Es ist die 90. Spielminute. Hans-Jörg Butt stürmt aus seinem Tor. Weit über die Mittellinie hinaus in den Strafraum des Gegners. Es ist 2002, Bayer Leverkusen liegt im Champions-League-Finale gegen Real Madrid zurück. Den ersten Gegentreffer durch Raúl hat Butt mitverschuldet. Nun will er seinen Fehler ausgleichen. Nach einer Flanke steigt der Torwart am höchsten - doch sein Kopfball landet knapp neben dem Pfosten. Bayer verliert das Spiel.
Und verspielt damit nach Meisterschaft und DFB-Pokal den dritten Titel binnen weniger Tage. Eine Saison der Sensationen ist eine Saison der Enttäuschungen geworden.
Erfolg und Misserfolg können manchmal sehr eng beieinander liegen.
Das gilt speziell für Butt.
Heute ist er 35, steht bei Bayern München im Tor und darf nun mit der deutschen Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft in Südafrika fahren. An diesem Donnerstag hat Bundestrainer Joachim Löw in Stuttgart seinen WM-Kader präsentiert, und Butt ist dabei. Nach dem Ausfall von Stammkeeper René Adler dürfte er Nummer drei fürs Tor werden.
Acht Jahre nach der wohl größten Enttäuschung seiner Karriere steht Butt unverhofft vor der Gelegenheit, innerhalb weniger Wochen alle Makel aus seinem Lebenslauf zu tilgen. Mit Bayern hat er schon die Meisterschaft gewonnen, jetzt greift sein Verein nach dem Sieg in der Champions League und im DFB-Pokal - er sagt: "Diesmal klappt es. Weil wir die richtige Mentalität haben." 362 Spiele hatte er bislang in der Bundesliga gemacht, einen Titel noch nie gewonnen, "mit 35 ist das für mich etwas ganz Besonderes".
Und nun noch WM.