Sich eine Auszeit nehmen, bedeutet streng genommen nichts anderes, als sich für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit nicht mehr den eigentlichen Aufgaben stellen zu wollen, weil man dazu physisch oder psychisch nicht mehr in der Lage ist. Physische Voraussetzungen liegen bei dir nicht vor und insofern müssen wir wieder mal auf die Psyche blicken. Da es sich hier, um ein häufig auftretendes Problem handelt, werde ich es zum (hoffentlich) besseren Verständnis allgemein formulieren.

Wir werden häufig mit Aufgaben und Anforderungen konfrontiert, die uns in den verschiedensten Lebensbereichen gestellt werden und denen wir gerecht werden sollen. Unser Leben stellt in vielerlei Hinsicht eine Abfolge von zu erledigenden Aufgaben dar; dies kann z.B. in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Beziehung oder eben auch beim Fussball sein. Solange wir uns sicher sind, die an uns herangetragenen Anforderungen zu erfüllen, fühlen wir uns gut und widmen uns gerne diesen Herausforderungen. Was aber passiert, wenn wir, aus welchen Gründen auch immer, diese Sicherheit verlieren? Im Grunde genommen gibt es nur einen Grund, der uns die erforderliche Sicherheit nimmt.

Der übermässige Wille, alles stets richtig zu machen, keinen Fehler machen zu dürfen, kurz gesagt, perfekt zu sein. Diesem Perfektionismus liegt erstens, der Gedanke zugrunde, nicht gut genug zu sein, wenn man nicht alles richtig macht und zweitens, der Glaube, als Mensch nur in dem Masse etwas wert zu sein, wie man in den Augen anderer (Arbeitskollegen, Mannschaftskameraden, Trainer, Zuschauer etc.) funktioniert. Psychologen nennen diese Kombination "mangelndes Selbstwertgefühl".

Daraus resultiert das Unsicherheitsgefühl, das sich bis zur Versagensangst steigern kann (die sog. Prüfungsangst, in ihren verschiedenen Stufen und Formen, sei hier als Beispiel genannt).

Woran können wir nun aber diese Angst, die ja tief in uns sitzt, erkennen? Körperliche Anzeichen können schwitzige/zitternde Hände, die berühmten "weichen Knie" oder ein bis zum Herzrasen gehender erhöhter Puls sein. Viel entscheidender und weitaus häufiger ist die Versagensangst am Verhalten des Betroffenen ablesbar. Es wird versucht, den Aufgaben und Anforderungen auszuweichen, um dem Versagen auszuweichen. Die Angst kann uns dazu bringen, alles zu tun, um das mögliche Scheitern zu vermeiden. Beispiele dafür kennen wir alle und fast jeder von uns hat, ohne die tieferen Zusammenhänge zu kennen, dieses Verhalten schon gezeigt (schon mal versucht, zu vermeiden vom Lehrer in der Schule aufgerufen zu werden, da man sich der Antwort nicht sicher war? oder mal nicht von der Linie gegangen, da man die Flanke vielleicht unterläuft? oder sich eine Auszeit gönnen, nachdem Dinge in der letzten Zeit nicht wie erhofft gelaufen sind). Diese Vermeidungsstrategie verschafft uns kurzfristige Abhilfe und sorgt so für eine gewisse innere Entspannung, die aber nur vorübergehender Dauer ist, da es uns nur selten gelingen wird, dauerhaft den gestellten Anforderungen zu entkommen. Wie aber können wir mit dieser Angst umgehen, wie können wir sie überwinden?

Wir müssen einen Gegner, in diesem Fall die Versagensangst genau kennen, um ihn zu besiegen. Jeder Mensch hat seine eigenen, ganz persönlichen Versagensängste und zwar genau dort, wo es ihm besonders wichtig ist, dass etwas gelingt. Desweiteren muss man wissen, dass das möglich Versagen, grundsätzlich in zwei verschiedene Kategorien einteilbar ist. Wir können auf der sogenannten "sachlichen Ebene" versagen, was nichts anderes bedeutet als, dass wir Fehler, die wir machen nicht ertragen können und daher schon bei geringen Fehlern das Gefühl haben, versagt zu haben. Wir lassen nur 100% gelten, alles andere wird als Misserfolg eingestuft und ist wertlos. Die andere Ebene gilt als die "Beziehungsebene" und betrifft die Angst als Versager vor anderen dazustehen, wenn wir einen Fehler machen. Es ist die Angst im Ansehen der anderen zu sinken, unseren guten Ruf zu verlieren, einen schlechten Eindruck zu machen, wenn etwas nicht perfekt gelingt. Beide Formen haben gemeinsam, dass wir die Fehler als Resultat unseres Handelns in den Mittelpunkt unseres Denkens stellen. Nicht die Aufgabe und deren Lösung, und damit das Ziel, sondern die Fehlervermeidung tritt in den Focus unserer Aufmerksamkeit. Wir müssen also versuchen, das Ziel, die Aufgabe wieder zum zentralen Punkt unseres Denkens und somit letztendlich unseres Handelns zu machen. Grundvoraussetzung ist dabei, dass wir uns bewusst machen, dass jede Handlung, die Möglichkeit des Scheiterns beinhaltet. Wir dürfen uns klar machen, was geschieht, wenn alles schief geht, denn wenn wir das Schreckensszenario erstmal vor Augen haben und uns bewusst damit auseinandersetzen, sind wir in der Lage diesen "worst case", bewusst zu verarbeiten und werden feststellen, dass er unser "Ich" nur punktuell betrifft und nicht in der Gesamtheit in Frage stellt. Haben wir dies erstmal verstanden, sollte es nicht mehr sehr schwer sein unser Verhaltensmuster umzudrehen. Nicht der Kampf gegen etwas, nämlich das Versagen, sondern der Kampf für etwas, nämlich unsere Aufgaben, wird unser Verhalten bestimmen. Die positive Formulierung, dessen, was wir tun wollen/sollen/müssen ist nun wieder möglich und wir versetzen uns damit in die Lage wieder motiviert, die gestellten Aufgaben anzugehen.

Natürlich, geht eine derartige Umstellung nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess, der bewusst eingeleitet werden muss, ab einem bestimmten Punkt aber zunehmend an Eigendynamik gewinnt. Am Anfang kann man diese Entwicklung, weg von der Angst, mit gedanklicher Hilfe unterstützen. Hierzu gibt es ein paar Grundgedanken, die man sich immer wieder bewusst machen sollte:
- wir sind nicht da, um zu funktionieren, sondern um zu leben
- wenn wir nicht gut wären, wären wir nicht da, wo wir bereits sind
- wir haben Dinge gelernt, die wir richtig gut können
- wir sind gut, durch das, was wir bis jetzt erreicht haben
Zusätzlich sollten wir uns, bereits erzielte Erfolge immer wieder bewusst machen (z.B die Glanzparade aus dem Spiel von vor drei Monaten, der schwere Ball im Training, die Fortschritte bei einer Technik...)

Auf diesem Weg lässt sich ein angeschlagenes Selbstwergefühl, dann doch wieder herstellen und wir können uns wieder mit Freude unseren Aufgaben widmen, anstatt das, was wir eigentlich wollen, zu vermeiden. Kommen dann die ersten Erfolgserlebnisse, und die werden sich einstellen, dann bringt uns auch ein Patzer nicht mehr aus dem Gleichgewicht und unser Selbstbewusstsein wird für uns und andere spürbar.

Und dann gibt es da noch etwas ganz wichtiges: Eine Spur von Angst wirkt motivierend und leistungssteigernd, da sie uns vor Leichtsinn, Arroganz und Selbstgefälligkeit schützt.

Übrigens bei mir über dem Schreibtisch hängt ein Schild mit den Worten: "Heute schon blamiert?"

..vielleicht ist es mit diesem Post schon geschehen, wenn nicht werde ich es weiter versuchen, denn sonst wird bald stillstand in meinem Leben eintreten und das ist etwas, womit ich mich überhaupt nicht anfreunden kann, trotz aller Fehler, die mir ständig passieren, um ihn zu vermeiden....