein Team mehrfach vor einem Rückstand und rückte endgültig in den Kreis der drei besten Torhüter Deutschlands auf. Seit Mittwoch darf man es so deutlich formulieren: Der Kampf um die Nummer 2 ist offen, und nicht wenige der 31 000 Zuschauer in Duisburg sprachen sich trotz des Gegentores von Nicklas Bendtner (81. Minute) für Enke und gegen den Stuttgarter Timo Hildebrand aus.
Wachablösung an der Wedau? Bundestrainer Joachim Löw war sehr darum bemüht, die Entscheidung zu vertagen. „Es herrscht keine Eile“, meinte er und verwies auf die 15 Monate bis zur Europameisterschaft. Löw fördert den Zweikampf hinter der „klaren Nummer 1“ Jens Lehmann, sprach Hildebrand das Vertrauen aus und hob Enkes „sehr starke Leistung“ hervor: „Seine gesamte Ausstrahlung war sehr positiv. Er hat bewiesen, dass er ein sehr guter Torhüter ist.“
Ein Torhüter, an dem sich die Talente im Test aufrichteten. Denn dass in Duisburg vielleicht die Nationalelf von 2010 oder 2012 auf dem Platz stand und nicht die von 2007, war trotz großen Bemühens und kleiner Lichtblicke (etwa der Kölner Patrick Helmes) unübersehbar. Deshalb probte Löw nach der ersten Niederlage seiner Amtszeit das Perspektiv-Parlieren. „Das Spiel war ein wichtiger Schritt für viele. Die Serie ist zweitrangig.“ Erstrangig sind Erfahrungen und Erkenntnisse, vor allem in der Frage, welche Kicker künftig nominiert werden können.
Enke ist so einer. Und anders als der Bundestrainer haben sich die Hannoveraner längst festgelegt. Die Nummer 1 im Tor der „Roten“ gehört als Nummer 2 ins Tor der Nationalelf – mindestens. Ihren Stolz und ihre Begeisterung verschwiegen die Zuschauer beim 96-Training nicht, in vielen Gesprächen wurden Enkes Paraden besser und besser, als sie ohnehin waren. Ungewöhnlich viele Fans, mehr als 300, waren zur Mehrkampfanlage gekommen. „Es sind ja Ferien …“, sagte der Keeper, als er nach 50 lockeren Minuten den Platz verließ. Er ahnte, dass die meisten Kinder und Jugendlichen den Weg vor allem seinetwegen gemacht hatten. Zu groß war die Nachfrage nach Autogrammen; Enke schrieb seinen Namen unzählige Male auf alles, was ihm die Fans an Beschreibbarem entgegenhielten, freute sich über Spruchbänder wie „Gut – besser – Enke“ und lächelte in unzählige Kameras.
Die Geduld des Glücklichen. Denn dass er einen Karrieresprung gemacht hatte, wusste Enke spätestens, seit er mittags die 96-Kabine betreten hatte. Mit dem „einen oder anderen Spruch“ hatte er gerechnet, tatsächlich erwarteten ihn Glückwünsche der Kollegen und „nicht so viel Flachs wie sonst“. Nicht erspart blieb ihm allerdings der Spruch, dass er „den ersten Ball ruhig hätte festhalten können“. Gemeint war der Kopfball von Daniel Agger, den Enke bravourös um den Pfosten lenkte.
Solche Taten steigern Enkes Sympathiewerte in ganz Deutschland, wie Hecking befand. Es sei nicht selbstverständlich, sagte der 96-Coach, „dass ein Neuer mit Sprechchören gefeiert wird. Die Leute sehen ihn gern im Tor.“ Das ist in Hannover nun wirklich keine Überraschung.
Quelle: HAZ, 30.03.2007