Wiese zählt für mich als einer der besten Keeper auf der Linie, rein auf der Linie, und das dann auch im internationalen Vergleich. Allerdings ist das komplette Spiel deutlich schneller, sprich dynamischer, und auch variabler geworden, sodass der Keeper schon zwangsläufig die Räume eng machen und Bälle erlaufen muss. Gleichzeitig sollte er darüber hinaus dann den abgefangen Ball auch gut verwerten und weiterleiten können. Ist diese Anforderung aber mit großer Erfahrung abgedeckt, wenn man fußballerisch einigermaßen limitiert im Vergleich zu anderen Torleuten ist?
Ich glaube nein. Es reicht eben nicht mehr allein auf der Linie über Jahre hinweg starke Paraden zu zeigen, was hierbei allerdings genau die Welt von Tim Wiese ist. Das Torwartspiel ist deutlich komplexer geworden, womit sicherlich auch Oliver Kahn seine liebe Mühe und Not damit gehabt hätte. Die Schwächen im fußballerischen Bereich hatten Kahn ja ohnehin schon den Stammplatz bei der WM 2006 gekostet und auch aktuell wäre er meines Erachtens nicht die Nummer 1 in Deutschland!
Wofür steht eigentlich die Erfahrung?
Ich versuche hier einmal eine kurze Definition des Begriffes Erfahrung im Bezug auf einen Torhüter zu geben.
Die Erfahrung beschreibt hierbei aus meiner Sicht die Reflexion bereits erlebter Spielsituationen im Kontext der Herstellung zu neuen und gerade passierenden Spielsituationen. Soll heißen, dass die Erfahrung mir nur in der momentanen Bewertung von Spielsituationen hilft, ich aber als erfahrener Spieler keinen besseren Ball zwangsläufig spielen kann denn als junger aber fußballerisch gut ausgebildeter Torhüter.
Genau diesen Fall haben wir auch bei Tim Wiese. Er wird wohl nie die spielerische Klasse eines Manuel Neuer erlangen könne, weshalb er in der Nationalmannschaft ein wenig auf verlorenen Posten zu sein scheint.Wie gesagt, ich staune oft über manche Aktionen Wieses auf der Linie, aber die anderen Faktoren des modernen Torwartspiels kann Wiese nur bedingt, wenn nicht sogar nur unzureichend, abdecken. Von daher ist das Argument der Erfahrung im Bezug auf Tim Wiese für meine Begriffe schon mehr als vollkommen ausgeschöpft, wodurch jetzt andere Faktoren tatsächlich in den Vordergrund rücken sollten.
Noch ein kleiner Exkurs:
Wenn hier Spieler wie Lehmann, van der Sar oder gar Zidane angesprochen werden, möchte ich hier noch einmal einhaken. Gerade in den letzten 3 bis 4 Jahren ist das Fußball- Spiel erheblich schneller geworden, da wird der Ball deutlich schneller verarbeitet, also weiter im Dribbling getragen oder abgespielt bzw. als Torschuss abgeschlossen. Zidane war die Große Lichtgestalt Anfang der 2000er Jahre, also zu einer Zeit, als der Ball noch etwas träger verarbeitet wurde. Er war hier wohl auch ein wenig seiner Zeit voraus, wodurch er hierbei hervorstach, denn er konnte den Ball tatsächlich schnell verarbeiten und war darüber hinaus mit einer sensationellen TEchnik gesegnet.
Im Vergleich dazu wirkt Messi beispielsweise aber noch einmal wie eine Offenbarung, denn wie schnell er am Ball ist, da ist der Vergleich zwischen Messi und Zidane in meinen Augen schon fast vermessen. Hier wird der Generationen- Unterschied in meinen Augen sehr gut und sehr klar erkennbar.
Van der Sar wiederum war ähnlich wie Zidane seiner Zeit einfach voraus, wobei dieses offensive Spiel quasi als erster großer Keeper überhaupt das moderne Torwart- Spiel salonfähig machte. Aufgrund dieser Entwicklung über viele Jahre hinweg konnte van der Sar noch bis in das hohe Fußballer- Alter noch derart erfolgreich, auch von der eigenen Leistung her, spielen.
Lehmann hingegen habe ich nie so stark gesehen, wie er hier von vielen anderen gesehen wurde, denn er war spielerisch zwar sehr stark, allerdings war seine Strafraumbeherrschung mitunter auch ein wenig suboptimal und athletisch war er weit hinter anderen Keepern.
Ich weiß, dass ich mich mit meiner Sicht der Dinge auf jeden Fall angreifbar mache, und meine Aussage kann gerne auch kritisch hinterfragt werden, aber die Diskussion, war mir bisher schon fast ein wenig einfach geführt.
Zu allerletzt möchte ich aber auch noch eine vorsichtige Prognose abgeben: Ich glaube, dass man in den kommenden Jahren tatsächliche Weltklasse- Spieler jenseits der 30 Jahre ganz selten sehen wird, da die Dynamik und Komplexität des Spiels noch einmal zunehmen könnte, wodurch ältere Spieler von der Grundfitness her kleinere Nachteile haben könnten.




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