Ich hatte am Samstag einmal die Möglichkeit, Tim Wiese live beobachten zu können. Ich muss aber sagen, dass er insgesamt kein gutes bzw. überzeugendes Spiel gezeigt hat. In der ersten Halbzeit war es bis auf zwei Situationen noch recht ruhig für ihn, da Leverkusen nicht sehr viel zwingendes in Richtung Wiese- Tor bringen konnte. Allein eine gute Parade und ein mutiges Abfangen bevor es zu einer 1 gegen 1- Situation kommen konnte, waren hier zu verzeichnen. Bis dato konnte man also nicht meckern. In Sachen Spieleröffnung war da nichts außergewöhnliches dabei. Interessant war hierbei vielleicht nur, dass er meist versuchte, seine beiden Außenverteidiger anzuspielen. War dies über 10 Meter nicht möglich, gab es dann für Wiese nur noch den langen Ball nach vorne, wobei es nicht immer punktgenau hierbei zu ging. Ein langer Ball auf den Flügel war dabei sehr selten zu bestaunen.
Allerdings sollte das auch nur eingeschränkt Wieses Anspruch sein. Bekannter Maßen liegen seine eigentlichen Stärken auf einem ganz anderen Gebiet, wobei man hier eben sich da vielleicht nochmal seine Parade in der 22. Minute anschauen sollte. Für Wieses Fähigkeiten war dies mal wieder ein Paradebeispiel.
Der absolute Knackpunkt war dann aber die Ecke, die zum Gegentor führte. Hier war er einfach viel zu spät dran. Allein die Bewegung zum Ball sah schon ein wenig unglücklich aus, denn völlig unmotiviert stürzt auf dem Ball, und kommt dann eben den berühmten Schritt zu spät. Das ist einfach nicht der starke Tim Wiese, der den Weg bis zur Nationalmannschaft gehen konnte, denn dieses ein wenig waghalsige Herauslaufen und Abfangen von Eckbällen und Flanken ist nicht die Stärke von Tim Wiese. Schon im Ansatz hatte ich da das Gefühl, dass er krampfhaft in dieser Situation zum Ball agiert hat.
Was allerdings nach diesem Gegentreffer tatsächlich kurios anmutete, war die Körpersprache von Wiese. Er ließ die Schultern schon fast ein wenig hängen und wirkte regelrecht etwas verunsichert. So kam es dann wohl auch, dass er bei der nächsten schwierigen Situation, die wieder aus einem Flankenball resultierte diesmal noch seltsamer agierte, indem erst reagierte, als ein Stürmer, ich glaube Derdyok, vor ihm auftauchte. Jedoch hätte Wiese diesen Ball deutlich einfacher erreichen können als den Eckball zum Ausgleich. Generell wirkte fast ein wenig verloren und so brauchte er fast ein 20 Minuten, um sich in seiner Ausstrahlung wieder zu fangen.
So kam es auch, dass die komplette Bremer Hintermannschaft etwas fahrig wirkte, denn Wiese, der sonst große Autorität ausstrahlt, ließ diese plötzlich vermissen.
Das hat dann auch nichts mehr mit der Erfahrung zu tun, die hier ja schon mehrfach angesprochen wurde. Diese besitzt er zweifellos, aber in solchen Situation, geht es um Bruchteile von Sekunden und entweder man agiert richtig oder nicht. Da hilft das richtige Feeling und das liegt dann auch in der Natur der gesamten Spielweise eines Torhüters. Jeden kann man bis zu einem Punkt in die modernen Bahnen lenken, aber bei vielen hört dann die Entwicklung irgendwann auf, da das jeweilige Entwicklungspotential in den jeweiligen Bereichen auch irgendwann ausgeschöpft ist und bei Wiese scheint dieser Prozess vom Potential auch schon nahezu abgeschlossen zu sein.
Es geht doch auch bei der Nationalmannschaft darum, dass die momentan besten Spieler dort gerade zu einem Turnier mitfahren und wenn Wiese eben nicht sein Optimum abrufen kann und auch nur noch bedingt in das spielerische Konzept von Löw passt, könnte er auch 5000 Bundesligaspiele und mehrere Hundert internationale Spiele bestritten haben, der Verdienst als solches, nämlich die Einladung in die Auswahlmannschaft, ist dann dennoch nicht selbstverständlich. Sollten nur Leno, Zieler und auch andere bessere Leistungen zeigen, könnte es auch für Wiese sehr schwierig werden. Da ist er eher nebensächlich, dass die jungen Keeper kaum Erfahrung haben. Auch für mich ist in erster Linie die aktuelle gezeigte Leistung das größte Auswahlkriterium und dann auch noch die spielerische Komponente bezüglich des jeweiligen Anforderungsprofils.
Die Erfahrung stammt da noch aus einer Zeit der stufenförmigen Hierarchie. Da war man als junger Bursche automatisch im zweiten Glied einer Mannschaft. Aber jetzt zu einer Zeit der Götzes und Özils sieht die Welt schon anders aus, denn Löw, vermittelt das Bild, dass jeder im Kader der Mannschaft weiterhilft, egal ob die Nummer 1 oder Nummer 23 und da haben die Vertreter der alten Auffassung leichte Probleme in diesen neune Gefügen.