Klar, überrascht war er schon. Mitfühlend auch. „Das tut mir echt leid für Rene. Ich wusste ja von nichts.“ Wie auch? Während Wiese nach dem Vormittagstraining, das gestern nur aus einem Laktattest bestanden hatte, unter der Dusche stand, wurde es kundgetan: Rene Adler, die offizielle Nummer eins der deutschen Nationalmannschaft, muss wegen seiner Rippenverletzung operiert werden und deshalb auf die WM verzichten. Deutschland sucht nun einen neuen Schlussmann für Südafrika. „Und das ist jetzt meine Chance, oder was?“, fragte Wiese aus dem Seitenfenster seines schwarzen Touareg. Ja, Tim, das ist die Chance.
Zwischen ihm und Schalkes Manuel Neuer muss sich Bundestrainer Joachim Löw nun entscheiden. Es ist ein offener Wettbewerb – sollte man jedenfalls meinen. Denn als sich Löw Anfang März auf Adler als Nummer eins festgelegt hatte und Wiese sowie Neuer hinter dem Leverkusener einordnete, benannte er keine Nummer zwei, keine Nummer drei. Soll heißen: Die beiden Nachrücker sind offiziell gleichauf.
Gleichwohl galt Tim Wiese bislang in der öffentlichen Wahrnehmung als dritter Mann im Nationalteam, weil er bei den Länderspiel-Nominierungen oft hinter Adler und Neuer zurückstehen musste. Möglicherweise ist das der Grund, weshalb er gestern verhalten reagierte. „Ich weiß nicht, ob ich jetzt die Nummer eins bin“, sagte er, „denn ich weiß nicht, wie der Trainer denkt.“ Da geht es ihm wie vielen anderen in diesen Tagen.