Wie so oft liegt zwischen Übermotivation, "Affekt" und Frustfoul die Unterscheidung in der Frage nach dem Vorsatz. Diese Szene sieht übel aus! Doch ob er Müller in diesem Fall so abräumt, weil er ganz bewusst und ausschließlich seinen Furst loswerden will, das mag ich aufgrund der Aufnahmen nicht zu beurteilen. Es passt in sein öffentliches Bild, das steht mal fest. Fest steht auch, dass es zu seiner individuellen Schwäche passt, einen Gegenspieler mit mäßigem Timing extrem oder viel zu risikoreich zu attackieren.
Womöglich kommt die Pause zur rechten Zeit, um sich wieder zu sammeln. Für Werder ist es auf den ersten Blick eine Katastrophe, aber ich hatte schon vor einigen Wochen gesagt, dass er den Eindruck erweckt, extrem frustriert zu sein. Dass dieser Zustand sich schon rein psychologisch nicht förderlich auf positive Motivation und das Leistungsvermögen auswirken kann, steht außer Frage - selbst wenn er noch ein paar Mal gut gehalten hat gegen Bayern.
Jetzt möchte ich jedoch relativieren. Meine Hinrunde sah bis zum etwa 10. Spieltag so aus: Meine Mannschaft extrem hinter den Aufstiegs-Ansprüchen zurück, schon fast so viele Gegentore wie im gesamten letzten Jahr, mehr 1gegen1-Situationen als in zwei Spielzeiten zusammen, neue Spieler, die wie Diven über den Platz schwebten und Jungs, die nach verpasstem Aufstieg und verlorenem Aufstiegsspiel erstmal wieder in die Spur finden mussten, eigene Leistungen, die ordentlich, aber lange nicht hervorragend waren, selbst wenn ich nur ein Gegentor wirklich verschuldet habe... Dieser Cocktail führte dazu, dass ich in einem Spiel, in dem auf der Kippe stand, ob wir noch mal eine Aufholjagd auf die Aufstiegsplätze starten könnten und in dem wir wieder überrannt wurden, eine deftige Verbalinjurie in Richtung meiner Mannschaft schickte. Auf dem Platz und während des Spiels! Was ich gesagt habe, behalte ich mal für mich![]()
Aber als stellvertretender Kapitän, als Führungsspieler und generell als Sportler und Mensch habe ich mich in dieser Aktion weder wiedererkannt, noch war es in irgendeiner Weise akzeptabel. Gut, es war "nur" ein verbaler Ausrutscher und es ist was anderes, einen Gegenspieler bewusst aus Frust umzutreten. Dass man als Torwart die vollkommene Hilflosigkeit und das Adrenalin in solchen Situationen nur extrem schwer beherrschen kann, ist eine der großen Herausforderungen, vor der wir ab und an stehen. Es ist keine Entschuldigung, denn mein Verhalten verzeihe ich mir bis heute nicht, obwohl es die Jungs längst vergessen haben. Seltsam ist - und darüber habe ich schon mit unserem Trainer gesprochen - dass diese Aktion einen Wendepunkt im Saisonverlauf darstellte. Zumindest sind wir jetzt so weit, höchstwahrscheinlich nicht mehr als Überraschungsabsteiger in Bertacht zu kommen.
Und so stellt sich immer auch die Frage, wie und wann man bewusst Reizpunkte setzen darf und kann, ohne dass die Gäule mit einem durchgehen. Schwierig!