@Matze95
Vielen Dank für deine Kritik. Ich glaub, ich hab mich teilweise falsch ausgedrückt.
1. Mediale Wirkung
Ein Nationalspieler bekommt hoch dotierte Werbeverträge, die ein normaler Bundesligaspieler nicht erhält. Wie du schon richtig sagt, sind die DFB-Prämien im Vergleich dazu sehr gering.
2. Fussballer im "besten Alter"
Die Frage, die sich jeder Trainer stellt, ist nicht ob ein Spieler jung oder alt ist, sondern ob er gut genug ist und die Aussicht besteht, dass er besser werden wird. Diese Frage hätten sich die Spieler ebenfalls perspektivisch stellen können. Aber natürlich ist hier auch der Bundestrainer gefragt, nach dem Leistungsprinzip zu entscheiden.
3. Ziele definieren - Ziele erreichen
Es waren einerseits die Spieler und andererseits die taktisch falsche Ausrichtung, die zum WM-Aus geführt haben. Bei den Spielern war es deshalb abzusehen, weil die meisten Älteren in ihren Vereinen ebenfalls nicht die gewünschten Leistungen unmittelbar vor der WM abrufen konnten. Im Ballgeschiebe mit sehr vielen Sicherheitspässen habe ich fehlendes Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten entdeckt. Man wollte um jeden Preis den Zweikampf vermeiden.
Aber ich gebe dir recht, eine gute Mischung in der Mannschaft ist wichtig und allein das Auswechseln älterer Spieler hätte keine allzugroße Wirkung gezeigt.
Leider sind uns derzeit viele andere Länder deutlich voraus, was Spielerentwicklung und Mannschaftstaktik anbelangt. Das haben die Testspiele vor der WM, die WM selbst und die Spiele danach gezeigt. Ein weiteres Festhalten an "Altbewährtem" würde den deutschen Fussball noch tiefer abrutschen lassen.
Viele Trainer haben momentan das Problem eine bessere Spielphilosophie zu finden. Warum soll man dem Gegner das Spiel überlassen und sich nur aufs Kontern verlegen, heißt es dabei häufig? Allerdings meint die Abkehr vom Ballbesitzfussball lediglich den Übergang zu einer besseren Ballance zwischen Offensive und Defensive. Denn der Ballbesitzfussball hatte anfänglich seine Stärken in der Offensive, aber seine Schwächen in der Defensive, weil immer mehr Gegner gute Antworten aufs Gegenpressing fanden.
Erste Antworten auf Veränderungen scheinen beim DFB ja gefunden zu sein. So möchte man mit "Funino" wieder das Zweikampfverhalten stärken. Beim "Futsal" sollen technischen Feinheiten und Handlungsschnelligkeit verbessert werden. In der F-Jugend spielt man "Fairplay-Liga", um die Spielfreude zu verbessern und die negativen Auswirkungen von "Brüllaffen" am Spielfeldrand einzudämmen. Aber das ist noch kein durchgängiges Konzept, weil gar keine Ziele definiert werden. Einer der entscheidenen negativen Faktoren ist nach wie vor, dass man die Talente häufig viel zu früh aus ihrer sozialen Umgebung reißt, damit die Konkurrenz nicht daran verdienen kann. Man möchte auf diese Weise aus der Quantität (vieler Talente) die Qualität (der besten Talente) auf dem Rücken der jungen Menschen erreichen. Das Risiko eines jungen, von seiner normalen sozialen Umgebung herausgerissenen jungen Menschen depressiv zu werden, weil bei einer Formschwankung die Familie und Freunde als Ansprechpartner fehlen, ist groß. Obwohl es hier um viel Geld geht, dabei as Schicksal junger Menschen billigend in kauf genommen wird, nennt es niemand ein Geschäft. Zwar hat der DFB eine Aufnahme in ein Fussballinternat unter 15 Jahren untersagt, aber das umgeht man leicht, indem diese "Wunderkinder" bei Gasteltern einquartiert werden. Es geht da manchmal schon für 10 - 11 jährige Talente nicht mehr um den Spaß am Fussball, sondern nur noch um die Leistungsverbesserungen innerhalb eines Zeitabschnitts. Es hat sich ein Molloch im Schatten des Profifussballs entwickelt, den es zunächst einmal genau zu analysieren gilt, um wirksame Maßnahmen zum Schutz der Kinder und zur nachhaltigen Verbesserung des deutschen Fussballs zu entwickeln.
Wenn ich an anderer Stelle geschrieben habe, dass meine größten persönlichen Fortschritte abseits des breit getretenen Pfades im Fussball stattgefunden habe, dann meine ich damit auch einen anderen Entwicklungsweg für Talente, weil es eben nicht egal ist, mit welchen Methoden man Ziele definiert.
Robert Enke steht m.E. für das Versagen des Fussballs die sozialen Bedürfnisse eines Profis zu erkennen und zu respektieren. Denn hier wird der Mensch allein auf seine fussballerischen Fähigkeiten reduziert. Sammer hat das mal als "Siegergen" bezeichnet und darin den Wunsch geäußert, dass auch der Spieler sich die gleichen Ziele setzen soll wie sein Trainer und sein Verein. Aber jeder braucht auch eine Familie, die für ihn da ist und für die er da ist. Es braucht eigene Erfolgsmotive, nicht nur die fremdgesteuerte Befriedigung von persönlichen Eitelkeiten von Sponsoren und Vorstandsvorsitzender. Er darf sich privat und öffentlich nur noch fremdgesteuert durch die Interessen des Vereins und seiner Sponsoren verhalten.
Ich hoffe, es ist nun ein wenig klarer geworden? Ich gebe nicht den Spielern die Schuld daran, dass es nichts mit der WM geworden ist und mit einem "weiter so" hächstwahrscheinlich nix mit der EM werden wird. So einfach ist es leider nicht! Denn es müssen sehr viel mehr Stellschrauben erkannt und angepaßt werden.




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