Interessant, aber nicht wirklich überraschend.
"Die Welt" ist bekanntlich ein Blatt des Springer-Verlages. Folglich wird ein Lehmann-Interview gerne mal wieder zum Anlass genommen, dieses teilweise unvollständig wiederzugeben und mit eigenen Interpretationen zu garnieren - offensichtlich mit der Zielsetzung, Lehmann unterschwellig als senilen Fliegenfänger darzustellen, der den rechtzeitigen Absprung verpasst hat und jetzt eifersüchtig auf die junge Torwart-Generation reagiert.

Dieses Schema der öffentlichen Lehmann-Darstellung funktioniert wirklich immer wieder - und wird in Windeseile wieder die Runde durch sämtliche Blätter machen.

Der angesprochene Interview-Ausschnitt laut im Original der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" folgendermaßen:

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Reden wir noch über die Nationalmannschaft. Kaum ist Rene Adler die Nummer 1 im Tor der deutschen Nationalmannschaft, da nimmt die Anzahl seiner Patzer massiv zu. Sie waren bei zwei großen Turnieren die Nummer 1. Wie soll er mit der Situation umgehen?
Lehmann: Als ich jung war, habe ich so eine große Chance nicht bekommen. Rene Adler muss mit dieser Situation jetzt klarkommen. Manuel Neuer hatte ähnliche Probleme. Er hat auch Potenzial, ist aber noch sehr jung.
Ist es Ihrer Meinung nach ein Risiko, auf zwei so junge Torleute zu setzen?
Lehmann: Das kommt auf die Zielsetzung für die WM an. Wenn man Weltmeister werden will, wird das nicht leicht mit relativ unerfahrenen Leuten. Beide spielen nicht in der Champions League und damit permanent auf höchstem Niveau.
Das klingt nach einem Plädoyer von Jens Lehmann für Jens Lehmann: Sie sind nicht mehr ganz so jung und spielen noch in der Champions League.
Lehmann: Ich glaube, dass jemand wie ich perfekt wäre, sofern er in das Schema des Bundestrainers passen würde, wonach der Torwart maximal 30 bis 35 Jahre alt sein sollte. Den gibt es aber nicht in Deutschland.
Sie betonen gerne, dass Sie sich wesentlich jünger fühlen…
Lehmann: Das betone ich nicht, sondern muss auf diese Frage nach dem „gefühlten Alter“ mit Ja antworten.

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Ich persönlich kann aus diesen Aussagen von Lehmann nun wirklich kein "Herziehen über Neuer oder Adler-Darling" ableiten.
Für mich stellt er einfach seine Ansicht dar, dass weder Adler noch Neuer bisher permanent auf höchstem Niveau in der CL gespielt haben und es somit voraussichtlich nicht leicht werden wird, mit relativ unerfahrenen Leuten Weltmeister zu werden.
Lehmann spricht hier meiner Ansicht nach auch nicht Neuer und Adler ihre Qualitäten ab - und zu Wiese macht er überhaupt keine Äußerungen.
Das kann man doch jetzt einfach mal ganz gelassen betrachten und als sachlich hervorgebrachte Anschauung so stehen lassen, ohne gleich wieder einen künstlichen Lehmann-Skandal aufzubauschen!

Wie wir alle wissen, ist Lehmann erst mit 36 Jahren zur WM 2006 die Nummer 1 im deutschen Tor geworden. Und er war das zwei Jahre später immer noch.
In das Schema des Bundestrainers scheint er altersunabhängig ja wohl vom Anforderungsprofil her gepasst zu haben.

Grundsätzlich ist es richtig, dass ein Bundestrainer zur rechten Zeit einen Umbruch hin zu jüngeren Spielern einleitet. Erfahrung und Routine sollten dabei aber nicht auf der Strecke bleiben.

Falls Löw aber nun Torhüter haben will, die maximal 30 bis 35 Jahre alt sind, fallen Butt und Rost auch weg.
Butt wird im Mai 36 und Rost im Juni 37 Jahre alt...