Zitat Zitat von Kenji 101 Beitrag anzeigen
Dem kann ich mich nur anschließen. Manuel Neuer hat sich in der Vergangenheit des Öfteren fehl verhalten und wurde kaum oder gar nicht kritisiert. Dieses Phänomen ist aber schon seit der Weltmeisterschaft 2010 zu beobachten. Es ist mittlerweile unerträglich, wie subjektiv sein Torwartspiel in diesem Forum bewertet wird. Mitunter sind einige Äußerungen zu diesem Thema einfach nur noch unverschämt peinlich. Gerade der überwiegende Teil der Schalker-Fraktion bekleckert sich nicht mit Ruhm. Wer sich an die vergangenen Jahre von Manuel Neuer erinnert, wird sicher feststellen, dass er die Angewohnheit hat, sich zu Bällen, die aus seiner Sicht nicht mehr erreichbar sind, einfach nicht zu bewegen.

Jeder Ball ist theoretisch haltbar. Und auch dieser Treffer wäre zu verhindern gewesen. Über das Stellungsspiel braucht man nicht diskutieren, das war nahezu perfekt. Aber warum zum Teufel bewegt er sich nicht zum Ball? Wir, gerade wir Torhüter, wissen doch zu genau, welchen Unterschied eine Berührung des Balles am Verlauf der Flugbahn machen kann.

Ob es dann trotzdem zu einem Treffer gekommen wäre, ist dann vollkommen zweitrangig. Einen Fehler hat er nicht gemacht, aber den Ball konnte man "mit etwas Mühe" gewiss parieren.

Liebe Grüße
Eine etwas zu allgemein gehaltene Kritik, die ich nicht auf mich beziehe (s. z.B. mein Blog zum Thema Neuer). Fakt ist, dass Neuer aufgrund einer immensen Unkenntnis hinsichtlich des Torwartspiels in der Medienlandschaft gehyped wird. Fakt ist aber auch, dass er extrem polarisiert. Entweder es ist alles Sonnenschein oder totale Finsternis. Nach einem Fehler wird dann z.B. schon ein Fass aufgemacht, ob Neuer dem Druck standhält, der mit Kraft aufgebaut wird. Die "Flutschfinger"-Geschichte vor drei Jahren erreichte ein Niveau, welches z.B. Adler trotz vergleichbarer Fromschwankungen nie ertragen musste.

Ich sehe so etwas von zwei Seiten: Einerseits ist die Entwicklung der öffentlichen Wahrnehmung ein Indiz dafür, dass Neuer auf dem Weg dahin ist, sich langfristig (!) ein Standing wir Kahn zu erarbeiten. Wenn Du Neuers Entwicklung seit der WM ansprichst, muss man dem hinzufügen, dass er eine beeindruckende Entwicklung hinter sich gebracht hat. Seine Körpersprache, seine Präsenz, seine gesamte Ausstrahlung hat einen extrem positiven Schub erhalten. Andererseits neigen wie bei dem scheinbaren (!) Übertorwart Kahn bereits einige zur göttergleichen Verehrung, was a) polarisiert und b) eine gewisse "Betriebsblindheit" auslöst und c) ihm dauerhaft auch eine starke Ablehnung und irrationale Antipathie einbringen wird.

Zum Gegentor in Leverkusen: Der Ball ist m.E. nicht zu halten, da Flugkurve und Geschwindigkeit eine perverse Kombination eingegangen sind. Dass er sich trotzdem zum Ball bewegen kann und sollte, ist eine klare Forderung des Torwartspiels: Wer es nciht versucht, hat eh keine Chance. Daraus bei ihm eine Art Regel abzuleiten, ist wiederum etwas hergeholt. Er ist - was ich durchaus nicht negativ sehe - kein Schauflieger und auch kein Alibiflieger. Als ständiger Beobachter der kompletten Spiele im Stadion bzw. am Fernseher kann ich diesen Aspekt Deiner Kritik daher nicht nachvollziehen. Wie sehr allein schon die fachlich einigermaßen fundierte Bewertung auseinandergehen kann, zeigt schon Deine Einlassung, dass das Stellungsspiel perfekt gewesen sei. Das sehe ich nicht so. Für seine Verhältnisse stand er schlecht und zu sehr im kurzen Eck. Da Derdiyok mit einer 50/50-Chance den Ball auch annehmen und ins 1gegen1 gehen kann, steht Neuer eigentlich zu tief. Von der idealen Position aus hätte er allerdings erst recht keine Chance gehabt.

Ich will damit nur sagen, dass Pauschalierungen in der Kritik gerne zum legitimen Gegenpol zur Pauschalierung übertriebenen Lobes gemacht werden. Ich finde Deine Kritik im Detail teilweise nachvollziehbar. Ich würde allerdings einwerfen, dass die meisten "Fehler" Teil eines extrem offensiv orientierten Spielstils sind. Wir können das wissenschaftlich oder mit Zahlen nicht belegen, doch Neuer wird mit dieser Spielweise sehr viel mehr Tore verhindern, als das ein Torwart kann, der nur die rein defensive Aktion zur Torverhinderung nutzt, anstatt schon die Chance an sich zu verhindern. Das Risiko, mal dumm auszusehen, scheint er sehr bewusst in Kauf zu nehmen. Nehmen wir mal exemplarisch das Spiel gegen England oder jüngst gegen Frankfurt, wo er Opfer der Spekulation wird, kommt ja noch ein weiterer Aspekt hinzu: Er bereitet jeweils ein Tor vor. Das bringt mich zur fast akademischen Frage, ob ein Torwart wie Neuer abseits technischer Grundlagenkritik mit den hergebrachten Maßstäben in der Gänze seines Spiels noch korrekt beurteilt werden kann. Frei nach dem Motto "Äpfel und Birnen"...

Dein (verständlicher) Ärger über zu viel Hype sollte nicht zur gegensätzlich verallgemeinernden und dann auch tendentiell unsachlichen Kritik führen. Ich sehe Neuer derzeit in einer typischen durchwachsenen Phase, in der er "ausholt", um den nächsten Entwicklungsschritt zu machen. Es gehört aber zu einer sinnvollen Auseinandersetzung, dass wir festhalten, dass er in dieser "schlechteren" Phase immer noch auf einem beachtlichen Niveau agiert. Und für mich persönlich ist in der generellen Bewertung dieses Torhüters entscheidender, wohin sich Neuer entwickelt, als die Frage, ob der den Ball tatsächlich noch irgendwie halten kann. Reden wir über die Aktion an sich und die technischen oder torwarttaktischen Aspekte, ist das für mich als Torwart sogar der wesentlichere und interessantere Maßstab. Das ist aber eine andere Ebene, die Du dann nicht klar genug trennst.