Man darf nicht vergessen, dass Tim Wiese genauso ein Mensch ist wie wir auch. Natürlich mag das jetzt auf dem ersten Moment verklärt wirken, aber ich stelle mir die Frage, wie ein Mensch die Situation von Tim Wiese jetzt verarbeiten kann und vielleicht auch bewältigen sollte.
Tim Wiese hat im Interview gesagt, dass er im Gegensatz zu anderen ein schönes Leben hat. Ja, die Aussage ist scheinbar jenseits des guten Geschmacks, oder vielleicht doch nicht?
Wieso lässt sich Wiese in seiner jetzigen Situation zu solch einer Aussage hinreißen? Nun, viele werden sagen, weil der Typ einfach nur arrogant ist und sich dem normalen bundesdeutschen Bürger privilegiert sieht. Mir persönlich wäre diese Sichtweise zu einseitig.
Was man bei all diesem Hass gegen Wiese, den er ja selbst hervorgerufen hat, nicht vergessen darf, sind frühere Aussagen von ihm. So sagte er einmal, dass der Profi- Fußball nur etwas für harte Männer und für Machos ist, da man sonst in diesem Haifischbecken sehr schnell untergeht. In einem ähnlichen Wortlaut hatte er sich damals auch zu der Tragödie um Robert Enke geäußert.
Unter dieser Betrachtung werde ich einen Verdacht nicht los. Diese Sätze sind damald gefallen, als Tim Wiese scheinbar uneingeschränkt auf der Sonnenseite des Lebens seinen Platz hatte. Wollte er sich damit noch mal als harter Kerl profilieren? Oder war das nur eine versteckte aber doch gnadenlose Einschätzung der gesamten Branche? Unter der früheren Betrachtung hätte ich gesagt, dass er einfach den typischen Proll verkörpert. Allein sein ganzes Erscheinungsbild ließ ja kaum einen anderen Schluss zu. Ein Körperbau, den auch manche Stripper vor Neid erblassen ließ, diese schon recht extreme Solariumbräune, die manche leicht tussige Friseurin in den den Schatten stellte und dann auch noch diese Friesur, die mich eher an einen Bordellbesitzer als an einen Bundesliga- Keeper erinnert.
Man muss ja dann schon fast zwangsläufig davon ausgehen, dass er sich über jeden Zweifel erhaben sieht. Er weiß, dass er polarisiert und befeuerte auch gerne des öfteren auch dieses Image. Auch manch ein Satz aus seinem Mund, erinnerte eher an einem Oliver Kahn, der gerade dem Größenwahn verfallen ist. Wie oft haben wir uns alle gefragt, wie ausgerechnet Wiese zu solchen Aussagen kam. Darüber hinaus schürte er vir den Nord- Derbys auch den Hass zwischen den Bremern und den Hamburgern. Er wirkte oft in einem eigenen Kosmos lebend und da hatte man ihm ja schon fast dieses kolossale Scheitern gewünscht.
Nun ist er scheinbar endgültig gescheitert, wobei er vorher auch noch sagte, dass er jetzt um Titel mitspielen will und dann folgte sein eigener Absturz. Noch vor einem halben Jahr hatte uch gesagt, dass er alles maßlos überschätzt hatte, vor allem auch sich selbst.
Wss man aber nicht vergessen darf, ist die Tatsache, dass er in Bremen auch keine weitere Zukunft hatte, nachdem die Vereinsführung seinen Vertrag nicht zu besseren Konditionen verlängern wollte. Vielleicht bröckelte da schon die Welt des Tim Wiese und er wusste sich nicht anders zu helfen, als wieder einmal sich sehr selbstbewusst und provokant gegenüber dem ganzen Rest der Welt zu äußern.
Dass er sich dann aber wohl tatsächlich gegen Real Madrid entschieden, könnte unter folgender, zugegeben recht hypothetischer, Betrachtung etwas plausibler werden. Mourinho wollte Wiese ja als ernsthafte Alternative zu Casillas haben und ich nehme an, dass Mourinho auch bereit gewesen wäre, Wiese ohne Wenn und Aber als Nummer eins zu etablieren.
Was wäre dies erst für ein unmenschkicher Druck für Wiese gewesen, gegen San Iker anzutreten, und vielleicht auch zum Spielball von Mourinhos Macht zu verkommen? Möglicherweise wusste er, dass er diese Situation nicht bewältigen kann, da er durchaus sensibler ist, als er sich auch immer dargestellt hat um privat möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.
Als ich mir Wiese auf der Tribüne gegen Freiburg gesehen hatte, wirkte er menschlich. Er wirkte verletzt und verunsichert, aufgrund der Geschehnisse der letzten Wochen und doch lachte er und wirkte deutlich gelöster. Für ihn als Sportler scheint die Karriere nun unaufhörlich sich dem Ende entgegen zu bewegen, dafür darf er dann Mensch sein und vielleicht realisiert er dies gerade. Von daher kann es durchaus sein, dass er sich mit diesem Abend in diesem Club auch selbst etwas beweisen wollte, oder es ging um Frustbewältigung, ich weiß es nicht, ich kann nur vermuten.
Letztendlich glaube ich, dass er deutlich empfindsamer ist, als man gemeinhin annehmen möchte und er deswegen oft so reagiert hat wie er eben reagiert hat.




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