Steffen, ich sehe deine "Floskel" gar nicht so unkritisch, wie du sie siehst. Denn m.E. steckt da eine krasse Diversität der Anforderungen an den Keeper dahinter.
Du sagst: Lieber auf die Tribüne als vor die Füße des Gegners. Das ist zwar absolut richtig, aber vor dieser Wahl steht Neuer in der Szene ja nicht. Er hat die Wahl zwischen Ball auf die Tribüne (oder weit weg ins Feld) schlagen und Versuch, einen Mitspieler anzuspielen.
Welche Alternative man wählt, hängt vom Risiko ab. Generell ist das Anspiel die zu bevorzugende Variante, die nur dann unattraktiv wird, wenn das Fehlpassrisiko zu hoch wird. Wenn dieses hoch ist, dann bin ich absolut bei dir und meine, dass der TW nicht den tödlichen Pass durch zentimeterbreite Schnittstellen versuchen sollte, sondern das Ding auf gut Glück lang oder im Notfall auf die Tribüne schlagen sollte.
Der Unterschied ist halt: So eine Situation ist hier nicht gegeben. Aus seiner Position einen Fehlpass zu spielen, ist eigentlich nicht wahrscheinlich. Deswegen MUSS er hier den Pass spielen. Allerdings sollte er ihn dann auch gut spielen. Ich schätze mal, hier hat er einfach nicht korrekt geschaut und Ayhan nicht gesehen. Oder er hat den Ball technisch mangelhaft gespielt. Wenn eines dieser beiden Dinge aber passiert, kann selbiges auch beim wegbolzen passieren (d.h. er könnte über den Ball semmeln bzw. einen seiner Verteidiger anschießen).
Zusammenfassend: Ball wegkloppen darf nur dann eine Option sein, wenn diese Risikoärmer ist, als der Pass... Das ist aber hier m.E. nicht der Fall.
Das Problem ist hier die technisch korrekte Ausführung. Und wenn die nicht passt, habe ich in jeder Szene ein Problem.
Zum Thema offensive Ausrichtung des Torwarts: Es gibt m.E. nicht wirklich eine offensive Spielweise des Torwarts, was das Ablaufen von langen Bällen angeht. Es gibt eine Mannschaftstaktik, die vorgibt, wie sich die Abwehrkette in gewissen Situationen positioniert und darauf aufbauend muss der Keeper eine nicht zu große Lücke hinter der Abwehrkette sicherstellen. Genauso wie es zwischen Abwehr und Mittelfeld aussieht. Zumindest bei solchen Fällen wie gegen Schalke ist das so. Da steht Neuer einfach nicht allzu tief und sorgt daher dafür, dass der lange Ball (eigentlich) nicht gefährlich werden kann. Das ist für mich einfach Basic Stuff.
Anders stellt sich das dar, wenn es um Hochrisiko-Aktionen (Algerien) geht, wo der persönliche Stil, die Fähigkeiten und die Risikobereitschaft eines Torwarts eine Rolle spielen.