Hier ein Interessantes Interview dazu mit seinem Torwarttrainer Michael Kraft. Aus der Syker Kreiszeitung von gestern:
"Wiese darf seine Show machen"
Aber Torwarttrainer Kraft warnt den Werder-Keeper: "Man darf nicht negativ auffallen"
Von Björn Knips
BREMEN Insgeheim hatte Tim Wiese gehofft, gestern Abend beim Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Dänemark dabei zu sein. Doch Bundestrainer Joachim Löw gab Robert Enke (Hannover 96) und Timo Hildebrand (VfB Stuttgart) in Abwesenheit von Jens Lehmann (Arsenal London) den Vorzug. Trotzdem sieht Werder-Torwarttrainer Michael Kraft seinen Keeper auf den Sprung in die DFB-Auswahl. Der 40-Jährige mahnt von Wiese allerdings auch das entsprechende Verhalten an. Im Interview spricht Kraft zudem über die anderen Bremer Torhüter und gibt seinen Lieblingstorwart preis.
Herr Kraft, wer ist der beste Torwart in der Bundesliga?
"Eigentlich möchte ich mich da nicht festlegen, denn wir haben viele sehr gute Torhüter in der Liga. Nun gut, für mich sind Tim Wiese und Oliver Kahn vorne. Manuel Neuer und Rene Adler sind zuletzt dazugekommen und haben wirklich starke Leistungen gezeigt."
Was ist mit Timo Hildebrand und Robert Enke, die sind immerhin in der Nationalmannschaft die Nummer zwei und drei hinter Jens Lehmann, der in England spielt?
"Also erst einmal finde ich es logisch und nachvollziehbar, dass Lehmann nach seinen guten Leistungen bei der WM und in England von Bundestrainer Joachim Löw zur Nummer eins für die EM 2008 gemacht wurde. Dahinter, so haben es Löw und auch sein Torwarttrainer Andreas Köpke immer wieder betont, ist das Rennen offen. Hildebrand und Enke sind nicht unantastbar."
Also müsste Tim Wiese bald eine Einladung zur Nationalmannschaft bekommen?
"Ich habe am Dienstagabend mit Köpke beim U 21-Länderspiel in Düsseldorf gesprochen. Er hat mir gesagt, dass sie nicht ständig den dritten Torwart wechseln wollen. Aber sie hätten Tim im Blick. Seine guten Leistungen in der Bundesliga und bei den internationalen Spielen wollen sie auch irgendwann honorieren."
Das wird Tim Wiese nur wenig trösten.
"Darum geht es nicht. Er muss weiter hart arbeiten. Er muss die Konkurrenten Woche für Woche mit guten Leistungen unter Druck setzen. Gleichzeitig darf man nicht negativ auffallen - das gilt für das Auftreten auf und neben dem Platz."
Tim Wiese hat offenbar dazugelernt. Showeinlagen wie die Rolle in Turin, die Werder das Weiterkommen in der Champions League kostete, sieht man nicht mehr von ihm.
"So blöd das jetzt auch klingen mag: Das war eine wichtige Erfahrung für ihn. Er hat gesehen, dass man durch Show und fehlende Konzentration viel verlieren kann. So eine Rolle mit dem Ball in der Hand kommt in meinem Training gar nicht vor. Es ist doch viel zu gefährlich, dass man dabei den Ball verliert. Ein Torwart darf sich nur abrollen, wenn er einen Ball aus der Ecke fischt, um dann schnell wieder auf die Beine zu kommen."
Aber so ein ruhiger Torwart wie Hannovers Robert Enke, von dem keine flotten Sprüche zu hören sind, wird Tim Wiese wohl nie werden.
"Soll er auch gar nicht, das ist nun mal seine Art. Er kann auch seine Show machen, wenn es die Situation hergibt. Aber er muss nicht das Stadion gegen sich aufbringen, denn er wird einzig und allein an seiner Leistung gemessen. Um die zu bringen, braucht man absolute Konzentration."
Wie reagiert Tim Wiese, wenn Sie ihm so etwas sagen?
"Sehr gut. Er nimmt alles auf, macht sich Gedanken und versucht es dann umzusetzen. Sonst hätte er sich auch nicht so positiv entwickelt. Das ist auch ein Verdienst von Thomas Schaaf. Es ist nicht üblich, dass ein Cheftrainer so einen großen Sachverstand bei Torhütern hat. Glauben Sie mir, ich hatte viele Trainer, für die war ein Torwart nur ein Schnapper. Aber heute muss man als Torwart auch mit dem Fuß stark sein. Das ist Gold wert im Spielaufbau."
Gibt es für Sie einen perfekten Torwart?
"Der Holländer Edwin van der Sar von Manchester United. Der bringt den Ball mit rechts und mit links an den Mann, ist reaktionsschnell und auch bei Flanken stark."
Tim Wiese ist die unangefochtene Nummer eins bei Werder - was ist mit den anderen Torhütern?
"Christian Vander hat einen sehr großen Sprung gemacht. Andreas Reinke ist nach seiner schweren Verletzung wieder gut zurückgekommen."
Klingt fast so, als müsste Vander statt Reinke auf der Bank sitzen.
"Nein, noch ist Reinke ein Stück vorne. Aber er darf sich nicht zurücklehnen - macht er ja auch nicht. Im Sommer wird es dann spannend."
Wenn Andreas Reinke noch da ist . . .
"Das wird sich zeigen. Ich weiß nicht, was er vorhat. Gleiches gilt für Christian Vander."
Beim Zweikampf Wiese/Reinke hatte man oft das Gefühl, dass die beiden gar nicht miteinander können.
"Es muss Respekt da sein und kollegial zusammengearbeitet werden. Das ist bei uns der Fall. Ich erwarte nicht, dass man zusammen ein Bier trinken geht und Freunde wird. Und noch etwas: Keiner wünscht dem Konkurrenten, dass er sich ein Ei einfängt oder sich sogar verletzt. Dann wäre er im Teamsport fehl am Platz, dann sollte er lieber Tennis spielen."
Als Torwarttrainer stehen Sie nur ganz selten im Rampenlicht. Fehlt Ihnen das nicht?
"Den Druck, den Thomas Schaaf hat, muss ich nicht haben. Letztlich muss er für alles den Kopf hinhalten. Aber wir Trainer sind ein Team, also würde ich im Fall der Fälle auch meinen Kopf hinhalten."
Das droht ja nicht, Werder ist erfolgreich.
"Weil hier gute Arbeit geleistet wird. Ich fühle mich sehr wohl und habe deshalb Anfang des Jahres gerne meinen Vertrag bis Sommer 2008 verlängert."