Nicht flattern in Adlers Revier
96-Torhüter Enke gegen den Herausforderer. Köpke schaut zu.
Robert Enke gegen René Adler – das morgige Duell könnte auch das um die Nummer eins im deutschen Tor nach der EM werden.
VON ANDREAS WILLEKE UND TORSTEN GRÖNEMEYER
HANNOVER. Das war die richtige Vorbereitung für Robert Enke – beim Torschusstraining am Nachmittag steigerte sich der 96-Torwart in einen Rausch. Enke fischte jeden Ball, vor allem in seinem lustigen Privatduell mit Mike Hanke.
Enke zog Hanke auf, weil der Nationalstürmer eine Zeitlang keinen Ball an ihm vorbeibrachte. Eine starke Torwartleistung würde 96 auch in Leverkusen helfen, und Enke könnte damit auch im Kampf um die EM punkten.
Sein Gegenüber René Adler wird als kommender Nationaltorwart gehandelt. Zum nächsten Länderspiel in der Schweiz soll Adler eingeladen werden, das könnte zu Lasten von Enke geschehen.
Nicht auszuschließen nach den jüngsten Äußerungen des Bundestorwarttrainers, dass Adler dem 96-Torhüter noch die EM-Fahrkarte wegnimmt. „Wir beobachten die Torhüter, die für uns in Frage kommen, sehr intensiv“, sagte Andreas Köpke. Er gilt als Förderer Adlers und wird morgen genau hinschauen beim direkten Duell von zwei der besten deutschen Torhüter. Dieter Hecking erwartet jedenfalls: „Beide werden am Sonntag auf sehr hohem Niveau halten.“
Aber sein Kapitän soll am Ende besser dastehen. „Ich denke, dass Adler einen mehr reinkriegt als der Robert.“
Für Hecking scheint längst klar – Enke ist bei der Euro dabei: „Bis zur EM wird sich am Ranking nichts mehr ändern.“
Sogar der Leverkusener Trainer bremst seinen Torwart. „Wir haben eine hohe Anzahl von sehr guten Torhütern“, sagt Michael Skibbe. „Die Zeit von René Adler und auch von Schalkes Manuel Neuer wird wohl in der Nationalmannschaft erst nach der EM anbrechen.“
Doch Enke darf sich zu Recht auch Chancen auf die Nachfolge von Jens Lehmann im Nationaltor nach der EM ausrechnen. Dennoch lobt der 30-Jährige seinen 23-jährigen Herausforderer: „Er hat es verdient, im Mittelpunkt zu stehen.“ Adler habe schließlich „einen großen Anteil“ am Erfolg der Leverkusener. Enke aber auch am zwischenzeitlichen 96-Hoch.
Beim Training gestern lachte am Ende doch Hanke. Der Stürmer köpfte Enke zur Belustigung der Kollegen einen Ball durch die Beine. Hecking hatte kurz vorher noch gewarnt, der Torwart sei „übermütig, gleich passiert was“. So gewarnt, kann morgen nichts mehr passieren.
Das kann Enke
Es geht heute gar nicht mehr, dass du absolut fehlerfrei spielst – der Einzige, der das kann, bin ich.
Gesagt hat das gestern Oliver Kahn über die beiden Patzer von Werders Witz-Torwart Tim Wiese beim 0:2 in Glasgow. Wer sich jetzt mal wieder über Kahn aufregen will, dem sei versichert: Der Bayern-Torwart hat das im Scherz gesagt, Wiese lacht sich bestimmt kaputt. Aber mal im Ernst: Wer ist denn nun die deutsche Nummer zwei hinter Kahn – und damit die Nummer eins in der Nationalmannschaft?
Der Bundestrainer hatte sich im NP-Interview Ende vergangenen Jahres ja festgelegt: Jens ProbLehmann spielt zwar nicht bei Arsenal, aber dafür bei der EM. Als Nummer zwei kommt Valencias Timo Hildebrand mit, als Nummer drei Hannovers Robert Enke.
Nun scheint es aber so zu sein, dass der Bundestorwarttrainer der größte Fan von René Adler ist. Andreas Köpke flüsterte Leverkusens Blondie neulich auf der Tribüne zu: Beim nächsten Länderspiel bist du dabei. Oder so was Ähnliches. Ein Experte fürs Lippenlesen hätte es uns genau sagen können. So ahnen wir nur, dass Köpke dem jungen Torwart eine Aufnahme in den Kreis der Edelkicker in Aussicht gestellt hat.
Selbstverständlich wünschen wir Adler keinen Totalabsturz in den kommenden Wochen, nur fordern wir etwas mehr Gerechtigkeit: Lehmann hat seinen WM-Bonus, Hildebrand seinen Ich-war-doch-auch-bei-der-WM-Bonus – und deshalb muss Enke seinen Ich-bin-seit-Jahren-immer-gut-Bonus haben. Sollte Adler bis zum Ende der Saison überragend halten und Enke so wie bisher, wäre der 96-Torwart unserer Meinung nach immer noch im Vorteil.
Weil Köpke aber möglicherweise keinen großen Wert auf unsere Meinung legt, sollte Enke morgen einfach Taten sprechen lassen. Das kann er. Schon seit Jahren.
Quelle: Neue Presse, 08. März 2008