Nach meiner eindeutigen Rede pro Neuer muss ich mich natürlich immer auf den Vorwurf gefasst machen, ich sei voreingenommen. Ich hoffe, dass ich dennoch zu einer recht objektiven Analyse fähig bin. Und die fällt so aus: Ich würde sagen, dass Wiese ein ordentliches Spiel gemacht hat - mit recht viel Licht, aber auch mehr Schatten, als das allgemein kommentiert wurde. Sein Interview nach dem Spiel war aus PR-Sicht ok. Zurückhaltend und ohne viel Laberei wegen des Tores zum 2:2.

Allerdings meine ich, dass er keine außerordentlichen Taten vollbracht hat. An sich muss man sagen, dass ein Torwart auf dem Niveau und mit dem Anspruch diese Bälle halten muss. Beim Freistoß, den er zu kurz abwehrt und den Pfostenschuss ermöglicht, sieht er nicht gut aus. Aber wir wissen ja alle, wie ekelhaft diese Freistoßflanken sein können. Also kein wirklicher Vorwurf, auch wenn er das besser hätte regeln können. Gute Aktion beim Mitspielen, als er mit dem Kopf klärt. Zwei Mal hätte er bei hohen Hereingaben rauskommen müssen, was wohl seine Konkurrenten getan hätten. Ein Mal sieht er sehr schlecht aus, als er eine Flanke falsch einschätzt. Beim 1:2 steht er m.E. zu sehr im kurzen Eck. Da hat er die Orientierung verloren bzw. wurde auf dem falschen Fuß erwischt. Haltbar wäre der Ball bei besserem Stellungsspiel wohl gewesen. Oder er hat spekuliert. Letzteres ist in der Situation wohl unwahrscheinlich.

Ich sehe die Situation beim 2:2 gar nicht so sehr als Torwartfehler. Das war eine höchst unglückliche 50/50-Entscheidung. Er hätte den Ball ja sicher gehabt, wenn er nicht in Schwulitäten mit der 16er-Linie gekommen wäre.

Sein Defizit zu Adler und sogar mehr noch zu Neuer wurde allerdings überdeutlich. Ich finde, dass man diesen Kontrast sehr gut sehen konnte, da man die Spielweise von Neuer noch gut vor Augen hatte: es kam so gut wie kein langer Ball zum Mitspieler. Er konnte kein einziges Mal das Spiel so eröffnen, dass er damit das Spiel schneller gemacht oder signifikant positiv beeinflusst hätte. Je schneller er Entscheidungen treffen musste, wie er den Ball verarbeiten und weiterleiten konnte, desto deutlicher wurden seine Defizite in der "Fußarbeit" und im Spielverständnis.

Im Ergebnis war es also - wie beschrieben - ein Spiel mit Licht und Schatten, in dem er den Beweis schuldig blieb, dem Anforderungsprofil des modernen und mitspielenden Torwarts so entsprechen zu können wie Adler und Neuer.