Bei der 1gegen1-Situation stand ich fast genau in der Verlängerung hinter dem Tor. Wie Neuer da stehen blieb, war beeindruckend. Klar, macht der Stürmer alles richtig, steht es 2:2. Doch dieser psychologische "Krieg", den Neuer so unfassbar oft gewinnt, macht offenbar selbst noch so agezockten Stürmern arg zu schaffen. Und ehe sie sich versehen, ist Neuer in einer Position, aus der heraus er seine Chancen um ein Vielfaches gesteigert hat.

Bei der Faustabwehr, zu der er zwei oder drei Mal gezwungen war, sehe ich es wie Steffen. Er fängt sonst mehr weg. Aber auf der Linie zu bleiben, wäre allemal die schlechtere Option gewesen, zumal er immer zum Ball durchkam.

Beim Gegentor ist er machtlos. Bleibt er auf der Linie, ist das Ding mit größter Wahrscheinlichkeit auch drin. Ich finde es nicht ganz optimal, denn in der ein oder anderen Situation darf er ruhig auch mal auf der Linie bleiben, wenn der Ball scharf von der Grundlinie reinkommt. Andererseits scheint es so zu sein, dass er sich zur Maßgabe allen Handelns gemacht hat, so früh wie möglich den Ball zu bekommen. bzw. an den Ball zu kommen.

Jetzt kommt die große Frage: Reden wir dann noch über "Fehler" oder verbesserungswürdige Aktionen? Oder reden wir von einer nicht unwesentlich erfolgreichen Grundphilosophie in Neuers Spiel, bei der er so Dinger wie im Hinspiel oder in Gladbach einfach als strategisches Risiko in Kauf nimmt? Er setzt sich ja damit offenbar sehr intensiv auseinander, denn im Sky-Interview sprach er ganz explizit das Tor von Arsenal gegen Barca im Hinspiel an, als Valdez das Ding ins kurze Eck bekommt.

Ich persönlich bevorzuge eigentlich in meinem Spiel, mich situationsbezogener zu verhalten. Nur muss ich dann auch in Kauf nehmen, dass ich wesentlich weniger Chancen habe an den Ball zu kommen und sich die Aussicht auch nicht wesentlich verbessert, auf der Linie den Abschluss aus drei bis acht Metern zu erwarten. Wir reden bei den allermeisten von uns schließlich nicht nur von Amateurkeepern, sondern auch von Amateurfeldspielern. Von denen knallen vermutlich im Endeffekt noch viel weniger ìns kurze Eck. Nach intenisver Ansicht von Neuers Verhalten denke mittlerweile ernsthaft darüber nach, gerade bei Ecken und Flanken eine erheblich mutigere Auftaktbewegung zu machen - auch auf die Gefahr hin, dass ich den "point of no return" ab und an überschreite. Wir sind relativ schwach bei Defensiv-Standards. Vermutlich erhöhe ich die Chancen der Torverhinderung dann weitaus mehr, indem ich aggressiver und offensiver agiere...