Enke vergeht die Lust auf 96
Wutrede in Bremen. Spieler entschuldigen sich beim Torwart. Flüchtet er jetzt?
Vergrault 96 Robert Enke? Der Torwart war nach dem 1:6 in Bremen stinksauer. Ein vorzeitiger Abschied ist nicht mehr ausgeschlossen.
VON FLORIAN KREBS
BREMEN. So in Rage sieht man Robert Enke selten. Nach dem 0:4 trat der 96-Torwart, der sich sonst so bewundernswert besonnen gibt, wutentbrannt in eine Werbebande hinter dem Tor, schimpfte später: „Da halte ich den Elfmeter, und wir kriegen trotzdem einen rein.“
Ausgerechnet vor den Scouts von Bundestrainer Joachim Löw erlebte Robert Enke einen Horror-Nachmittag – dabei war er an der höchsten Saisonniederlage schuldlos. Nach dem Abpfiff ließ er auf dem Weg in die Kabine mächtig Dampf ab: „So gewinnst du in der Bundesliga kein Spiel. Wir waren naiv, haben dumme Fehler gemacht. Da standen Bremer Spieler im Strafraum und hatten vier Meter Platz, wie es nicht mal im Training passiert.“ Natürlich könne man in Bremen verlieren, „aber wir haben uns nicht mehr richtig gewehrt“.
Der Traum vom internationalen Wettbewerb ist endgültig geplatzt, bei diesem Thema explodierte Enke: „Hör auf mit UI-Cup, so ein ..................! Wenn ich das höre. Wer unsere Saison gesehen hat, weiß, dass wir überhaupt noch nicht so weit sind, konstant zu spielen und gegen eine Mannschaft wie Werder zu gewinnen.“ Es tat Enke sichtlich weh, eingestehen zu müssen, „dass wir da oben längst noch nicht hingehören“.
Sportdirektor Christian Hochstätter war fassungslos, wie 96 sich in den letzten 20 Minuten aufgab, „vor allen Dingen, wenn man einen Torhüter im Tor hat, der mit zur Europameisterschaft will, der sich bemüht“. Am Freitag gibt Löw sein EM-Aufgebot bekannt. Angesichts von 56 Gegentreffern in 33 Spielen muss Enke wieder zittern – fliegt er aus dem Aufgebot, darf er seine 96-Vorderleute zur Verantwortung ziehen.
Die Spieler entschuldigten sich gleich nach dem 1:6 bei Enke. Arnold Bruggink gab zu: „Wir haben ihn im Stich gelassen.“ Christian Schulz sagte: „Für Robert tut es mir am meisten leid.“
Sollte es auch, denn seit Sonnabend ist Enkes Zukunft in Hannover wieder ein bisschen unsicherer geworden. In Stuttgart steht er wie Jens Lehmann und Timo Hildebrand auf der Liste als Nachfolger für Raphael Schäfer. Auch Bayern könnte im Winter wieder ein Thema werden, falls Trainer Jürgen Klinsmann mit Michael Rensing nicht zufrieden ist.
Enke-Berater Jörg Neblung geht davon aus, „dass Robert seinen Vertrag bis 2010 erfüllt, aber beschwören will ich es nicht“. Schließlich will Enke international spielen. Ob er das mit 96 kann, daran hat er spätestens seit Sonnabend große Zweifel.
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„Das war die Krönung“
Außer Enke hat Hecking nichts Positives gesehen
VON ANDREAS WILLEKE
Haben Sie auch etwas Positives gesehen?
Robert. Ich finds schade, dass die Mannschaft ihn so im Stich lässt. Beim ersten Tor rennt Naldo 70 Meter über den Platz, und alle gucken zu. Beim dritten Tor köpfen zwei Mann den Ball hoch und sagen danke. Das sind Sachen, die wir nicht sehen wollen.
Haben Sie schon mal so eine tolle Elfmeter-Parade gesehen?
Das war ja die Krönung. Diego will Robert verarschen, dann hält er den Ball, und unsere Abwehrspieler träumen. Das meine ich mit im Stich lassen.
Werder war vom Anpfiff weg griffiger…
Man kann in Bremen verlieren, aber dass wir nicht verlieren wollten, hat man leider in keiner Phase des Spiels gesehen.
Welche Erklärung haben Sie für den Einbruch?
Vielleicht fehlte die letzte Spannung. Es ist ja immer dasselbe, das wir bemängeln, wenn es nicht läuft. Dass wir zu weit auseinander spielen und nicht mehr in die Zweikämpfe kommen.
Vor dem Spiel war der UI-Cup noch möglich. Robert Enke sagt, da gehören wir nicht hin.
Das war wohl im Frust. Ich bleibe dabei, die ersten fünf, sechs Mannschaften sind ein Stück weg von uns. Wenn wir die anderen ein Stück von uns weg halten, sind wir weiter nach vorne gekommen.
Quelle: Neue Presse, 13. Mai 2008