Hi zusammen, ich hab versucht die Debatte in diesem Thread so über die letzten 2 Seiten zu verfolgen, und ich glaube dass wir so ne Debatte schon vor n paar Wochen mal hatten (Anlass dürfte ziemlich sicher das Gladbach Spiel gewesen sein). Ich stelle einmal mehr fest, dass hier ziemlich viel, aber auch ziemlich leichtfertig, mit Zahlen, Prozentsätzen und Wahrscheinlichkeitswerten "gearbeitet" und argumentiert wird. Um ganz ehrlich zu sein, halt ich das für relativ unsinnig, denn keiner von uns verfügt über Werte und Zahlen die auf offizielle Fußballstatistiken beruhen. Das sind alles Schätzwerte, Spekulationen, über den Daumen gepeilte Prozentsätze, hypothetische Annahmen basierend auf Pi mal Daumen. Für eine ernsthafte Analyse ist das aber leider überhaupt keine Grundlage! Es gibt, so weit ich weiß eine oder mehrere Unternehmen, die von der DFL beauftragt werden, die Statistiken und Werte der Bundesliga zu erfassen
(http://www.bundesliga-datenbank.de/de/aboutus/), vielleicht können die uns weiterhelfen. Vielleicht hat ja auch einer von euch mal Lust bei denen eine Anfrage zu dieser Thematik zu stellen, wäre sicherlich interessant. Ums kurz zu machen, ich denke die Werte die hier angeführt werden, haben schlicht keine Grundlage und das macht sie leider relativ unbrauchbar. Die Überlegungen die dahinterstecken, nämlich Chance und Risiko abzuwägen und in ein gesundes Verhältnis zu bringen, sind sicherlich richtig. Aber ich finde, wenn man schon mit Mathematik argumentieren möchte, sollte man das auch präzise machen und nicht mit Schätzungen arbeiten.
Des Weiteren möchte ich hier noch auf einen Satz von Torbinho eingehen, den ich (vorausgesetzt ich verstehe ihn korrekt) so nicht stehen lassen kann. "Deine Definition von Harakiri-Aktion finde ich nicht ganz passend. Es klingt so, als wäre es immer dann Harakiri, wenn es nicht klappt. Meiner Meinung nach zählt aber nicht der Erfolg, sondern die Erfolgswahrscheinlichkeit." Ich denke letzten Endes entscheidet über nur der Erfolg der Aktion darüber, ob sie richtig, also als erfolgreich gewertet wird oder nicht. Ich glaube, ich weiß schon was du sagen willst. Nämlich das es genauso wenig ein Fehler ist, wenn ein Mitspielen des Torhüters nicht erfolgreich verläuft, als wenn der Torhüter im 1 vs 1 den kürzeren zieht. In der Theorie mag das stimmen. Aber was ist mit der Praxis. Was wenn du im CL Finale beim mitspielen falsch antizipierst und ein Tor oder eine rote Karte bekommst. Was sagst du da zu deinem Trainer. "Trainer die Wahrscheinlichkeit, dass ich den Ball abfange und ein Tor verhindere war bei 69% zu 31%, ich musste das machen, das war kein Fehler." Ich glaube nicht, dass der Trainer da sagt, "ja da hast du recht". Sondern ich denke, er sagt eher, "das war ein Fehler, du musst die Situation besser einschätzen und das Risiko kalkulieren." Ich will sagen, die Erfolgswahrscheinlichkeit ist sicherlich eine Variable, die zu berücksichtigen ist, ABER es gibt Situationen in denen eine Entscheidung allein basierend auf Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechtfertigen ist. Um meine etwas komplizierte Erläuterungen etwas klarer zu machen hier mal ein Video, dass ein solches Szenario vielleicht veranschaulicht:
http://www.youtube.com/watch?v=LUuCZZN9aio
Der entscheidende Moment ist bei ca 0:40min. Ich will hier auch kein Lehmann Bashing anfangen oder sonst was, ich will nur verdeutlichen, dass solche Risikoentscheidungen, auch wenn sie statistisch richtig/gerechtfertigt sein mögen, dennoch problematisch sind. Ein CL Finale ist halt eine andere Kategorie, als ein Spiel in der Liga, da helfen auch alle Spielereien mit Prozentsätzen nichts, da zählt nur der Erfolg, nicht die Wahrscheinlichkeit. Ich bin mir sicher, dass Lehmann in der Verfassung von damals, die Mehrheit solcher Bälle abgefangen hat, aber in diesem einen entscheidenden Moment eben nicht. Da hilft es ihm leider reichlich wenig, wenn er von 10 solchen Bälle im Schnitt 7,5 bekommt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Arsène da zu Jens gesagt hat," Jens prima, da hast du statistisch gesehen alles richtig gemacht.... "
Der nächste Punkt, der mich an diesen ganzen Zahlenspielen stört, (ich übertreibe hier bewusst) ist, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass ein moderner, etwas risikobereiter Torhüter, in so einer Situation kurz mal anfängt die Chancen und Wahrscheinlichkeitswerte auszurechnen, nach dem Motto, so über den Daumen gepeilt, hab ich da jetzt 68,3% wenn ich rauskomme, aber nur 49,6% im 1 vs 1. Ich denke diese Entscheidung basieren ganz grundsätzlich auf "Gefühl", bzw. einem antrainierten Instinkt (das wird ja von Jungend an geschult, und geht somit auch ins Gedächtnis über). Jeder Torhüter hat seinen eigenen Stil und schätzt die Lage dementsprechend ein. Ein konservativer Torhüter wird vielleicht eher zögern, ein modernerer Torwart wird vielleicht eher das Risiko eingehen. Aber ganz gleich wie die Entscheidung ausfällt, sie basiert letztlich auf einem sehr kurzfristigen Entschluss, der m.E. sehr viel mehr auf diesem antrainierten Gefühl, als auf höherer Mathematik basiert. Und es ist vollkommen menschlich, dass bei solchen kurzfristigen Entscheidungen, auch wie der Neuers gegen Gladbach, Fehleinschätzungen passieren können. Das entscheidende ist doch Chance und Risiko auch ohne ausufernde Rechnungen in ein gutes Verhältnis zu bringen. Die Entscheidung gegen Gladbach war unter diesem Aspekt einfach vollkommen falsch, aber in vielen, sogar sehr vielen Fällen liegt Neuer aber vollkommen richtig. Die Aktion gegen Gladbach fällt für mich ganz klar in die Kategorie Harakiri, dass Verhältnis von Chance und Risiko stand in keinem Verhältnis, die Geschichte gegen Inter (oder letzte Saison gegen Gladbach) fallen für mich nicht in diese Kategorie.